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Wahlplakate an Straßenlaternen in Erfurt.

© Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa

Noch ist alles für alle drin in diesem Wahlkampf: Die Spannung steigt – jeder kann noch Boden gutmachen

Zuletzt kam etwas Schwung in die Bundestagswahlkampf. Viele Wähler sind mobilisiert, aber noch unentschlossen. Themen setzen kann sich lohnen. Ein Kommentar.

Stephan-Andreas Casdorff
Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Stand:

Endspurt! Die Matadore biegen ein auf die Zielgerade und geben alles. Bald drei Runden in Triellen haben sie hinter sich, die Bürger:innen haben sich im wahrsten Sinne des Wortes ein Bild machen können, inhaltlich und optisch, was ja nach allem, was man aus den Jahrzehnten weiß, auch eine Rolle spielt.

Sympathie ist auch eine Sache des Augenblicks, nicht wahr? Und bis zum letzten Augenblick geht es jetzt zur Sache. Bis in die Wahlkabine hinein.

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Erschöpft ist höchstens das Publikum, möchte man meinen. Denn die Wahlkämpfer an der Spitze, die Spitzenkandidatin, die Spitzenkandidaten, haben eher mal eine Mittelstrecke absolviert.

So richtig in Schwung gekommen ist der Wahlkampf erst in der vergangenen Woche, nach dem zweiten Triell. Da wurde auch Frontrunner Olaf Scholz zuweilen die Röte ins Gesicht getrieben, was bei ihm etwas heißen will. Wirecard, Cum-Ex, Geldwäsche, die Aufsichtspflichten eines Bundesministers der Finanzen, die Autorität des Ersten Bürgermeisters in Hamburg – plötzlich ging und geht es nicht mehr vor allem um Armin Laschet und seine Ästhetik des Auftritts. Oder um Annalena Baerbock und ob oder wie sie vom Völkerrecht kommt.

Erschöpfend behandelt sind die Themen nicht

Erschöpfung, das gilt auch nicht für die Themen, im Übrigen. Erschöpfend behandelt sind die nicht. Immerhin jetzt aber ansatzweise. Wie viele Milliarden Kilowattstunden Strom im Jahr müssen fürs Klima ersetzt werden? Wie gelingt wirtschaftliche Gesundung, ob mit oder ohne Steuererhöhung? Wie werden Wohnungen in ausreichender Anzahl zur Verfügung gestellt und zu welchem Preis – da hat Scholz auf den letzten Metern noch ein Programm vorgestellt.

Das der Hamburger Weg genannt werden könnte, nur im Quadrat. Mal sehen, wie das verfängt. Wenn ähnlich wie Laschets Sofortprogramm, dann wäre es – nun, weitgehend verpufft.

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Aber erreicht ist, dass deutlich mehr als 80 Prozent der Wahlberechtigten sagen, sie wollten wirklich wählen gehen. Sogar 87 Prozent sind es, was an frühere stolze Zeiten der demokratischen Beteiligung erinnert. Und es ist noch alles für alle drin, denn 38 oder 40 Prozent, manche sagen: 48, sind unentschieden, wer ihre Stimmen bekommen soll. Überraschend viele, zwei Drittel, finden, dass keiner der Spitzenkandidaten spitze ist. Helden müssen sich also in dieser Woche zeigen. Oder gemacht werden.

Die Spannung steigt. Grünen-Co-Chef Robert Habeck hat schon recht, dass jede, jeder noch Boden gutmachen kann. Nicht zuletzt Baerbock. Die Union erkennt jetzt bitter, dass die Menschen tatsächlich ein Verlängerung der Ära Merkel mit anderen Mitteln doch nicht wollen. 16 Jahre „Angie“, am Ende womöglich noch ein paar Tage länger als Helmut Kohl?

Scholz macht schon nicht mehr die Raute, weil er weiß, das kann noch nach hinten losgehen. Laschet, der im Endspurt erst einigermaßen zu sich und zu Normalform gefunden hat, richtet sich inzwischen darauf ein, im Fotofinish zu unterliegen, um dann nach dem Motto vorzugehen: Auch der zweite Sieger kann noch ein Gewinner sein.

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Die Spannung steigt. Grünen-Co-Chef Robert Habeck hat schon recht, dass jede, jeder noch Boden gutmachen kann. Nicht zuletzt Baerbock. Die Union erkennt jetzt bitter, dass die Menschen tatsächlich ein Verlängerung der Ära Merkel mit anderen Mitteln doch nicht wollen. 16 Jahre „Angie“, am Ende womöglich noch ein paar Tage länger als Helmut Kohl?

Da kann Scholz die Raute machen, wie er will, das kann noch nach hinten losgehen. Laschet, dererst aus der Kurve heraus zu sich und einigermaßen zu Normalform gefunden hat, richtet sich schon darauf ein, im Fotofinish zu unterliegen, um dann nach dem Motto vorzugehen: Auch der zweite Sieger kann ein Gewinner sein.

Mal abwarten, was dann – bald ist es ja so weit – Christian Lindner dazu zu sagen hat, der heimliche Coach im Triell. Keine Antworten geben, Politik entpolitisieren, das passt ihm nicht, zurecht, und insbesondere nicht zur gesellschaftlichen Unruhe. Dynamik auf der richtigen Spur ist das Gebot der Stunden. Und nach Schluss des Wahlgangs wird es dann aufs Neue um Energie gehen, um die persönliche und die andere sowieso.

Womit wir nun in diese Wochen und darüber hinaus gehen? Jede Regierung in Deutschland muss sich klar zum Klimaschutz bekennen, zur transatlantischen Partnerschaft, zur Nato und zu einer starken und souveränen EU. Dazu, dass sie solide mit dem Geld umgeht. Dass die Sicherheit im Inneren gewährleistet wird. Das sagen sie alle. Aber nur zwei reden beim letzten Triell wie Koalitionäre. Olaf Scholz und Annalena Baerbock – sie haben ihre Wahl schon getroffen

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