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EU verschärft Asylpolitik: Scholz wird die Migrationsdebatte nicht los
Beim EU-Gipfel erklärt Kanzler Scholz, dass er nichts von Asylzentren nach italienisch-albanischem Vorbild hält. Trotzdem gibt es Gründe, warum eine Zusammenarbeit mit Drittstaaten sinnvoll sein kann.

Stand:
Meloni macht Schule. Ausgerechnet die Politikerin einer postfaschistischen Partei übt mit ihrer Asylpolitik eine große Anziehungskraft in Europa aus.
Giorgia Meloni, die Regierungschefin Italiens, hat beim EU-Gipfel in Brüssel die Praxis der Asylzentren im Nicht-EU-Land Albanien erläutert, von wo aus irreguläre Migranten gegebenenfalls wieder in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden sollen. Und viele haben beim Gipfel zugehört.
Was ist passiert? Im vergangenen Frühjahr hat die EU bereits eine Reform des Asylsystems beschlossen, die mit einem restriktiveren Kurs einhergeht: Asylprüfungen an den EU-Außengrenzen, Schnellverfahren, Rückführung von Migranten ohne Bleibeperspektive. Das Problem: Die EU-Asylreform tritt erst 2026 in Kraft. Sie wirkt nicht, um den anhaltenden Migrationsdruck Richtung Europa unmittelbar zu mindern.
Was Meloni nun ins Werk gesetzt hat, geht noch über die mühsam beschlossene Reform hinaus. Es geht um die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten. Damit haben Asylsuchende keine Chance mehr, ihr Asylgesuch auf dem Boden der EU zu stellen.
Melonis Asylzentren in Albanien laufen auf eine neue Wendung in der europäischen Asylpolitik hinaus, die nur noch eine Richtung zu kennen scheint: immer restriktiver.
Viele sind anderer Meinung als Scholz
Beim Treffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel zeigte sich nun, woher der Wind weht. Eine ganze Reihe von Ländern, darunter die Niederlande, Dänemark, Polen, Ungarn oder Griechenland, finden nichts Verwerfliches an Drittstaatenregelungen à la Meloni. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte hingegen, er könne mit der Diskussion um die Auslagerung von Asylverfahren „wenig anfangen“.
In Anlehnung an Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán und seine harte Migrationspolitik sprechen manche Beobachter schon davon, dass der jüngste Brüsseler Gipfel tatsächlich die zunehmende „Orbanisierung der EU“ markiert. Stimmt das? Hier stellt sich die Grundfrage, ob man angesichts besorgniserregender Entwicklungen wie dem jüngsten Wahlerfolg der FPÖ in Österreich eine weitere Verschärfung der Asylregeln in den Blick nehmen soll, um den Rechtspopulisten in Europa den Boden zu entziehen? Oder stärkt das die Rechtsextremen erst recht?
Auch wenn Scholz beim Gipfel die Diskussion über Melonis Albanien-Lösung beiseite wischte, dürfte er die Debatte um eine Zusammenarbeit mit Drittstaaten nicht so schnell loswerden.
Albrecht Meier
Vor allem in Deutschland tut man sich schwer mit der Vorstellung, dass die EU immer mehr zu einer „Festung Europa“ werden könnte. Angesichts der Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus, der nicht nur zum Holocaust, sondern auch zu einer großen Fluchtbewegung führte, ist diese Haltung nachvollziehbar. Dass Menschen, die einen sicheren Hafen suchen, wieder in ihre Heimat zurückgeschickt werden, mag vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte eine schwer erträgliche Vorstellung sein.
Aber schon seit der Flüchtlingskrise von 2015/16 hat sich gezeigt, dass differenziert werden muss, wer in Europa ein Recht auf Asyl oder subsidiären Schutz genießt – und wer nicht. Materielle Not kann natürlich eine Fluchtursache sein, aber sie darf kein Bleiberecht in Deutschland und anderen EU-Staaten garantieren. Anders verhält es sich beispielsweise weiterhin mit verfolgten Menschen aus Syrien, die aus unsicheren Regionen jenseits der Hauptstadtregion um Damaskus fliehen.
Die Antwort, ob die beim EU-Gipfel skizzierte weitere Verschärfung der Abschieberegelungen bloßer Populismus ist oder doch eine objektive Notwendigkeit, geben im Fall Deutschlands die Politikerinnen und Politiker der Kommunen: Die Belastung bei der Unterbringung der Flüchtlinge bleibt hoch, vor allem in Westdeutschland.

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Auch wenn Scholz beim Gipfel die Diskussion über Melonis Albanien-Lösung beiseite wischte, dürfte er die Debatte um eine Zusammenarbeit mit Drittstaaten nicht so schnell loswerden. Ende letzten Jahres beauftragte die Ministerpräsidentenkonferenz die Bundesregierung, das sogenannte „Ruanda-Modell“ zu prüfen. Inzwischen sind Experten zu der Ansicht gelangt, dass Asylverfahren im Ausland außerhalb der EU zu teuer und ineffizient seien.
Dennoch steht die Bundesregierung trotz sinkender Asylbewerber unter dem Druck, einen Ausweg aus dem Dilemma zu finden, mit dem auch andere Aufnahmeländer wie Spanien oder Italien konfrontiert sind: Wer es als Flüchtling erst einmal in die EU geschafft hat, kann häufig trotz Ablehnung des Asylgesuchs bleiben. Das liegt daran, dass die Herkunftsstaaten eine Rücknahme der Migranten verweigern.
Deshalb ist es nicht falsch, über Drittstaatenlösungen bei der Bearbeitung von Asylanträgen nachzudenken. Auch die verstärkte Zusammenarbeit mit Transitstaaten wie Tunesien trägt inzwischen Früchte. Die Absichtserklärung mit der EU vom Juli 2023, der zufolge das nordafrikanische Land verstärkt gegen Schlepper vorgehen soll, hat zwischen Januar und August bei der irregulären Migration über die zentrale Mittelmeerroute zu einem Rückgang um 64 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum geführt.
Sicher kann die Zusammenarbeit mit Ländern wie Albanien, Tunesien oder Ruanda nicht allein dazu führen, dass die Zahl der Migranten ohne Bleibeperspektive in Deutschland und den anderen EU-Staaten sinkt.
Aber sie kann eine Stellschraube sein, um zu einer besseren Steuerung bei der Migration zu kommen.
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