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„Nicht viel Positives zu berichten“: Die fünf wichtigsten Erkenntnisse aus dem Verfassungsschutzbericht
Das Bild, das Innenministerin und Verfassungsschutzpräsident zeichnen, ist düster. Die Zahl der extremistischen Straftaten steigt. Die möglicher Täter auch.
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Ob Rechts- oder Linksextremisten, Islamisten oder russische Agenten: Auf vielen Feldern verschärft sich laut dem aktuellen Verfassungsschutzbericht derzeit die Lage. Vorgestellt wurde der Bericht am Dienstag in Berlin von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und dem Präsidenten des Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang. Fünf zentrale Erkenntnisse daraus:
1 Die Zahlen zeigen: Es wird unsicherer
39.433 Straftaten mit extremistischem Hintergrund zählte der Verfassungsschutz für das vergangene Jahr. Das sind knapp 4000 mehr als im Vorjahr, 2761 davon Gewalttaten. Der Verfassungsschutz habe „nicht viel Positives zu berichten“, konstatierte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang dementsprechend bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes am Dienstagvormittag in der Bundespressekonferenz.
„In allen Arbeitsfeldern meines Hauses erleben wir eine äußerst hohe Auslastung.“ In keinem der Bereiche von Rechts- bis Linksextremismus, Islamismus und russischer Einflussnahme gebe es Entwarnung. Besonders hervorgehoben wurden auch dschihadistische Einzeltäter und kleine Gruppen.

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2 Kriege im Ausland wirken sich unmittelbar auf die innere Sicherheit aus
Im Verfassungsschutzbericht wird deutlich, wie sehr sich Konflikte im Ausland auf die Sicherheitslage in Deutschland auswirken. Extremisten nutzten den Gaza-Krieg, um massiv zu Hass und Gewalt gegen Juden in Deutschland aufzurufen und das Existenzrecht Israels in Frage zu stellen. Von einem „widerwärtigen Judenhass“ sprach Faeser und betonte, seit dem Krieg in Gaza sei ein massiver Anstieg von Gewalt gegen Juden in Deutschland zu beobachten.
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Die gegen Israel gerichtete Boykottbewegung BDS stufen die Behörden inzwischen als sogenannten extremistischen Verdachtsfall ein. Die Bewegung weise „Bezüge zum säkularen palästinensischen Extremismus“ auf, heißt es.
Auch Russland, China und der Iran haben Deutschland im Visier. Das strategisch gesteuerte Vorgehen Chinas fordere die Cyber- und Spionageabwehr in besonderem Maße, hieß es vom Bundesamt für Verfassungsschutz.
3 Russland versucht zu destabilisieren
Besonders hervorzuheben ist auch die Bedrohung durch Russland. Für manche fühle sich der Krieg in der Ukraine weit weg an und wird höchstens über Debatten übers Bürgergeld konkret. Tatsächlich hat sich laut Verfassungsschutz die Bedrohung durch Spionage, illegitime Einflussnahme, Desinformation und Cyberangriffe gegenüber 2022 weiter verschärft – aus China und dem Iran, insbesondere aber auch aus Russland.
„Wir müssen unsere Demokratie aktiv verteidigen“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts und verwies auf verhinderte Sprengstoffanschläge durch russische Täter, die Deutschlands Unterstützung der Ukraine beeinflussen sollten. „Wir lassen uns nicht einschüchtern“, erklärte Faeser. Haldenwang ergänzte, Russland arbeite kontinuierlich daran, Informationen zu beschaffen und entsprechendes Personal – man könnte übersetzen „Agenten“ – auszugleichen, das nach dem Angriff auf die Ukraine ausgewiesen worden war.
4 Rechtsextremismus und die AfD
Die Zahl der bekannten Rechtsextremisten steigt, heißt es im Verfassungsschutzbericht. Im vergangenen Jahr lag sie bei 40.600 Menschen und stieg um 1800 Personen im Vergleich zum Vorjahr. Außerdem wurden 25.000 Personen dem Reichsbürger- und Selbstverwaltermilieu zugeordnet. Rund zehn Prozent dieser Menschen sollen gewaltorientiert sein.
Gefährlich ist das vor allem, weil Waffen in der Szene eine große Rolle spielen. 2023 wurden demnach mindestens 360 dieser Personen waffenrechtliche Erlaubnisse entzogen oder sie wurden freiwillig zurückgegeben. Die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten stieg demnach um ein Viertel.

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In dem Zusammenhang spielt auch die AfD eine Rolle, die als Verdachtsfall beobachtet wird. Haldenwang erklärte, es gebe nun drei mögliche Szenarien. Nummer eins: Der „Verdacht“ bestätige sich nicht. Das halte er für „weniger wahrscheinlich“. Nummer zwei: die Höherstufung zum erwiesenen Beobachtungsobjekt. Nummer drei: Erst einmal wird die Partei weiter als Verdachtsfall beobachtet. Einfluss darauf, so Haldenwang, hätten die Begründung eines entsprechenden Gerichtsurteils, aber auch der Parteitag in Essen nächste Woche. „Wir werden uns damit nicht allzu viel Zeit lassen“, sagte Haldenwang über die Entscheidung zum Status der AfD.
5 Linksextremismus stieg weniger stark, Gewalt nahm zu
Die Zahl der linken Extremisten stieg weniger stark als die der rechten. Beunruhigende Entwicklungen beobachtet der Verfassungsschutz auch hier: Vor allem die Gewalt gegen Polizisten habe stark zugenommen, nämlich um mehr als ein Fünftel, darunter Taten bis hin zu mutmaßlich versuchtem Mord.

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Das Bündnis „Ende Gelände“ wird nun als linksextremistischer Verdachtsfall geführt. Den Jugendorganisationen der Parteien, die mit dem Bündnis Kontakt hatten, riet Innenministerin Faeser auf Nachfrage, diesen zu beenden.
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