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08.01.2025, Berlin: Der Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar (Bündnis 90/Die Grünen) reagiert auf seine ausgebliebene Wiederwahl als Direktkandidat für den Wahlkreis Berlin-Pankow zur kommenden Bundestagswahl. Bei einer Versammlung am Abend beschlossen die Grünen statt Gelbhaar die Landesabgeordnete Julia Schneider ins Rennen zu schicken. Foto: Annette Riedl/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Annette Riedl

Update

Falsche Belästigungsvorwürfe: Habeck nennt Vorgänge im Fall Gelbhaar „schockierend“ – Grüne stellen Strafanzeige

Der Berliner Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar ist womöglich Opfer einer parteiinternen Intrige geworden. Die Grünen-Spitze äußerte sich lange nicht. Nun reagierte Kanzlerkandidat Robert Habeck.

Stand:

Nach Kritik am Umgang der Grünen-Spitze mit der mutmaßlichen Intrige gegen den Berliner Grünen-Politiker und Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar hat Kanzlerkandidat Robert Habeck am Montagmittag Aufklärung gefordert.

„Die Vorgänge im Berliner Landesverband sind gravierend und auch schockierend“, sagte der Wirtschaftsminister am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in Berlin: „Es muss unbedingt schnell und rücksichtslos aufgeklärt werden, was da eigentlich passiert ist, und auch die Konsequenzen gezogen werden.“ Habeck betonte, dass der Bundesverband der Grünen dies mit hoher Priorität vorantreibe. Weitere Fragen dazu beantwortete er nicht und verwies auf eine Pressekonferenz des Parteivorstands am Nachmittag.

Dort äußerte sich der Bundesvorsitzende Felix Banaszak ähnlich wie Habeck. „Stefan Gelbhaar ist Schaden zugefügt worden. Wir bedauern das ausdrücklich“, sagte Banaszak. Der Bundesvorstand der Grünen habe sich „sehr intensiv“ mit den Entwicklungen in dem Fall befasst. Man habe am Samstag daher ein Parteiausschlussverfahren gegen die ehemalige Grünen-Bezirkspolitikerin Shirin Kreße eingeleitet, was nun hinfällig ist, da Kreße ihren Austritt am gleichen Tag bereits erklärt hatte. Parteichefin Franziska Brantner teilte mit, dass man Strafanzeige sowohl „gegen die benannte Person als auch gegen Unbekannt“ gestellt habe.

Die ehemalige Vorsitzende der Grünen-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Mitte soll nach Tagesspiegel-Recherchen unter der falschen Identität „Anne K.“ dem Sender RBB eine eidesstattliche Versicherung abgegeben haben, in der Gelbhaar sexuelle Belästigung vorgeworfen wurde. Banaszak bestätigte, es gebe Erkenntnisse zu einer mutmaßlichen Falschaussage. Es gehe um ein Verhalten, „das von krimineller Energie und Niedertracht geprägt ist“.

Sieben Personen halten an Meldungen fest – neue Kommission soll aufklären

Die Vorwürfe gegen Gelbhaar sind deswegen trotzdem nicht ausgeräumt. Nach Angaben des Pankower Bundestagsabgeordneten gab es ursprünglich zwölf mutmaßlich Betroffene. Banaszak teilte am Montag mit, dass sieben Personen ihre Meldungen an die Ombudsstelle der Partei aufrechterhalten. Der Bundesvorstand habe daher beschlossen, eine neue Kommission unter Führung von Anne Lütkes und Jerzy Montag einzusetzen, um die vorhandenen Fälle aufzuklären. Lütkes war Justizministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin in Schleswig-Holstein, Montag Mitglied des bayrischen Verfassungsgerichts und ehemals Abgeordneter des Deutschen Bundestages. Die Landesspitze der Berliner Grünen, Nina Stahr und Philmon Ghirmai, begrüßten die Ankündigung der Bundespartei.

Der Spitzenkandidat der Grünen, Robert Habeck, hatte es bis Montagmittag vermieden, öffentlich zu den Vorgängen um Gelbhaar Stellung zu nehmen. Auch bei einem RTL-Interview am Sonntag waren Fragen um den Parteiskandal nicht erwünscht. „Dazu möchte er sich ausdrücklich nicht äußern“, sagte die RTL-Aktuell-Moderatorin Roberta Bielang. Die Reporterin interviewte Habeck nach einer Wahlkampfveranstaltung.

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Die Grünen-Politikerin Annalena Baerbock äußerte sich im ZDF am Sonntagabend ebenfalls nicht zur Causa Gelbhaar. Als Außenministerin könne sie zu dem Fall nichts sagen, darum kümmerten sich die Parteizentrale und die Ombudsstelle der Partei, betonte die Grünen-Politikerin in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“.

Auf die Frage, ob Gelbhaar noch einen Listenplatz für die Bundestagswahl bekommen könnte, falls sich die Vorwürfe endgültig als unwahr herausstellen sollten, antwortete Baerbock, dies sei Sache der Gremien. Der Grünen-Fraktionsvize und Wahlkampfmanager Habecks, Andreas Audretsch, hat nach Überzeugung Baerbocks nichts mit der möglichen Intrige gegen den Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar zu tun. Es sei Wahlkampf, da sei es klar, dass auch die politische Konkurrenz versuche, dies auszunutzen.

Genau das macht unter anderem die CSU und holt zu einer neuen Attacke auf Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck aus. Der Bundeswirtschaftsminister müsse sich persönlich erklären, verlangte CSU-Generalsekretär Martin Huber nach einer Parteivorstandssitzung in München am Montag. „Was wusste Robert Habeck? War er eingeweiht? Hat er dieses Vorgehen gebilligt?“, fragte er. Auch Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte umfassende Aufklärung.

Grüne-Abgeordnete fordert Rehabilitierung nach Klärung der Vorwürfe

Die Vorsitzende der Landesgruppe Ost der Grünen-Bundestagsfraktion, Paula Piechotta, hat für eine offizielle Rehabilitierung ihres Co-Vorsitzenden Stefan Gelbhaar wegen des Vorwurfs der sexuellen Belästigung plädiert, wenn alle Vorwürfe geklärt sind. „Die jetzt bekannt gewordenen falschen Anschuldigungen gegen Stefan Gelbhaar sind ein Beispiel dafür, wie hart und ungerecht Politik sein kann“, sagte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

„Mir persönlich wäre es ein Anliegen, dass er nach Klärung aller Vorwürfe rehabilitiert wird.“ Piechotta hatte intern frühzeitig Zweifel an der Richtigkeit der Vorwürfe geäußert.

Gegen Gelbhaar wurden im Dezember Belästigungsvorwürfe erhoben, die offenbar zumindest teilweise frei erfunden sind. Er wollte ursprünglich ebenso wie Audretsch für Platz zwei der Berliner Landesliste für die Bundestagswahl kandidieren. Gelbhaar zog seine Kandidatur vor dem Hintergrund der Vorwürfe kurz vor dem Landesparteitag zurück, Audretsch wurde gewählt. Der Listenplatz zwei gilt als so gut wie sicher, um in den Bundestag einziehen zu können. (mit dpa)

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