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Der frühere Bundesinnenminister: Gerhart Baum (FDP).

© Imago/Horst Galuschka

„FDP auf dem Weg zur Selbstzerstörung“: Ex-Innenminister Baum fordert Neuanfang – auch ohne Lindner

Der Grandseigneur der Liberalen sagt, mit der „D-Day“-Affäre habe die Partei ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt. Noch vor Weihnachten müsse es einen Sonderparteitag geben, so Baum.

Stand:

Das publik gewordene „D-Day-Papier“ setzt die Liberalen massiv unter Druck. Die FDP taumelt in Umfragen schon seit Langem um die fünf Prozent, die Sympathiewerte von Parteichef Christian Lindner rutschten nun weiter in den Keller. Bei den für den 23. Februar geplanten vorgezogenen Neuwahlen droht die Partei den Wiedereinzug in den Bundestag zu verpassen.

Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum wirft nun der FDP-Parteiführung um Lindner schwere Fehler vor. „Unser politisches Angebot ist unverantwortlich verengt worden“, sagte der FDP-Politiker im Gespräch mit dem Portal „Table.Briefing“: „Die FDP ist auf dem Weg zur Selbstzerstörung.“ Mit der „D-Day“-Affäre habe die Partei ihre eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt, so der 92-Jährige.

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Das Bekanntwerden eines mehrseitigen Papiers aus der FDP-Zentrale mit genauen Planungen für einen Ausstieg aus der Ampel-Koalition, versehen mit militärischen Begriffen wie „D-Day“ und „offene Feldschlacht“, hatte vergangene Woche zum Rücktritt von Generalsekretär Bijan Djir-Sarai geführt. Der frühere Bundesjustizminister Buschmann übernahm den Posten als Generalsekretär kommissarisch. Er muss noch von einem Parteitag bestätigt werden. Auch Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann trat zurück. Er hatte Buschmann zufolge das Papier verfasst.

Lindner hat wiederholt erklärt, er habe das Papier nicht zur Kenntnis genommen. Der FDP-Chef sprach davon, dass „schmerzhafte personelle Konsequenzen“ gezogen worden seien. Dass die Fehler passiert seien, „bedauern wir sehr, weil dadurch die Lauterkeit unserer Motive von unseren politischen Gegnern infrage gestellt werden konnten“.

Baum hatte nach dem Bekanntwerden des Papiers dem „Spiegel“ gesagt, die Darstellung von Lindner als Opfer des Kanzlers sei nun brüchiger geworden. Er fühle sich „auch persönlich düpiert“. Während er und seine Freunde „um die Glaubwürdigkeit unserer Partei“ gekämpft hätten, hätten andere in der FDP nur aus der Ampel herausgewollt, „um sich selbst zu retten“.

Baum forderte einen „überzeugenden Neuanfang, ob mit oder ohne Christian Lindner“. Diesen Neuanfang müsse die Partei noch vor Weihnachten auf einem Sonderparteitag organisieren, sagte er „Table.Briefing“. „Wenn jetzt nicht gehandelt wird, werden wir verschwinden.“ Die FDP und das Land bräuchten „eine weltoffene Definition von Freiheit, die im Wirtschaftlichen den Menschen Richtung gibt und Kreativität auslöst – und im Außenpolitischen deutlich macht, was heute auf der Welt auf dem Spiel steht”.

Die Parteiführung sollte darüber nachdenken, ob sie noch überzeugt nach so vielen Wahlniederlagen, die sie zu verantworten hat.

Gerhart Baum, ehemaliger Bundesinnenminister (FDP)

Die Republik brauche eine FDP mit der Freiheitsdefinition der Revolution von 1848. Baums Forderung an alle in Verantwortung: „Die Parteiführung sollte darüber nachdenken, ob sie noch überzeugt nach so vielen Wahlniederlagen, die sie zu verantworten hat.”

Baum sagte weiter, liberale Politik müsse geleitet sein von einem Verantwortungsgefühl für die ganze Gesellschaft. Stattdessen habe die FDP-Spitze alles auf die Schuldenbremse und den Haushalt verengt. „Eine Partei mit einem Prozent Sachkompetenz und vier Prozent Wähleranteil“, sagte Baum.

„Schlimmer noch: Sie hat eine Koalition und ein ganzes Land in Geiselhaft genommen. Da stimmt keine Relation mehr.“ Freiheit sei unlösbar verknüpft mit Verantwortung. Mit Schutzaufträgen für Schwächere und Minderheiten. Mit einer offensiven Verteidigung „unserer liberalen Verfassung“.

Laschet plädiert für Schwarz-Gelb

Der frühere Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, sprach sich drei Monate vor der Bundestagswahl für eine schwarz-gelbe Koalition aus. „Ein echter Regierungswechsel für eine wettbewerbsfähige Wirtschafts- und Energiepolitik und für eine Neuordnung der Migrationspolitik ist nur durch Schwarz-Gelb möglich“, schreibt der CDU-Politiker in einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“.

Für Laschet folgt daraus: „Wer Protest wählt, wer AfD wählt, treibt die Union erneut in eine Große Koalition oder in Schwarz-Grün. Oder um es mit Heiner Geißler zu sagen: Wer rechts wählt, wird links regiert.“

Der frühere Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen: Armin Laschet (CDU).

© picture alliance/dpa/Britta Pedersen

Kurz vor der Vertrauensfrage von Kanzler Olaf Scholz (SPD) am 16. Dezember im Bundestag analysiert Laschet die Gründe für das Scheitern der Ampelkoalition. „Mit dem Wort „Respekt“ hat Olaf Scholz 2021 Wahlkampf gemacht. Dieser Respekt hat den Ampel-Parteien aber untereinander gefehlt. Keiner hat keinem etwas gegönnt. In den Regierungsfraktionen spielte jeder auf eigene Rechnung“, schreibt Laschet.

Aus seiner Zeit als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen wüsste er aber, dass der Erfolg einer Regierung darin bestehe, jedem Partner Erfolge zu lassen. „Das war bei dieser Regierung leider nicht der Fall“, so Laschet.

Nach Ansicht Laschets wäre eine Ampel eigentlich unschlagbar. „Mit sozialem Profil der SPD, mit Umwelt- und Klimathemen der Grünen und einem wirtschaftsfreundlichen, marktwirtschaftlichen Kurs der Liberalen hätten die großen gesellschaftlichen Zukunftsthemen gemeinsam gestaltet werden können.“

Hinzu komme, dass sich nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die größten Oppositionsparteien aus CDU und CSU hinter den Bundeskanzler stellten, nachdem er die „Zeitenwende“ am 27. Februar 2022 verkündete. „Mehr Rückenwind geht nicht“, heißt es in dem Gastbeitrag.

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