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FDP-Politiker Gerhart Baum (Archivbild)

© Imago/Panama Pictures/Christoph Hardt

Exklusiv

„Ampel-Ausstieg wäre Selbstmord“: FDP-Urgestein Gerhart Baum verlangt mehr Realismus von seiner Partei

Verlassen die Liberalen die Koalition, womöglich schon in den kommenden Tagen? Ex-Innenminister Gerhart Baum warnt die FDP davor, die Handlungsfähigkeit der Regierung zugunsten des Wahlkampfs zu riskieren.

Stand:

Innerhalb der FDP wird Kritik an Überlegungen zum Ende der Ampel-Koalition laut. „Die weltpolitische Lage mit Krisen und Kriegen ist sehr gefährlich. In dieser Situation braucht Deutschland eine handlungsfähige Bundesregierung und keinen Wahlkampf“, sagt der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) dem Tagesspiegel: „Wenn die FDP jetzt die Ampel verlässt, wäre das politischer Selbstmord aus Angst vor dem Tod.“ Die FDP brauche jetzt „mehr Realismus“, sagte Baum.

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Am Donnerstag war ein 18-seitiges Papier von Finanzminister Christian Lindner (FDP) bekannt geworden, das als mögliche Begründung für einen Bruch der Ampel-Koalition durch die FDP gilt. SPD und Grüne weisen die wirtschaftspolitischen Forderungen Lindners zurück.

„Ich habe die Sorge, dass die FDP nicht verantwortungsbewusst handelt“, sagt FDP-Urgestein Baum. Parteichef Lindner lasse die Zukunft der SPD-Grüne-FDP-Koalition „bewusst offen“, sagte Baum: „Mal hat man den Eindruck, es wird bald enden. Mal hat man den Eindruck, es geht weiter.“ Er widersprach der These, Lindner habe sich längst für ein Ende der Ampel entschieden. Diese „unklare, unschöne Situation“ führe zu einer politischen Schwäche: „Sie macht die Ampel unruhig und unsicher“.

Wenn die FDP aus der Ampel raus geht, muss sie sagen, wohin sie geht. Es gibt ja gar keine wunderbare Alternative.

Gerhart Baum (FDP), Ex-Innenminister

Eine Neuwahl des Bundestages sei „verfassungsrechtlich gar nicht so einfach“, sagte Baum, der 1982 gegen das Ende der SPD/FDP-Koalition votiert hatte. „Wenn die FDP aus der Ampel rausgeht“, so Baum, „muss sie sagen, wohin sie geht. Es gibt ja gar keine wunderbare Alternative“.

Baum kritisierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Die Richtung der FDP und ihre Strategie seien derzeit nicht erkennbar, sagte Baum. „Ich bin mit der FDP nicht zufrieden. Ich erkenne keine Strategie, um liberale Bürger zu erreichen. Eine solche Strategie zu entwickeln, wäre in besonderer Weise Aufgabe des Generalsekretärs. Er müsste die Zukunft des Liberalismus intonieren.“ Gefragt nach den Zustimmungswerten für die FDP, die in bundesweiten Umfragen um die vier Prozent liegt, sagte Baum: „Und unsere Sachkompetenz liegt bei einem Prozent.“  

In FDP wird baldiger Koalitionsbruch für möglich gehalten

Ein Bruch der Koalition kann, so heißt es zumindest in FDP-Kreisen, bereits in den kommenden Tagen erfolgen. Viele Liberale seien der Meinung, die FDP-Spitze werde mit einem Ampel-Aus nicht bis zur Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses am 14. November warten. Es gebe den Tenor, ein Ende der Ampel-Koalition schon früher als erst Ende November herbeizuführen.

Am Montag beraten die FDP-Spitzengremien, am Dienstag wählen die USA einen neuen Präsidenten. Bisher hieß es in der FDP, ein möglicher Sieg Donald Trumps habe parteiintern einen disziplinierenden Charakter auf den Umgang mit der Koalition. Diese Prämisse gelte inzwischen nicht mehr. Der „große Knall“ könne also tatsächlich früher als bisher angenommen kommen.

Sollte die FDP-Spitze also schon am Montag einen Beschluss zum Ende der Koalition herbeiführen? Das wäre der formale Schritt für ein Ende der Ampel. Lindner dürfte einen Beschluss avisieren, auf dessen Basis die Minister der FDP Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) um Entlassung bitten. „Die Bundesminister können jederzeit entlassen werden und ihre Entlassung jederzeit verlangen“ – so sieht es das Grundgesetz in Artikel 64 vor.

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