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German Chancellor Friedrich Merz answers questions of TV host Markus Preiss during ARD summer interview, in Berlin, Germany, July 13, 2025. REUTERS/Fabrizio Bensch

© REUTERS/Fabrizio Bensch

„Kein Beinbruch“, „undramatisch“, „passiert nun mal“: Das sagt der Kanzler über die gescheiterte Richterwahl

Im ARD-Sommerinterview versucht Kanzler Friedrich Merz wortreich die Ereignisse vom Freitag herunterzuspielen und stellt sich hinter CDU-Fraktionschef Jens Spahn. Ein bisschen Selbstkritik gibt es aber doch.

Stand:

Bundeskanzler Friedrich Merz hat im ARD-Sommerinterview erklärt, dass die gescheiterte Richterwahl am Freitag „nicht schön“, aber kein „Beinbruch“ gewesen sei. Er sagte, dass eine gescheiterte Wahl ein Zeichen sei, dass die Demokratie lebe.

„Das war am Freitag nicht schön, aber das ist nun auch keine Krise der Demokratie, keine Krise der Regierung“, erklärte er. Merz meinte: „Das Ganze ist undramatisch.“ Es handele sich nicht um einen Vorgang, der „uns umwirft“. 

Wir hätten früher erkennen können, dass da großer Unmut besteht.

Merz über die Stimmung in der Unionsfraktion

„Dass Kandidaten im Deutschen Bundestag scheitern, ist nichts Neues. Es passiert nunmal“, sagte Merz. Bei der aktuellen Sitzverteilung im Bundestag sei es ohnehin schwer, Zweidrittelmehrheiten zu finden.

Ein bisschen Selbstkritik gab es dann aber doch: „Wir hätten natürlich früher erkennen können, dass da großer Unmut besteht.“ Und: „Man hätte die Wahl besser vorbereiten können.“ Und er gelobte mit Blick auf die Richterwahl, es beim „nächsten Mal besser zu machen“.

Auf die Frage, ob CDU-Fraktionschef Jens Spahn noch der richtige Mann auf dem Posten sei, sagte Merz im ARD-„Sommerinterview“: „Eindeutig ja.“ Spahn in Schutz nehmend sagte der Kanzler, der Widerstand in der Unionsfraktion sei „in dieser Form nicht absehbar“ gewesen. Unruhe habe es aber auch in der SPD-Fraktion gegeben. So habe die frühere SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt die Kirchen mobilisiert.

Man könne Abgeordneten aber auch keine Befehle von oben geben. Bei solchen Personalfragen gehe es auch um Gewissensfragen, so Merz weiter.

Friedrich Merz im ARD-Sommerinterview.

© AFP/TOBIAS SCHWARZ

Der Hintergrund: Am Freitag war die Wahl für die freien Stellen am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe auf Drängen der Union abgesagt worden, weil es in den eigenen Reihen keine Mehrheit für die von der SPD vorgeschlagene Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf gegeben hatte. Bis Donnerstagabend gingen Merz und der CDU-Fraktionschef Jens Spahn noch davon aus, dass die Wahl stattfinden kann und die Opposition aus der Union zu vernachlässigen sei. Spahn hatte die Ablehnung unter den Unions-Abgeordneten offensichtlich völlig unterschätzt.

Kanzler sieht keinen Zeitdruck bei der Richterwahl

Merz erklärte weiter, dass sich Schwarz-Rot, „vielleicht selbst etwas überfordert“ habe mit den vielen Projekten, die die Koalition angegangen sei.  

Merz betonte, dass es bei der Wahl der Richter für Karlsruhe keinen Zeitdruck gebe. Zum Vorschlag aus der SPD, dass die umstrittene SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf sich den Fragen der Union stellen könnte, sagte Merz: „Ich werde das mit der SPD in Ruhe besprechen.“ Der Kanzler versicherte: „Wir werden versuchen, für die nächste Runde gute Mehrheiten zu bekommen.“

Die Frage, ob sich die umstrittene Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf zurückziehen solle, wollte Merz nicht beantworten. Er wollte die Wahl der Kandidatin den Unionsabgeordneten auch nicht empfehlen oder von ihr abraten.

Am Sonntag hatte SPD-Fraktionschef Matthias Miersch gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ erklärt, dass die Partei an Brosius-Gersdorf festhalte. „Nur weil üble Propaganda gemacht wird, wechseln wir keine Kandidatin aus.“

Merz sieht beim Bürgergeld weiter Einsparpotenzial in Milliardenhöhe

Auf den Unvereinbarkeitsbeschluss gegen Linke und AfD angesprochen, sagte Merz, dass es sein könne, dass „der eine oder andere“ bei Gesetzesvorhaben zustimmt, erklärte er.

Merz versprach erneut, die Sozialversicherungen umfassend zu reformieren. Die Arbeit daran sei im vollen Gange. Konkreter wollte Merz aber nicht werden. Die private Krankenversicherung, so erklärte er, solle aber beibehalten werden. Sie stabilisiere das System.

Mit Blick auf das Bürgergeld sagte er, dass er daran festhalte, dass viele Milliarden Euro eingespart werden könnten. Konkret könnten die Mietzuschüsse gedeckelt werden.

Am Ende ging es noch um Trump und Gaza

Am Ende des Sommerinterviews ging es noch kurz um das Thema Außenpolitik. Mit Blick auf die angedrohten Zölle von US-Präsident Trump erklärte Merz: „Wenn das käme, dann könnten wir große Teile unserer Anstrengungen um die Wirtschaftspolitik hinten anstellen“, sagte Merz. „Denn das würde alles überlagern und würde die deutsche Exportwirtschaft ins Mark treffen.“ Er engagiere sich deshalb sehr intensiv dafür, dass noch eine Lösung gefunden werde.

Er sei wie Macron der Meinung, dass es ohne eine Einigung auch zu europäischen Gegenmaßnahmen kommen müsse, sagte Merz. „Aber nicht vor dem 1. August“, fügte Merz hinzu. „Die Verhandlungen waren schon ziemlich weit fortgeschritten“, sagte er zu den Gesprächen mit der US-Regierung.

Merz betonte erneut, dass ihm Israels Vorgehen in Gaza „seit Wochen schon“ nicht gefalle. Er betonte, dass es eine Zwei-Staaten-Lösung geben müsse. Er habe dies auch mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu besprochen. Die israelische Regierung lehnt diese Zweistaaten-Lösung ab.

„Die Palästinenser haben den Anspruch darauf, auch einen Platz zu haben, wo sie leben können. Und so wie das zurzeit im Gazastreifen geschieht, ist das nicht akzeptabel“, fügte der Kanzler hinzu. Er wich der Frage aus, was er von israelischen Plänen hält, Palästinenser in gesonderten Orten zu sammeln, aus denen sie nur noch ins Ausland ausreisen könnten. (ben, mit Agenturen)

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