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Der ehemalige Bundesminister der Finanzen und FDP-Bundesparteivorsitzende: Christian Lindner.

© dpa/Hannes P. Albert

„Geht der SPD um Zerstörung der FDP“: Lindner sieht Ampel-Aus als Befreiung für das Land und erhebt schwere Vorwürfe

Nach dem Bruch der Regierungskoalition überziehen sich Sozialdemokraten und Liberale mit Vorwürfen. Der ehemalige Finanzminister wählt nun ungewöhnlich scharfe Worte.

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Seine Entlassung als Bundesfinanzminister durch Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte das Ende der Ampel-Koalition offiziell eingeleitet. Aus Sicht der Sozialdemokraten hatte Christian Lindner den Bruch des Bündnisses von langer Hand geplant und schließlich provoziert. Nun hat der FDP-Chef das Ende der Regierung als Befreiung für das Land bezeichnet und die SPD mit ungewöhnlich scharfen Worten attackiert.

Mit Blick auf Scholz, der ihn am 6. November nach einem heftigen Streit über ökonomische Konzepte gefeuert hatte, sagte Lindner dem „Handelsblatt“ (HB), die SPD folge einem „eiskalten taktischen Kalkül“.

Lindner weiter: „Die SPD will einerseits von ihrer Konzeptlosigkeit angesichts der Wirtschaftslage ablenken“, so der FDP-Chef. „Andererseits geht es der SPD um die Zerstörung der FDP, denn eine starke FDP im Bundestag senkt automatisch das Risiko einer Beteiligung von SPD oder Grünen an der nächsten Bundesregierung.“ Seine Entlassung sollte „wohl Teil des Wahlkampfs sein“, betonte Lindner.

Muss ich mich rechtfertigen, dass SPD und Grüne eine Problemlösung als Provokation empfinden?

Christian Lindner, FDP-Chef und ehemaliger Bundesfinanzminister

„Es war länger absehbar, dass in der Koalition unterschiedliche Einschätzungen zu den Herausforderungen und ihrer Lösung bestanden. Daher haben wir Szenarien erwogen“, sagte der ehemalige Finanzminister weiter. „Ohne Neuausrichtung der Politik hätte die Koalition beendet werden müssen.“

Er habe angesichts der Wirtschaftskrise nur das Wohl Deutschlands im Blick gehabt: „Muss ich mich rechtfertigen, dass SPD und Grüne eine Problemlösung als Provokation empfinden?“, fragte der frühere Finanzminister. „Mein Eindruck ist im Übrigen, dass die Wählerinnen und Wähler sich befreit fühlen von der Ampelkoalition“, sagte Lindner.

Medienberichte, in einer FDP-internen Runde über seine Koalitionspartner gesagt zu haben, er könne „diese Fressen nicht mehr sehen“, wollte Lindner nicht direkt dementieren. „Leider wurden Szenen und Elemente der vielen dutzenden Stunden an Beratungszeit unvollständig, verdreht oder auch manipulativ in die Öffentlichkeit getragen“, sagte er.

Er pflege „intern über Wettbewerber freundlicher zu sprechen als diese öffentlich über mich“, so der FDP-Vorsitzende. Er wolle sich auf dieses Niveau „nicht herablassen“ und „anonyme Vorhaltungen“ nicht kommentieren.

Unter anderem SPD-Chef Lars Klingbeil hatte mit scharfer Kritik auf Medienberichte reagiert, wonach die FDP-Spitze den Bruch der Ampel-Koalition schon seit Wochen vorbereitet haben soll. „Sie hat Papiere geschrieben, die mit dem unpassenden und geschichtsvergessenen Begriff D-Day überschrieben waren. Das schockiert mich sehr“, hatte Klingbeil dem HB gesagt.

Lindner warf er vor, das Land mit „seinem Drehbuch in Geiselhaft“ zu nehmen. „Das ist demokratieschädigend. Er hat alle hinters Licht geführt.“

Klingbeil sprach der FDP die Regierungsfähigkeit ab. „Wer derart agiert, einerseits seine Kompromissbereitschaft öffentlich bekundet, aber eigentlich im Hintergrund den großen Bruch vorbereitet, hat es nicht verdient, Verantwortung für das Land zu tragen“, sagte er. „Es ist richtig, dass Bundeskanzler Olaf Scholz diesem Schmierentheater ein Ende gesetzt und Christian Lindner entlassen hat.“

Die FDP erhält in Umfragen seit längeren schlechte Werte. Im aktuellen Politbarometer von ZDF und Tagesspiegel kam sie weiter nur auf drei Prozent. Den Liberalen droht damit, an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern und bei den für den 23. Februar geplanten vorgezogenen Neuwahlen den Wiedereinzug in den Bundestag zu verpassen. Lindner rutschte in der Erhebung auf einen persönlichen Negativ-Rekordwert.

Eine erneute Koalition mit SPD und Grünen lehnte Lindner in dem Gespräch mit dem HB ab: „Eine Ampel ist ausgeschlossen.“ Bei einem Jamaika-Bündnis oder einer Deutschlandkoalition wollte er sich noch nicht festlegen.

Unionskanzlerkandidat und CDU-Chef Friedrich Merz und sein bayerischer Kollege, CSU-Chef Markus Söder, haben wiederholt deutlich gemacht, dass die FDP nicht auf Wahlkampfhilfe von der Union hoffen dürfe. Der bayerische Ministerpräsident riet Lindner gar zu einer Auszeit.

Lindner kündigte zudem an, dass die FDP dem Ampel-Gesetz zum Abbau der kalten Progression im Bundestag trotz des Koalitionsbruchs zustimmen wird. „Wenn sich SPD und Grüne dazu durchringen, dann wird die FDP zustimmen“, sagte der FDP-Vorsitzende dem Handelsblatt. „Ich bin nur gespannt, ob es tatsächlich zur Abstimmung kommt. Die Grünen hatten jedenfalls bisher Hemmungen, dieses Gesetz im Bundestag auf die Tagesordnung zu setzen.“

Lindner betonte, dass die FDP keinem Koalitionsvertrag zustimmen werde, der eine Reform der Schuldenbremse vorsehe. „Ich habe mich nicht für die Schuldenbremse auf die Straße setzen und öffentlich herabwürdigen lassen, um mich danach an ihrer Aufweichung zu beteiligen“, sagte der FDP-Chef.

„Die FDP will einen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem eine Entlastung der Bürger und Betriebe steht und der gleichzeitig Investitionen in die Zukunftsaufgaben vorsieht, in Bildung, Forschung, Digitalisierung und unsere Infrastruktur.“ Das gehe ohne ein Aufweichen der Schuldenbremse.

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