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Ein Ansteckpin mit dem Parteilogo der AFD Alternative für Deutschland.

© IMAGO/Andreas Franke

Update

Gesamte Partei ist gesichert rechtsextremistisch: AfD will sich gegen Einstufung vom Verfassungsschutz „juristisch zur Wehr setzen“

Der Verfassungsschutz stuft die gesamte AfD als gesichert rechtsextremistisch ein. SPD, Grüne und Linke begrüßen die Entscheidung. Die AfD kündigt rechtliche Schritte an.

Stand:

Die AfD will rechtlich vorgehen gegen die Einstufung des Bundesverfassungsschutzes, wonach die Partei gesichert rechtsextremistisch sei. Die AfD werde sich „gegen diese demokratiegefährdenden Diffamierungen weiter juristisch zur Wehr setzen“, kündigten die beiden Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla am Freitag an.

Die Entscheidung des Verfassungsschutzes sei „ein schwerer Schlag gegen die bundesdeutsche Demokratie“, hieß es. Ihre Partei werde kurz vor dem Regierungswechsel öffentlich diskreditiert und kriminalisiert. „Der damit verbundene, zielgerichtete Eingriff in den demokratischen Willensbildungsprozess ist daher erkennbar politisch motiviert“, erklärten Weidel und Chrupalla.

„Das ist ein schwarzer Freitag für die Demokratie“, sagte Chrupalla der Deutschen Presse-Agentur. Zugleich appellierte er an die Mitglieder seiner Partei, sich nicht abschrecken zu lassen.

Auf die Frage der Deutschen Presse-Agentur, ob er jetzt mit einer Austrittswelle rechne, antwortete der Co-Vorsitzende: „Das hoffe ich nicht.“ Bei der AfD seien zuletzt viele neue Mitglieder eingetreten. Er fügte hinzu: „Ich ermuntere und fordere auch unsere Mitglieder und auch die zukünftigen Mitglieder auf, die das tun wollen, ruhig zu bleiben.“

Der Verfassungsschutz sieht bei der AfD eine „fortlaufende Agitation“ gegen Geflüchtete und Migranten sowie eine pauschale Abwertung von Muslimen. Außerdem bescheinigt sie der Partei einen „Volksverständnis“, das auf Abstammung und ethnischer Herkunft basiere. 

Auf die Frage der Deutschen Presse-Agentur, wie er und seine Partei das deutsche Volk definierten, antwortete Chrupalla: „Es gibt das deutsche Volk, klar in Form von Abstammung, so wie es auch im Grundgesetz geregelt ist und natürlich auch ganz klar mit der Staatsbürgerschaft.“ Dies habe die AfD in ihrem Grundsatz- und Parteiprogramm deutlich gemacht. Er sagte: „Das ist unser Grundsatzprogramm, das ist unser Parteiprogramm und das sehen, hoffe ich, alle in unserer Partei so.“

AfD-Chef verlangt „Beweise“

Chrupalla sagte weiter, der Verfassungsschutz habe bislang keine „Beweise und Belege“ für seine Bewertung vorgelegt. „Wenn man Fehler und auch eigene Fehler korrigieren möchte und sollte, das ist keine Frage, dann muss man natürlich auch wissen, was sind die konkreten Vorwürfe.“

Erst dann könne man sich dagegen wehren: juristisch und damit man auch „innerparteilich sagen kann, ja, das sind Dinge, da müssen wir was ändern, da müssen wir uns in irgendeiner Form auch anpassen“.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte am Freitag in Köln mitgeteilt, die AfD werde nun auch auf Bundesebene als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Die Behörde begründete dies mit „der die Menschenwürde missachtenden, extremistischen Prägung der Gesamtpartei“. Das in der Partei vorherrschende Volksverständnis konkretisiere sich in einer insgesamt migranten- und muslimfeindlichen Haltung der Partei.

CDU-Politiker uneins über Verbotsverfahren

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sprach sich für ein Verbotsverfahren gegen die AfD aus. „Die AfD lässt schon lange keinen Zweifel an ihrer verfassungsfeindlichen Gesinnung, weswegen sie bereits in drei Ländern als gesichert rechtsextremistisch gilt“, sagte der CDU-Politiker dem „Spiegel“.

Die neue Einstufung sei daher keine Überraschung, aber bringe Klarheit: „Der Bund muss jetzt zügig ein Verbotsverfahren einleiten, um unsere Demokratie zu schützen.“ Die Einstufung der AfD im Bund als gesichert rechtsextremistisch führe hoffentlich auch ihren Wählern vor Augen, wie gefährlich diese Partei ist“, so Günther.

Der frühere Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU) forderte ebenfalls ein zügiges Verbotsverfahren gegen die AfD. „Spätestens jetzt müssen alle drei Antragsberechtigten beim Bundesverfassungsgericht, also Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag, zeitnah ein Verbotsverfahren initiieren“, sagte Wanderwitz der „Rheinischen Post“.

Wanderwitz ergänzte, das Offensichtliche sei nun „höchstbehördlich testiert“ worden. „Eine wehrhafte Demokratie muss eine wirkmächtige rechtsextreme Partei vom Spielfeld nehmen, ohne Wenn und Aber“, betonte Wanderwitz, der nicht mehr im neuen Bundestag sitzt.

Parteikollege Philipp Amthor äußerte sich beim Kirchentag bildlich. „Der Adler ist der natürliche Fressfeind der Schlange und so muss man mit der AfD auch umgehen“, sagte er am Freitag beim evangelischen Kirchentag in Hannover. Zugleich zeigte er sich skeptisch, was ein Verbotsverfahren betrifft. Man dürfe sich nicht vormachen, dass man die Probleme durch Feinde der Demokratie nur durch Verbotsverfahren lösen könne, sagte er.

Klingbeil will Folgen von AfD-Neueinstufung prüfen

Die SPD dringt unterdessen auf schnelle Entscheidungen über mögliche Konsequenzen aus der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch – allerdings erst nach einer gründlichen Prüfung. „Wir haben als diejenigen, die die politischen Entscheidungen treffen, jetzt auch die Verantwortung, unsere Demokratie vor den Feinden der Demokratie zu schützen“, sagte Klingbeil der „Bild“-Zeitung mit Blick auf die bevorstehende schwarz-rote Koalition. „Und da müssen wir sehr schnell in der neuen Regierung, in der Koalition, Entscheidungen treffen, was daraus folgt.“

Ein Verbotsverfahren könne eine Möglichkeit sei. „Aber mir geht es nicht darum, eine schnelle Schlagzeile nach diesem Gutachten zu produzieren“, sagte der SPD-Chef unter Verweis auf das umfangreiche Gutachten, das der Neueinstufung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz zugrunde liegt.

Allerdings könne es sein, „dass irgendwann der klare Auftrag auch von den unabhängigen Behörden da ist, zu sagen, jetzt müsst ihr handeln, liebe Politik“, so der SPD-Chef mit Blick auf die Sicherheitsbehörden. „Das müssen wir auswerten, ob dieses Gutachten dafür einen Hinweis hat.“

Scholz: AfD-Verbotsverfahren „nicht übers Knie brechen“

Bundeskanzler Olaf Scholz warnt vor einem voreiligen Verbotsverfahren. „Ich finde, das ist eine Sache, die man nicht übers Knie brechen darf“, sagte der SPD-Politiker beim Kirchentag in Hannover. Das Bundesverfassungsgericht habe alle Verbotsanträge der letzten Zeit abgelehnt. „Ich bin gegen einen Schnellschuss und werde deshalb auch nicht sagen, so sollten wir es machen.“

Ich finde, das ist eine Sache, die man nicht übers Knie brechen darf.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) über ein mögliches Verbotsverfahren gegen die AfD

Die Einstufung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz sei sehr sorgfältig vorbereitet. „Die vielen Seiten müssen jetzt auch mal von vielen gelesen werden“, sagte Scholz.

Auf die Frage, ob das Erstarken der AfD ein Schatten auf seiner Kanzlerschaft sei, sagte Scholz: „Das bedrückt mich als Bürger, als Kanzler, als Abgeordneter im Deutschen Bundestag.“

Die Linksfraktion im Bundestag will laut ihrer Chefin Heidi Reichinnek nun „alles dafür tun“, dass ein Verbotsverfahren gegen die AfD auf den Weg gebracht wird. „Alle, die für eine Normalisierung der AfD geworben haben und es weiterhin tun, stärken damit Rechtsextreme und gefährden die Demokratie“, sagte Reichinnek nach der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch.

Reichinnek mahnte: „Allen muss klar sein: Eine Demokratie überlebt eine Machtbeteiligung von Rechtsextremen wie der AfD nicht.“ Gemeinsam müsse jedes Mittel zum Schutz der wehrhaften Demokratie genutzt werden. Niemand könne akzeptieren, „dass eine gesichert rechtsextremistische Partei unsere Demokratie von innen bekämpft und zerstört“.

Debatte über Verbotsverfahren im Bundestag

Der Bundestag hatte sich in einem hitzigen Schlagabtausch im Januar erstmals mit zwei Gruppenanträgen befasst, die darauf abzielen, die Verfassungswidrigkeit der AfD durch das Bundesverfassungsgericht feststellen zu lassen.

Die Initiatorinnen und Initiatoren des einen Antrags wollen ein Verbotsverfahren in Karlsruhe in Gang setzen. Der andere Gruppenantrag sieht vor, vor einem möglichen Verbotsantrag erst dessen Erfolgschancen durch ein Gutachten prüfen zu lassen. Nun hat das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD neu eingestuft, auf Basis eines 1.100-Seiten-Gutachtens.

Der Parteichef der Linken, Jan van Aken, sagte: „Ich war früher immer gegen ein Verbotsverfahren.“ Denn mit einem Verbot bekomme man nicht die Ideologie aus den Köpfen. „Aber wenn wir uns nun anschauen, wie offen die AfD die Demokratie abschaffen möchte, sollten wir ihr nicht unsere schärfste Waffe – die Demokratie – an die Hand geben.“ Der Rechtsruck in der Gesellschaft müsse aber auch politisch bekämpft werden.

Grüne sprechen von „konsequenter“ Entscheidung

Die Grünen-Politiker Konstantin von Notz und Irene Mihalic halten die Entscheidung für konsequent. „Die Partei steht nicht nur in weiten Teilen, sondern in Gänze mit unserer Verfassung und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung auf Kriegsfuß. Über Jahre konnte man ihrer weiter voranschreitenden Radikalisierung zusehen. Sie geht unaufhörlich weiter“, teilten sie in einer gemeinsamen Erklärung mit.

Die AfD sei für die Demokratie und den Rechtsstaat eine insgesamt brandgefährliche Partei. „Aus der deutschen Geschichte wissen wir, wie schrecklich sich die Verhältnisse entwickeln können, wenn Rechtsextreme, Nationalisten und Demokratiefeinde die parlamentarische Demokratie angreifen und in politische Verantwortung kommen“, so die Grünen-Politiker. Die neue Einstufung der Partei sei auch ein wichtiger Baustein für die Erfolgsaussichten eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens.

Die FDP-Europapolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann begrüßte die neue Einstufung der AFD ebenfalls. Die Entscheidung des Verfassungsschutzes sei überfällig gewesen, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Die AfD ist nicht einfach eine Protestpartei, sondern eine rechtsextremistische Bewegung, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zerstören will“, so Strack-Zimmermann.

Es sei gemeinsame Verantwortung, dieser Gefahr entschieden entgegenzutreten – politisch, gesellschaftlich und rechtlich. Nötig seien eigene politische Antworten und nicht ein Hinterherlaufen hinter den Themen der AfD.

Zentralrat der Muslime sieht Wendepunkt

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) begrüßte die Entscheidung. „Diese Neubewertung markiert einen Wendepunkt im Umgang des demokratischen Rechtsstaats mit einer Partei, die über Jahre hinweg systematisch rassistische, demokratiefeindliche und verfassungswidrige Positionen vertreten hat“, erklärte der Verband am Freitag in Köln.

Der Bundesvorsitzende Abdassamad El Yazidi erklärte, diese Einstufung bestätige die bittere Realität, mit der Musliminnen und Muslime sowie andere Minderheiten seit Jahren lebten. „Die AfD hat das gesellschaftliche Klima vergiftet und die Grenzen des Sagbaren immer weiter verschoben.“ Eine Demokratie, die sich nicht verteidige, verliere ihre Glaubwürdigkeit. Jetzt brauche es Haltung, Mut und Klarheit – in Regierung, Opposition und Zivilgesellschaft.

Der Bundesvorsitzende fügte hinzu, die neue Einstufung dürfe keine symbolische Geste bleiben. „Sie verlangt klare politische und gesellschaftliche Konsequenzen.“ Die Parteien der demokratischen Mitte müssten nun auch verstehen, dass sie die Tonalität und die Politik der AfD nicht kopieren dürften.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, fordert „mehr Klarheit im Umgang mit der AfD“. Die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch durch das Bundesamt für Verfassungsschutz sei keine Überraschung. „Dieser Schritt ist aber umso wichtiger für alle, die bisher noch naiv auf diese Partei blicken“, sagte Schuster.

Sie müssten nun umdenken. „Niemals dürfen Vertreter der AfD – sei es über wichtige Positionen in Ausschüssen oder Ähnlichem – in staatstragende Funktionen gelangen oder sogar Zugang zu sicherheitsrelevanten Informationen bekommen“, so der Zentralratspräsident laut einer Mitteilung. „Wer hätte sich vorstellen können, dass im Jahr 2025 eine gesichert rechtsextreme Partei fast ein Viertel der Abgeordneten im Deutschen Bundestag stellt?“

Wagenknecht spricht von „Ohrfeigen für AfD-Wähler“

BSW-Bundesvorsitzende Sahra Wagenknecht nannte die Neubewertung der AfD hingegen „in der Sache fraglich und politisch kontraproduktiv“. Es brauche keine neue Verbotsdebatte, sondern „endlich eine vernünftige Politik, die die Bürger überzeugt und ihre Lebensverhältnisse verbessert, statt sie durch Unfähigkeit, Bevormundung und Wahlbetrug immer wütender zu machen“, sagte Wagenknecht der „Welt“.

„Die Einstufungen des Verfassungsschutzes, Brandmauer-Debatten und die Ausgrenzung im Bundestag sind Ohrfeigen für die AfD-Wähler, die ganz sicher keinen von ihnen überzeugen wird, sich anders zu entscheiden“, so die BSW-Chefin.

Scharfe Kritik übte auch der stellvertretende AfD-Vorsitzende Stephan Brandner. „Diese Entscheidung des weisungsgebundenen Verfassungsschutzes ist inhaltlich völliger Blödsinn, hat mit Recht und Gesetz überhaupt nichts zu tun und ist eine rein politische im Kampf der Kartellparteien gegen die AfD“, sagte der Bundestagsabgeordnete. 

Als „unfaire Kampfmaßnahme gegen die einzige Oppositionskraft“ sei sie allerdings erwartbar gewesen. Als „unsouverän“ bezeichnete Brandner gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, dass die Neubewertung noch unter der geschäftsführenden Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vorgenommen wurde. Sie wird ihr Amt in der kommenden Woche an ihren designierten Nachfolger Alexander Dobrindt (CSU) übergeben. (AFP, Tsp, Reuters, dpa)

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