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Größte Gesundheitsreform seit Jahrzehnten: Wie sich Deutschlands Krankenhäuser verändern werden
Mit hauchdünner Mehrheit passiert die Krankenhausreform den Bundesrat. Die Klinik-Versorgung steht jetzt vor einem Strukturwandel.
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Nach einem Krimi hat der Bundesrat die Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) passieren lassen. Damit kann ein umfassender Umbau der Kliniklandschaft in Deutschland kommen.
Lauterbach will mit seiner Reform zwei Probleme bekämpfen: die hohen Defizite vieler Krankenhäuser und die teils schlechte medizinische Qualität. Komplizierte Behandlungen etwa von Krebs sollen deshalb nur noch in spezialisierten Zentren stattfinden. Sie erhalten dafür von den Krankenkassen mehr Geld, damit sie die nötigen Ressourcen bereithalten. Voraussetzung ist allerdings die Erfüllung bestimmter Qualitätsstandards.
Union wollte Vermittlungsausschuss
Die Reform dürfte zur Schließung einiger hundert kleinerer Häuser führen – vornehmlich in überversorgten Ballungsgebieten wie Nordrhein-Westfalen. Aber auch auf dem Land werden Häuser verschwinden oder zu medizinischen Versorgungszentren mutieren.
Die von der Union regierten Länder wollten das nicht mittragen. Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) warnte, die Vorgaben zu Fachärzten in ländlichen Regionen seien derzeit einfach nicht erreichbar. Nötig sei „mehr Beinfreiheit“ für die Länder bei der Umsetzung. Entsprechende Änderungen wollten die unionsgeführten Länder in einem Vermittlungsausschuss erreichen.
Unmittelbar vor der Abstimmung warnte Lauterbach vor diesem Schritt: Zu Abstrichen bei den Qualitätsstandards sei er nicht bereit. Bei einer Verwässerung habe der Bund an der Reform kein Interesse mehr, sagte er.
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Brandenburgs Koalition zerlegt sich
Dennoch stimmten auch Länder mit SPD-Regierungsbeteiligung für den Vermittlungsausschuss. Dabei wäre dieser vor der Bundestagswahl im Februar wohl kaum zu einem Ergebnis gekommen. Lauterbachs zweijährige Arbeit an der Krankenhausreform wäre umsonst gewesen.
Neben der Deutschland-Koalition in Sachsen-Anhalt und der scheidenden Kenia-Koalition in Sachsen votierte auch das SPD-geführte Brandenburg für ein Vermittlungsverfahren zwischen Bundesrat und Bundestag.
Vorausgegangen war ein Machtkampf in Potsdam. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) mochte Lauterbachs Reform keinesfalls passieren lassen. Denn Woidkes künftiger Regierungspartner BSW macht schon seit Monaten gegen mögliche Krankenhausschließungen mobil. Deshalb wollte Woidke dem BSW nun offenbar keine Angriffsfläche bieten.
Woidkes Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) ist hingegen für die Reform und forderte eine Enthaltung. Sie hatte zuvor mit Lauterbach Ausnahmeregelungen ausgehandelt, die den Erhalt kleinerer Landkliniken sicherstellen sollen. Um Nonnemachers Widerstand zu brechen, entließ Woidke sie unmittelbar vor der Bundesratssitzung.
Auch die abgewählte rot-rot-grüne Koalition in Thüringen konnte sich nicht auf ein gemeinsames Abstimmungsverhalten einigen. Zunächst erklärte der Chef der Staatskanzlei Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) sein „Ja“ für den Vermittlungsausschuss, dann rief Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) ein „Nein“ herein. Die saarländische Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger (SPD) wertete die Stimmen daraufhin als ungültig.
Das und eine überraschende Enthaltung der schwarz-grünen Koalition in Schleswig-Holstein sorgte schließlich dafür, dass die Krankenhausreform den Bundesrat passierte. „Der Bundesrat hat heute im Interesse der Patientinnen und Patienten entschieden“, sagte Lauterbach erleichtert. Mit der Krankenhausreform werde ihre Behandlung in Kliniken besser.
Der Beschluss sei ein großer Erfolge für die Gesundheitsversorgung in Deutschland, sagte Janosch Dahmen, Gesundheitsexperte der Grünen im Bundestag, dem Tagesspiegel. „Besonders in ländlichen Regionen schafft die Reform die dringend benötigte Grundlage, um Kliniken zu retten und Qualität zu sichern.“

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Damit erhalten die rund 1900 Krankenhäuser in Deutschland nun zunächst Soforthilfen. Vorgesehen ist eine Erhöhung der Fallpauschalen für jeden Patienten und ein Ausgleich für gestiegene Personalkosten.
Schon bald werden viele Häuser ihr Angebot allerdings auf eine Basisversorgung reduzieren müssen, wenn es ihnen nicht gelingt, Spezialisierungen aufzubauen. Für den nötigen Umbau sollen die Kliniken ab 2026 über einen Transformationsfonds zehn Jahre lang insgesamt 50 Milliarden Euro erhalten. Zur Hälfte müssen diesen Fonds die Länder und zur Hälfte die Beitragszahler der gesetzlichen Krankenkassen bezahlen. Trotzdem dürften nicht alle Häuser Lauterbachs Reform überleben. Welche Kliniken genau schließen müssen, ist offen.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft forderte die nächste Bundesregierung auf, die Krankenhausreform umgehend zu korrigieren. Die Versorgung werde sich mit dem Gesetz nicht verbessern, sondern vielfach verschlechtern und in einigen Regionen ganz wegbrechen. Die Krankenkassen AOK und Techniker und der Verband der Universitätsklinika begrüßten hingegen die Entscheidung des Bundesrates.
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