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„Habe mein Leben riskiert, um mich gegen Extremismus zu stellen“: Anti-Hamas-Aktivist droht Abschiebung aus Deutschland
Der palästinensische Aktivist Hamza Howidy soll nach Griechenland abgeschoben werden. Er setzte sich jahrelang gegen die Hamas ein. Nun kämpft er um sein Bleiberecht in Deutschland.
Stand:
Seit Jahren setzt sich der palästinensische Menschenrechtsaktivist und Journalist Hamza Howidy für den Frieden in Nahost und gegen die Hamas ein – und setzt dabei seine eigene Sicherheit aufs Spiel. Jetzt soll er aus Deutschland nach Griechenland abgeschoben werden. Das teilte der 28-Jährige in einem Beitrag auf Instagram mit, in dem es heißt: „Ich habe mein Leben riskiert, um mich gegen Extremismus zu stellen. Jetzt will Deutschland mich abschieben.“
In einem Interview im vergangenen Jahr erzählte Howidy dem Tagesspiegel von seinem Leben im Gazastreifen und später in Deutschland, wo er 2023 einen Asylantrag gestellt hatte. Hier setzt er sich seitdem im Exil für den Frieden und die Autonomie der palästinensischen Bevölkerung ein. Gegen die Herrschaft der radikal-islamistischen Hamas, gegen die Kriegsführung der in Teilen rechtsextremen israelischen Regierung und die völkerrechtswidrigen Siedlungen im Westjordanland.
Auch für eine Freilassung der israelischen Geiseln plädiert der Friedensaktivist seit dem 7. Oktober immer wieder.
Sein Einsatz gegen die Herrschaft der Hamas reicht viel weiter zurück: 2019 schloss er sich mit Hunderten anderen, meist jungen Menschen der Protestbewegung Bidna Na’eesh (Wir wollen leben) in Palästina an.
Er demonstrierte für bessere Lebensbedingungen, da Arbeitsstellen vorrangig an Anhänger der Hamas vergeben wurden. Dann sei er inhaftiert worden. Er kam zunächst frei, weil seine Verwandten 3000 Euro Schmiergeld zahlten. In der Folge hielt er sich zunächst zurück.
Mit den erneut aufflammenden Protesten im Juni 2023 ging Howidy aber wieder auf die Straße – dieses Mal mit fataleren Konsequenzen. In einer Einzelzelle ohne Matratze und die Möglichkeit, sich auszustrecken, habe er schlafen müssen, erzählte er dem Tagesspiegel vergangenes Jahr. Ohne Toilette und Bett. Über Stunden sei er verprügelt worden, mit Kabeln und Schläuchen. Ihm sei vorgeworfen worden, mit der israelischen Regierung zusammenzuarbeiten.
Flucht nach Deutschland
Seine zweite Freilassung kostete seine Familie noch mehr Geld, aber es gelang. Weil er die Hoffnung verlor, in Gaza noch etwas verändern zu können und auch nicht mehr sicher gewesen sei, habe er fliehen müssen.
Über den Grenzübergang in Rafah sei er zunächst nach Ägypten geflohen und von dort aus weiter in die Türkei. Dort sei er an Schlepper geraten, mit denen er in einem Boot Griechenland erreichte. Einige Monate später sei er weiter nach Deutschland gefahren.
Ich bin nach Deutschland gekommen, weil ich glaubte, dass es ein Land ist, das seine Werte ernst nimmt. Ein Ort, an dem diejenigen geehrt werden, die sich gegen Extremismus einsetzen.
Hamza Howidy, Friedensaktivist
Nach dem 7. Oktober habe er es als seine „moralische Pflicht“ verstanden, als Oppositioneller in Europa seine Stimme zu erheben, sagte er der „Zeit“ vergangenes Jahr. Die Welt sollte nicht glauben, alle Menschen in Gaza würden die Gräueltaten der Hamas und des islamistischen Dschihad gutheißen. Seitdem gibt er verschiedenen internationalen Medien Interviews, hält Vorträge und berichtet auf seinem privaten Instagramkanal mit mehr als 50.000 Followern.
Nun droht ihm die Abschiebung nach Griechenland gemäß der Dublin-Regeln, da es das erste europäische Land war, das er betreten hat. „Ich bin nach Deutschland gekommen, weil ich glaubte, dass es ein Land ist, das seine Werte ernst nimmt. Ein Ort, an dem diejenigen geehrt werden, die sich gegen Extremismus einsetzen“, schrieb er in seinem Beitrag. „Eine Gesellschaft, die versteht, was passiert, wenn Schweigen auf Autoritarismus trifft.“
Er komme aus einer Gesellschaft, in der antisemitische Ideologien normalisiert würden. Er habe diese Indoktrination abgelehnt und sich in den vergangenen Jahren dafür eingesetzt, sie zu bekämpfen, trotz Risiken. „Deshalb ist die Abschiebungsanordnung, die ich erhalten habe, so zutiefst entmutigend. Sie lässt vermuten, dass der deutsche Staat nur eine Aktennummer sieht, kein Leben; eine bürokratische Kategorie, keine Aufzeichnung von Opfern und bürgerlichem Engagement.“
Sie ignoriere außerdem die reale Gefahr, die ihm als Dissident in Griechenland drohe, wo Pro-Hamas-Netzwerke aktiv seien. In einem Video auf Instagram rief er dazu auf, eine Petition zu unterschreiben, die seine Abschiebung verhindern soll.
Darin heißt es, Deutschland habe sich in internationalen Abkommen und durch seine Grundwerte verpflichtet, Menschen, die politisch verfolgt werden oder denen Gefahr für Leib und Leben drohe, Schutz zu gewähren. „Im Fall von Hamza Howidy ist es daher zwingend erforderlich, ihm ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland zu gewähren, um sein Leben zu schützen und ihm eine Perspektive in Sicherheit und Würde zu ermöglichen“, heißt es darin weiter.
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