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In vier Phasen zur „offenen Feldschlacht“: So präzise plante die FDP das Ampel-Aus
„D-Day“, „offene Feldschlacht“, Ausstieg per Selfie: In der FDP-Zentrale wurde das Ende der Ampel detailliert vorbereitet. Aussagen der FDP-Führung erscheinen nach dem nun veröffentlichten Papier zweifelhaft.
Stand:
Carsten Reymann, der Bundesgeschäftsführer der FDP, hat offensichtlich ein Faible für militärische Metaphern. Er soll laut der Partei ein Strategiepapier verfasst haben, in dem die Parteizentrale der Liberalen den Ausstieg aus der Ampelkoalition plante. Auf acht Seiten ist dabei nicht nur mehrmals vom D-Day die Rede. Das Szenario lässt der mutmaßliche Autor Reymann auch im „Beginn der offenen Feldschlacht“ enden.
Das Papier veröffentlichte die FDP am Donnerstagabend auf ihrer Homepage. Zuvor hatten mehrere Medien die FDP mit ihren Recherchen konfrontiert. Dieser Berichterstattung wollte die Partei offenbar zuvorkommen.
D-Day steht in Deutschland für den 6. Juni 1944, jenen Tag, an dem die Alliierten in der Normandie landeten, um Europa endgültig von Nazi-Deutschland zurückzuerobern. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hatte noch vor wenigen Tagen bestritten, dass dieser Begriff in der FDP verwendet worden sei, um den Ausstieg aus der Ampel zu planen. „Das stimmt nicht. Dieser Begriff ist nicht benutzt worden“, sagte er dem TV-Sender NTV.
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Er dementierte damit in diesem Punkt frühere Berichte von „SZ“ und „Zeit“ über geheime FDP-Pläne für ein Ampel-Aus. Auch ein gezieltes „Drehbuch“ für einen Ausstieg aus der Koalition gab es laut den Liberalen nicht. „Ich halte das für eine glatte Lüge“, sagte Parteivize Wolfgang Kubicki damals „Pioneer“. Derartige Berichte seien „Märchen“, die von der „Zeit“ und „SZ“ verbreitet worden seien.
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Parteispitze angeblich nicht involviert
Nun ändert die FDP ihre Verteidigungsstrategie. In dem Text, mit dem die Partei die Veröffentlichung begründet, wird das Strategiepapier des Bundesgeschäftsführers als unbedeutend dargestellt.
„Dieses technische Papier ist kein Gegenstand der politischen Beratung von gewählten Mandatsträgern und Regierungsmitgliedern gewesen, sondern eine rein interne Vorbereitung für das Szenario eines Ausscheidens der FDP aus der Ampel-Koalition“, heißt es auf der Seite der Partei.
Mit anderen Worten: Das Papier sollen Parteichef Christian Lindner, die liberalen Minister und die Parteispitze nicht gekannt haben, als sie in den Wochen vor dem Bruch der Koalition am 6. November in mehreren Treffen in Potsdam und Berlin über ein Ampel-Aus diskutierten.
Das verwundert insofern, als in dem Papier auf einer ganzen Seite ein Statement von „CL“ wiedergegeben wird, in dem er das Ampel-Aus begründen soll. CL ist in der FDP die gängige Abkürzung von Christian Lindner.
Auch sonst enthält das Papier eine detaillierte Planung, wie die FDP einen Ausstieg aus der Regierung der Öffentlichkeit möglichst gewinnbringend präsentieren kann. In dem Papier geht es entsprechend ums „Timing“ – wobei die US-Wahl als Hindernis gesehen wird – sowie um den bestmöglichen Ablauf und passenden Kanal. Als zu erledigende Aufgaben definiert der Autor unter anderem „Feintuning Narrative“ und den Aufbau von „Ressourcen in Community Management“.
FDP-Chef Lindner versucht zu beschwichtigen
Drei Szenarien für das Ampel-Aus werden in dem Papier diskutiert; hierbei geht es darum, wann die Gremien der Partei informiert werden: vor oder nach dem Aus. Als möglichen Kanal für die Verkündung der Botschaft werden ein Pressestatement, ein TV-Interview, ein Gastbeitrag in der „FAZ“ oder ein Sozial-Media-Video oder Selfie genannt.
Die Kommunikationsstrategie der FDP-Parteizentrale sah vier Phasen vor: Nach dem „Impuls“ sollte in den kommenden vier Stunden das „Narrativ“ für den Ausstieg der FDP gesetzt werden. In den folgenden 26 Stunden wollte die FDP ihr Narrativ, wonach nun eine Richtungsentscheidung über Neuwahlen nötig sei, möglichst auf allen Kanälen verbreiten. Danach stellte sich die FDP auf eine „offene Feldschlacht“ ein.
FDP-Parteichef Lindner verteidigt seine Partei gegen Kritik an dem Papier. „Hier ist ein Papier im Entwurfsstadium, das Mitarbeiter verfasst haben, in die Öffentlichkeit gebracht worden“, sagte er der „Rheinischen Post“. Er betonte, „dass es professionell ist, wenn Mitarbeiterstäbe Eventualitäten durchspielen“.
Es könne niemanden verwundern, dass sich die FDP „angesichts des Streits und der Ablehnung dieser Regierung“ monatelang mit allen Szenarien beschäftigt habe. Lindner stellte sich zudem hinter Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, der erklärte hatte, das Papier nicht gekannt zu haben.
FDP-Generalsekretär hält Skandalisierung für „absurd“
FDP-Generalsekretär Djir-Sarai erklärte diese intensive Planung des Ampel-Aus am Donnerstagabend für normal. Ein Ende der Ampel sei immer eine Möglichkeit des von der FDP angekündigten Herbstes der Entscheidungen gewesen, sagte er. Die Skandalisierung der Vorbereitung in der Parteizentrale sei „absurd“.
Wer Politik nur noch als Schlachtfeld begreift und als einziges verbleibendes Ziel Destruktion zum eigenen Nutzen hat, sollte keine politische Verantwortung tragen.
Ex-Grünen-Chefin Ricarda Lang kritisiert das Vorgehen der FDP.
Das sehen die früheren Koalitionspartner anders. „Die FDP organisiert eine ‚Feldschlacht‘ gegen eine Regierung, der man selbst angehört“, schrieb SPD-Chef Lars Klingbeil auf X. „Es ist gut, dass langsam alles herauskommt und die Bürger sich ein Bild machen können.“
Robert Habeck, Kanzlerkandidat der Grünen, warf der FDP-Spitze indirekt vor, parteitaktische Pläne auf Kosten des Landes entworfen zu haben. „Mein Amtseid lautete, meine Kraft dem Wohle des Volkes zu widmen – und nicht dem Wohle einer Partei“, sagte der Vizekanzler am Rande einer politischen Veranstaltung in Berlin.
Der Vorsitzende der Grünen Jugend, Jakob Blasel, sagte dem Tagesspiegel: „Die FDP bremst seit Jahren massiv Investitionen in Schulen, Klimaschutz und Brücken. Dass sie auch intern so viel Zerstörungswut mitbringt, wundert mich nicht.“
Die frühere Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang meldete sich ebenfalls auf der Plattform X zu Wort. Sie kritisierte die FDP scharf: „Wer Politik nur noch als Schlachtfeld begreift und als einziges verbleibendes Ziel Destruktion zum eigenen Nutzen hat, sollte keine politische Verantwortung tragen.“
Zumindest eine kritische Stimme kommt auch aus der FDP selbst. Die Europa-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann stört sich am Militärjargon des Strategiepapiers. „Die Wortwahl ist der Sache nicht dienlich, eine Verschriftlichung mit dieser Tonalität nicht nachvollziehbar“, sagte Strack-Zimmermann. Jetzt seien ausschließlich Selbstkritik und Aufarbeitung gefragt.
Strack-Zimmermann verteidigte jedoch die Gespräche der liberalen Parteispitze vor dem Bruch der Ampel. „Ich war bei diesen Treffen nicht dabei. Dass man sich in einer Situation, wie wir sie in der Regierung hatten, mit Ausstiegsszenarien allerdings auseinandersetzt, war folgerichtig, nicht nur für die FDP“, sagte sie.
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