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Philipp Türmer beim Juso-Bundeskongress 2024

© dpa/Sebastian Willnow

Juso-Vorsitzender zur K-Frage: „Was war das für eine Shit-Show in den letzten Wochen?“

Auf dem Bundeskongress der Jusos macht Philipp Türmer keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen Olaf Scholz. Und er stellt eine Bedingung, wenn die Jusos die SPD im Wahlkampf unterstützen sollen.

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Der Termin für den dreitägigen Bundeskongress der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD (Jusos) in Halle stand lange fest. Doch dann überschlugen sich die Ereignisse: Regierungskrise, Ampel-Bruch, vorgezogene Bundestagswahlen.

Als die 300 Delegierten am Donnerstagnachmittag ihre Plätze in der holzvertäfelten Händel-Halle in Halle an der Saale einnehmen, ist es noch keine 24 Stunden her, dass Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in einem Video erklärte, er stünde nicht als SPD-Kanzlerkandidat zur Verfügung.

Damit ist die K-Frage in der Mutterpartei entschieden: Olaf Scholz macht es nochmal. Weder Scholz noch Pistorius sind bei Jungsozialistinnen und -sozialisten besonders beliebt. Das macht Juso-Vorsitzender Philipp Türmer gleich zu Beginn seiner Eröffnungsrede deutlich.

Der diesjährige Juso-Bundeskongress steht unter dem Motto „120 Jahre Jusos: Überzeugung ist kein Trend“.

© dpa/Sebastian Willnow

„Niemand von euch ist wegen Boris oder Olaf in diese Partei eingetreten“, ruft er den Delegierten im Raum und den rund 80 Zuseherinnen im Youtube-Livestream entgegen. Es ist Trotz, der aus ihm spricht.

Seine Stimme ist heiser; er atmet schwer. „Ihr seid in diese Partei eingetreten, weil ihr an die Grundwerte, an die Überzeugungen dieser 120-jährigen Bewegung glaubt, und weil es sich für sie lohnt, jeden einzelnen Tag zu kämpfen.“ Wenn man sich für den Kopf der Partei nicht begeistern kann, muss man sich eben auf Inhalte besinnen.

„Was war das eigentlich für eine Shit Show in den letzten Wochen?“, fragt Türmer bezogen auf die K-Frage. Das Ergebnis der Beratungen am Vortag „hätte man auch schon vor zwei Wochen haben können“, so der Juso-Vorsitzende.

Dann greift er die beiden Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil an: „Leider hatte ich zu keinem Zeitpunkt in den letzten Wochen den Eindruck, dass ihr die Herrschaft über diesen Prozess oder die Diskursherrschaft über die Partei oder gar einen klaren Plan hattet.“

Fanden wir die Deutschlandfahnen und die Olaf-Bildchen beim Europawahlkampf geil? Nein.

Philipp Türmer beim Juso-Bundeskongress in Halle

Schon in einem am Donnerstag veröffentlichen Podcast des Nachrichtenmagazins „Politico“ hatte der Juso-Vorsitzende keinen Hehl aus seiner Abneigung gegenüber Scholz gemacht. Er sprach über „Motivationsprobleme“, Wahlkampf für den Kanzler zu machen. Diesen Punkt wiederholt Türmer in Halle: In den vergangenen Tagen habe er manchmal ganz schön nach seiner Motivation suchen müssen.

Aber, betont er, die sozialdemokratische Bewegung sei „viel größer als eine einzelne Person“. Schließlich gehe es darum, einen Kanzler namens Friedrich Merz (CDU) zu verhindern. Im Zweifel ist Scholz für die Jusos also das kleinere Übel, und ein gemeinsamer Feind schafft die Basis für eine Zusammenarbeit.

„Ich bin bereit, die verbliebenen 92 Tage bis zur Bundestagswahl alles zu geben und jede Chance zu nutzen, um zu verhindern, dass dieser neoliberale Typ Kanzler wird“, ruft Türmer seinem Publikum zu. Das applaudiert und feuert ihn an.

Die Jusos sind das Rückgrat jedes SPD-Wahlkampfs, das ist Türmer klar. Und es ist vielleicht das einzige Druckmittel, auf das die Jusos in der jetzigen Situation bauen können, um ihre Interessen durchzusetzen: „Ich bin bereit, in der Kälte die Flyer zu verteilen vor der S-Bahn-Station und bei Minustemperaturen die Kabelbinder um die Flexiplexplakate zu machen.“ Im Gegenzug verlange er aber „einen ganz klaren Verteilungsgerechtigkeitswahlkampf“ von der SPD.

Türmer erinnert an den Europawahlkampf im Frühsommer. Häufig seien es die Jusos gewesen, die damals für die SPD die Stände aufgebaut und Plakate aufgehängt hätten. „Fanden wir die Deutschlandfahnen und die Olaf-Bildchen beim Europawahlkampf geil? Nein. Aber wir haben gekämpft, weil’s um eine größere Sache ging.“ Damit ist der Ton für den beginnenden Bundestagswahlkampf 2025 gesetzt. Türmer strotzt vor Selbstbewusstsein, sein Publikum johlt. Er verlässt die Bühne unter Standing Ovations.

Auch der stellvertretende SPD-Vorsitzende Hubertus Heil hat die Querelen um die Kanzlerkandidatur seiner Partei mit deutlichen Worten kritisiert. „Das war nicht gut in den letzten Tagen, damit muss jetzt Schluss sein“, sagte der Arbeitsminister auf dem Bundeskongress der Jungsozialisten in Halle an der Saale in Sachsen-Anhalt. „Unsere sozialdemokratische Partei, das ist kein Selbstzweck und das ist keine Selbsthilfegruppe.“

Wenn man Verantwortung trägt, dann müsse Klarheit da sein, und zwar nicht nur in der Partei, sondern auch für die Menschen im Land, betonte Heil. „Wir sind nicht für uns selbst da, sondern wir müssen das Richtige für die Menschen in unserem Land tun.“ Die Partei müsse sich mit den Themen beschäftigen, „mit denen wir Klarheit für dieses Land schaffen müssen“.

Die zähe Debatte über die Kanzlerkandidatur nach Ansicht der Parteivorsitzenden Saskia Esken dagegen nicht geschadet. „Wir gehen aus dieser Debatte nicht beschädigt, sondern auch gestärkt hervor, weil wir eben große Einigkeit jetzt erzielt haben“, sagte sie am Rande des Juso-Bundeskongresses in Halle (Saale) in Sachsen-Anhalt vor Journalisten. „So eine geschlossene Partei, die sich jetzt auch hinter dem Spitzenpersonal versammelt und gemeinsam losläuft, ist die Stärke der SPD. So werden wir die Wahl gewinnen.“

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