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Keine Waffen für Israel: Nächste Kanzler-Kehrtwende spaltet die Union
Friedrich Merz hat mit seiner Waffenstopp-Entscheidung gegen Israel in der Union ein Beben ausgelöst. Die CSU fühlt sich übergangen. Bekommt der Kanzler die Schwesterpartei wieder eingefangen?
Stand:
Für Friedrich Merz ist es eine ungewohnte Situation. Stand der Bundeskanzler mit seinem bisherigen Israelkurs in Deutschland und auf europäischer Bühne eher isoliert da, erhält er nun von vielen Seiten Zuspruch.
Die SPD lobt ihn für seine jüngste Entscheidung, die Ausfuhr von weiteren Rüstungsgütern nach Israel nicht mehr genehmigen zu wollen, schließlich fordern die Sozialdemokraten diesen und weitere Schritte schon seit Wochen. Auch eine klare Mehrheit der Deutschen sieht das laut Umfragen so.
In Frankreich und Großbritannien hat man sich noch nicht öffentlich zu Merz’ Kurswechsel geäußert. Doch Emmanuel Macron und Keir Starmer erhöhen den Druck auf die israelische Regierung ihrerseits schon seit Wochen.
Und doch hat Merz‘ Entscheidung Wellen geschlagen. In seiner eigenen Partei, aber vor allem der bayerischen Schwesterpartei rumort es – erneut. Wie will der Kanzler seine eigenen Leute hinter sich bringen?
Wie kam es dazu?
In der Nacht zu Freitag hat Israels Premier Benjamin Netanjahu bekannt gegeben, seine Offensive in Gaza ausweiten und Gaza-Stadt einnehmen zu wollen. Medienberichten zufolge kontrolliert Israel schon jetzt rund drei Viertel des Küstenstreifens.
Nachdem Friedrich Merz und Außenminister Johann Wadephul (CDU) noch im Oktober dem damaligen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Zögerlichkeit und Doppelzüngigkeit bei dessen Israelpolitik vorgeworfen hatten, hat Merz zuletzt auch öffentlich immer wieder über mögliche Konsequenzen und Sanktionen gegenüber der israelischen Regierung nachgedacht. Am Freitagmittag kündigte der Kanzler dann schriftlich an, dass die Bundesregierung keine neuen Waffenlieferungen mehr nach Israel genehmigen würde. Der Grund: Das „noch härtere Vorgehen“ der Armee lasse immer weniger erkennen, wie Israels Kriegsziele erreicht werden könnten.
Was bedeutet die Entscheidung?
Es ist das erste Mal, dass Deutschland Israel militärische Sanktionen auferlegt. Allerdings hat die Entscheidung vor allem Symbolcharakter. Deutschlands militärische Unterstützung spielt für Israel keine wesentliche Rolle. Seit dem Terrorangriff der Hamas im Oktober 2023 hat man vor allem Munition und Bauteile im Wert von rund 485 Millionen Euro nach Israel exportiert – die USA liefern pro Jahr Rüstungsgüter im Wert von über drei Milliarden Euro. Zudem ist unklar, ob überhaupt aktuelle Anfragen aus Israel für Rüstungsexporte Israel vorliegen; darüber wird im geheim tagenden Bundessicherheitsrat entschieden.
Wie hat man in der Union darauf reagiert?
Trotzdem birgt die Entscheidung eine gewaltige Sprengkraft, und zwar innerhalb der Union. Prominente CDU-Außenpolitiker wie Jürgen Hardt, Norbert Röttgen oder Thomas Röwekamp verteidigten sie, andere Abgeordnete bezeichneten sie auf X als einen schweren Fehler.
Besonders scharfe Kritik kam aus der CSU. Merz soll kaum jemanden an der Entscheidung beteiligt, sondern das Waffenembargo weitestgehend im Alleingang beschlossen haben. „Die CSU war an dieser Entscheidung nicht beteiligt, und wir halten sie für bedenklich“, sagte der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Hoffmann, gegenüber der „Bild“-Zeitung. Auch andere CSU-Abgeordnete wie Stephan Pilsinger zeigten sich „überrascht“. Der Außenpolitikexperte Stephan Meyer kritisierte, Israel könne so eine Bevölkerung nicht mehr wirksam schützen.
Wie geeint sind CDU und CSU?
Hatte einst Angela Merkel die bedingungslose Unterstützung Deutschlands für Israel zur deutschen Staatsräson erklärt, ist die Unionsfraktion bei dem Thema heute zunehmend gespalten. Schon im Juni hatte die CSU öffentlich Außenminister Johann Wadephul kritisiert, nachdem der eine Überprüfung der deutschen Waffenlieferungen an Israel angekündigt und einen möglichen Stopp nicht ausgeschlossen hatte. „Das wäre das Ende der Staatsräson gegenüber Israel, und das ist mit der CSU nicht zu machen“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann damals.
Dazu sind die Schwesterparteien auch in anderen Themen nicht auf einer Linie. Gerade in der CSU äußerte man sich in den vergangenen Monaten kritisch gegenüber Merz’ finanzpolitischer Kehrtwende vom bisherigen Sparkurs zu neuen Milliarden-Schulden. Beim Bürgergeld hingegen setzte CSU-Chef Markus Söder jüngst den Kanzler unter Druck, indem er über den Koalitionsvertrag hinausgehend forderte, allen Ukraine-Geflüchteten das Bürgergeld zu streichen.
Wie geht es weiter?
Der Gesprächsbedarf in der Unionsfraktion ist offenbar erheblich. Am Sonntag, also mitten in der Sommerpause, wollen die Außenpolitiker von CDU und CSU zu einer digitalen Sondersitzung zusammenkommen. Merz’ außenpolitischer Berater Günter Sautter soll laut „Bild“ erklären, wie es zu der Entscheidung kam.
Auch CSU-Landesgruppenchef Hoffmann erklärte am Samstag, innerhalb der Koalition Gespräche führen zu wollen. Ob Merz die Mitglieder der bayerischen Schwesterpartei so wieder hinter sich bringen kann, ist ungewiss. Der CSU-Ehrenvorsitzende und langjährige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer geht nicht davon aus. „Das war eine Fehlentscheidung“, sagte Seehofer gegenüber der „Bild“. Er glaubt, der „Fehler“ werde lange fortwirken.
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