
© dpa/Sebastian Gollnow
Könnte Deutschland so einfach liefern?: Was Sie über die Taurus-Debatte wissen sollten
Könnten die Taurus Moskau erreichen? Wären deutsche Spezialisten an Angriffen auf Russland beteiligt? Die Debatte um die mögliche Lieferung der Marschflugkörper ist wieder aufgeflammt.
Stand:
Taurus-Marschflugkörper für die Ukraine? Der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt eine Lieferung ab. Der voraussichtlich kommende Regierungschef Friedrich Merz hatte sich schon in der Opposition offen dafür gezeigt. Diese Position hat der CDU-Chef am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Caren Miosga“ erneut bekräftigt.
Seitdem ist die Taurus-Debatte wieder aufgeflammt. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten rund um die Marschflugkörper:
1 Was genau sind Taurus-Marschflugkörper?
Der Taurus ist 5,1 Meter lang und wiegt 1,35 Tonnen. Der Marschflugkörper wird von Kampfflugzeugen aus gestartet. Beim Einschlag im Ziel sprengt eine erste Ladung eine Lücke in Wand oder Decke. Durch diese dringt dann ein 400 Kilogramm schwerer und mit Sprengstoff gefüllter Metallstab ein und explodiert.
Zur Reichweite gibt es unterschiedliche Angaben. Laut Hersteller, der Taurus Systems GmbH, einem Gemeinschaftsunternehmen der Deutschland-Tochter des europäischen Rüstungskonzerns MBDA und Saab Dynamics aus Schweden, kann der Taurus 500 Kilometer weit fliegen.
Doch die tatsächliche Reichweite des Marschflugkörpers werde geheim gehalten, sagte der Militärexperte Gustav Gressel, ein österreichischer Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt Osteuropa. Gressel vermutet, dass die deutsch-schwedische Produktion eine ähnliche Reichweite wie die britischen Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow hat. Die haben laut der Nachrichtenagentur dpa immerhin eine Reichweite von mehr als 250 Kilometern.
2 Könnte die Ukraine mit Taurus Moskau erreichen?
Theoretisch ja, praktisch eher nicht. Das Zentrum der russischen Macht, der Kreml, liegt etwa 450 bis 500 Kilometer Luftlinie von der Grenze zur Ukraine entfernt – nach Herstellerangaben eine überbrückbare Distanz. Laut einer Berechnung von Militärexperte Gressel ist ein direkter Schlag gegen Moskau aber unwahrscheinlich. Zumal die Marschflugkörper von Kampfflugzeugen aus abgeschossen werden.
Die ukrainischen Kampfflugzeuge müssten je nach Berechnung entweder nah an die russische Grenze heranfliegen oder über Feindesland fliegen, um ihre explosive Fracht abzuschießen. Dort ist allerdings die russische Luftabwehr stationiert und die Gefahr, von feindlichen Jagdflugzeugen angegriffen zu werden, steige, erläuterte Militärexperte Gressel.
Daher würde die Ukraine etwa die britischen Storm Shadows meist tief über ukrainisch kontrolliertem Gebiet abfeuern, sagte der Militärexperte Ende vergangenen Jahres. Moskau wäre laut diesen Berechnungen unerreichbar.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
3 Warum wird jetzt wieder über eine Lieferung diskutiert?
Friedrich Merz hatte am Sonntag in der ARD-Sendung „Caren Miosga“ der Ukraine die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern in Aussicht gestellt. „Ich habe immer gesagt, dass ich das auch nur in Abstimmung mit den europäischen Partnern tun würde“, sagte der CDU-Chef.
Die Partner lieferten aber bereits Marschflugkörper, betonte Merz: „Die Briten tun das, die Franzosen tun das, die Amerikaner tun es ohnehin.“ Die Lieferung müsse abgestimmt werden, „und wenn es abgestimmt wird, dann sollte Deutschland sich daran beteiligen“. Boris Pistorius (SPD), der geschäftsführende und wahrscheinlich auch nächste Verteidigungsminister, ist hingegen skeptisch.
4 Wieso hat Deutschland bislang keine Taurus an die Ukraine geliefert?
Laut Scholz sprechen „viele Gründe“ gegen eine Lieferung. Öffentlich begründete er sein Nein mit der Sorge vor einer weiteren Eskalation des russischen Angriffskrieges. Bereits im Februar 2024 hatte der Kanzler die Befürchtung geäußert, dass die Ukraine mit den Marschflugkörpern bis nach Moskau schießen könnte, berichtete n-tv von einem Bürgerdialog in Dresden.
Eine weitere Sorge des Kanzlers soll die Zielprogrammierung der Marschflugkörper gewesen sein. Demnach befürchte er, dass eine Mitwirkung deutscher Spezialisten daran von Russland als Kriegsbeteiligung gewertet werden könnte.
5 Sind deutsche Spezialisten nötig, um mit Taurus russische Ziele anzugreifen?
Der Militärexperte Nico Lange, der für die Zeitenwende-Initiative bei der Münchner Sicherheitskonferenz arbeitet, sieht in der Diskussion um eine deutsche Beteiligung an Taurus-Einsätzen das Schüren von Ängsten. Wie bei anderen Waffensystemen müssten ukrainische Soldaten zuerst ausgebildet werden und die ukrainischen Kampfflugzeuge vom Typ Su-24 und F-16 umgerüstet werden.
Das sei aber „schnell möglich“, sagte Lange. „Auch wenn immer wieder behauptet wird, das würde lange dauern und sei sehr teuer.“ „Möglicherweise könnten nicht alle Potenziale des Taurus vollständig ausgenutzt werden, aber ein Einsatz nur durch die Ukrainer selbst ist möglich“, sagte er.
Die Ukrainer würden die Zielprogrammierung beim Rüstungsunternehmen MBDA Deutschland in Simulatoren erlernen, erläuterte Militärexperte Gressel. Im Kriegseinsatz würden sie dann das Erlernte selbst ausführen, wie auch bei anderen Waffensystemen. Deutschland wäre nicht mehr beteiligt.
6 Wie viele Taurus-Marschflugkörper besitzt Deutschland?
Im Mai 2023 bezifferte der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter die Zahl der einsatzbereiten Taurus-Marschflugkörper auf lediglich „um die 150“. Die Zeitung „Welt“ berichtete im März 2024 von ungefähr 300 einsatzfähigen Taurus. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass Deutschland alle davon an die Ukraine abgeben würde.
Es ist unklar, wie viele Marschflugkörper vom Typ Star Shadow beziehungsweise Scalp von Großbritannien und Frankreich an die Ukraine geliefert wurden. Washington soll Hunderte Atacms an Kiew geliefert haben, berichtete die „New York Times“ Ende vergangenen Jahres.
7 Wie reagiert Russland auf die Taurus-Debatte?
Putins Scharfmacher, Dmitri Medwedew, bezeichnete Merz nach dessen Vorstoß am Sonntag als „Nazi“. „Überleg zweimal, Nazi!“, schrieb der Vizechef des russischen nationalen Sicherheitsrates am Montag auf der Plattform X.
„Fritz Merz wird von der Erinnerung an seinen Vater verfolgt, der in Hitlers Wehrmacht diente“, hieß es weiter. Kremlsprecher Dmitri Peskow warf Merz vor, es auf eine Eskalation im Ukrainekrieg anzulegen. (mit Agenturen)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: