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Robert Habeck will Kanzlerkandidat der Grünen werden.

© dpa/Elias Keilhauer

Update

„Mache ein Angebot nach vorne“: Habeck gibt Kanzlerkandidatur bekannt – Lindner spottet

Lange ist es erwartet worden, am Freitagnachmittag machte Robert Habeck per Videobotschaft seine Kanzlerkandidatur auch offiziell bekannt. Der Vizekanzler will offenbar als Problemlöser punkten.

Stand:

Am Donnerstagabend, bei Markus Lanz, da konnte und wollte Robert Habeck es schon gar nicht mehr verbergen. Ein Video, das er in den Sozialen Medien veröffentlicht hatte, wurde dort seziert, Schnittbild für Schnittbild. Ganz kurz nur war ein Armbändchen eingeblendet. „Kanzler Era“ war darauf zu lesen. „Kanzler Iiiiiira, man spricht das amerikanisch aus“, sagte Habeck. Eine Anspielung auf die US-amerikanische Pop-Sängerin Taylor Swift.

Er lachte und feixte, genoss sichtlich das verbale Ping-Pong mit Markus Lanz. Den einen, definitiven Satz bekam der Moderator nicht aus ihm heraus. Aber daran, dass Habeck Kanzlerkandidat werden will, konnte keinerlei Zweifel aufkommen.

Habecks Rückkehr zum Netzwerk X, das sorgfältig choreographierte Video, das ist Teil der Kommunikationsstrategie, mit der er jetzt in die Offensive kommen will. Da hatte einer jede Menge Zeit, seine Kandidatur vorzubereiten.

Dann, am Freitagnachmittag, verkündete er seine Kandidatur auch offiziell. In einem weiteren Video. Darin sagt Habeck: „Ich bewerbe mich als Kandidat von den Grünen – für die Menschen in Deutschland.“

Er sei bereit, seine Erfahrung, Kraft und Verantwortung anzubieten. „Wenn Sie wollen, auch als Kanzler. Aber das ist nicht meine, das ist Ihre Entscheidung. Nur Sie können das entscheiden.“

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„Ich weiß, dass die Ampel-Regierung gescheitert ist. Ich weiß, dass Vertrauen kaputtgegangen ist“, sagt Habeck in dem Video. Er wisse, „einen Führungsanspruch muss man sich erarbeiten.“ Habeck wolle sich diesen Führungsanspruch erarbeiten. Daher möchte er „erst einmal zuhören“ und „erfahren, was Sie umtreibt in ihrem Alltag, worauf es Ihnen ankommt.“

Er „kandidiere als Bürger dieses Landes, der nicht hinnehmen mag, dass Schlechtreden und Populismus uns die Zukunftskraft rauben“, erklärt Habeck. „Deshalb mache ich ein Angebot nach vorne.“

Habeck kokettierte mit Kanzlerkandidatur

Dreieinhalb Jahre ist es her, da blieb Robert Habeck der entscheidende Schritt zur Kanzlerkandidatur verwehrt. „Nichts wollte ich mehr, als dieser Republik als Kanzler zu dienen“, sagte er damals in einem Interview mit der „Zeit“, nur Stunden nachdem seine damalige Grünen-Co-Vorsitzende Annalena Baerbock ihre Kandidatur verkündet hatte.

Habeck hatte Baerbock die Bühne bei der Vorstellung überlassen müssen. Ein Schritt zurück, statt einer nach vorne. „Ich bin nicht in der Position, auf die ich hingearbeitet habe. Insofern war das heute der schmerzhafteste Tag in meiner politischen Laufbahn“, sagte er.

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Nun scheint Habeck immerhin dieses Zwischenziel erreicht zu haben – dabei ist es seit Monaten keine Überraschung mehr. Seit Außenministerin Baerbock bei in einer US-Talkshow bei CNN bekanntgab, dass sie für die kommende Bundestagswahl nicht zur Verfügung stünde, läuft alles auf Habeck zu.

Seit Monaten kokettiert der Vizekanzler mit seiner Kandidatur. Doch er zögerte, wartete auf den richtigen Moment, der nach den verlorenen Wahlen in Europa, Sachsen, Thüringen und Brandenburg und dann mit dem Rücktritt der Grünen-Vorsitzenden sich immer weiter nach hinten schob.

Nun muss er sich erklären. Zwei Tage nach dem Bruch der Ampel und eine Woche vor dem Parteitag der Grünen drängt die Zeit.

Braucht es überhaupt einen Grünen-Kanzlerkandidaten?

Zumal die Lage die Frage naheliegt, ob es für die Grünen eigentlich noch einen Kanzlerkandidaten braucht. In den Umfragen liegt die Partei gerade noch bei neun bis elf Prozent. Die gesellschaftliche Stimmung spricht gegen die Grünen, die Partei ist tief verunsichert.

Das sieht auch Unionskanzlerkandidat und CDU-Chef Friedrich Merz so: „Die Selbsterklärung zum Kanzlerkandidaten bei neun Prozent Wählerzustimmung hat ja durchaus einen humorvollen Teil“, zitiert ihn die dpa bereits von einem Auftritt am Freitagmorgen.

Ex-Regierungspartner und FDP-Chef Christian Lindner spottete nach Veröffentlichung von Habecks Bewerbungsvideo am Nachmittag auf X: „Schon verrückt. Keine eigene Mehrheit, aber jetzt zwei Kanzlerkandidaten in der Regierung.“

Es stehe null zu vier gegen die Grünen, sagte Habeck bereits vor einigen Wochen in einem Podcast.

Videos zu den Ampel-Parteien sehen Sie hier

An der Lage ist Habeck als Vizekanzler und Wirtschaftsminister nicht unbeteiligt. Vor allem der Streit ums Heizungsgesetz belastet ihn politisch schwer – trotz massiver Förderungen für klimaschonende Heizungen. Seit dem Gesetz werden die Grünen wieder bei vielen Wählern als Verbotspartei wahrgenommen.

Hinzu kommt die schwierige wirtschaftliche Lage, an der Habeck als Wirtschaftsminister nicht unbeteiligt ist. Bislang gelang es ihm nicht, entscheidende Impulse gegen die Krise zu setzen. Und auch handwerkliche Fehler werden dem Minister immer wieder vorgehalten – etwa bei der Gasumlage oder wenn er inhaltlich unabgestimmt vorprescht wie zum Beispiel bei der Strompreisbremse.

Ampel-Aus: Wann kommen Neuwahlen?

Dazu nun das Ampel-Aus. In den nächsten Wochen wird spannend zu beobachten sein, ob sich die Grünen von der SPD in Mithaftung nehmen lassen, für den Kurs eines Kanzlers, der sein Amt einfach noch nicht hergeben will. Es ist die erste Führungsfrage, vor der Habeck als Kanzlerkandidat steht.

Erst im Januar will Olaf Scholz die Vertrauensfrage stellen. Die Verfassung gibt ihm als Kanzler eine starke Position. Die Frage ist nur: Wie lange tragen die Grünen, wie lange trägt ein Robert Habeck das mit? Denn was für die SPD parteitaktisch geboten sein mag, muss es für die Grünen noch lange nicht sein.

Allerdings brauchen auch die Grünen vor der Wahl noch Zeit, sich zu sortieren. Die neue Spitze soll erst auf dem Parteitag am kommenden Wochenende in Wiesbaden gewählt werden. Die Grünen sind deshalb derzeit kaum kampagnenfähig.

Der Unmut in der Bevölkerung über den späten Wahltermin ist jedoch groß. Eine Blitzumfrage der ARD zeigte am Donnerstagabend, dass 65 Prozent der Menschen dafür sind, so schnell wie möglich zu wählen.

Habeck muss Wähler nochmal überzeugen

Unmut über Scholz’ Zeitplan gibt es auch bei den Grünen. Winfried Kretschmann, Ministerpräsident in Baden-Württemberg, sagt schon öffentlich, es brauche zügige Neuwahlen. So manches Mal schon ist er der erste gewesen, der einen naheliegenden Gedanken laut ausspricht.

Für Habeck wird nun die Frage sein, ob er die Wählerinnen und Wähler mit seinen Qualitäten noch einmal überzeugen kann. Bei den Grünen trauen ihm viele das immer noch zu. Er besitzt die Fähigkeit, Politik verständlich und interessant zu erklären. Habeck halten die Grünen zudem mit seinem pragmatischen Kurs auch für Wähler aus dem konservativ-bürgerlichen Lager für wählbar.

Selbst Parteilinke, die Habeck immer wieder vorhalten, leichtsinnig mit der eigenen Parteiprogrammatik umzugehen, setzen deshalb ihre Hoffnung in den Realo-Grünen.

Der will offenbar mit einer positiven Erzählung in den Wahlkampf ziehen. Einerseits will er seine Erfolge beim Ausbau der erneuerbaren Energien präsentieren. Innerhalb kürzester Zeit ist der scheidenden Regierung gelungen, sich von russischem Gas, Öl und Kohle unabhängig zu machen. Überall im Land entstehen neue Solarparks und Windkraftanlagen. Habecks Credo: für alle Probleme gibt es Lösungen. Und er könne der Problemlöser sein.

Überzeugt diese Rolle die Wähler? Olaf Scholz und Ex-Finanzminister Christian Lindner haben sich in den vergangenen Tagen auch menschlich von neuen Seiten gezeigt. Scholz hat hart ausgeteilt gegen den Geschassten, in einer Art, die nicht alle eines Kanzlers würdig finden. Lindner keilte zurück und wirkte gleichzeitig angefasst, wie man es von ihm bisher nicht kannte.

Und was ist mit Habeck? Der hat in den vergangenen Tagen öffentlich nichts getan oder gesagt, das ihm menschlich vorzuwerfen wäre. In Tagen wie diesen tut er sich in den Rest-Beständen der Ampel damit schon positiv hervor.

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