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Seit 2011 toben in Libyen schwere Kämpfe.

© Archivfoto: Goran Tomasevic/Reuters

Update

UN-Pläne für Libyen veröffentlicht: Libyen-Konferenz soll permanente Feuerpause und Waffenembargo erreichen

Kurz vor der Libyen-Konferenz in Berlin werden die Ziele des Treffens bekannt. Präsident Erdogan meldet sich derweil mit einer Warnung zu Wort.

In Libyen tobt seit Jahren ein Bürgerkrieg, alle Versuche, Frieden zu schaffen, scheiterten bisher. Bei der Libyen-Konferenz am Sonntag in Berlin sollen einem internen UN-Bericht zufolge nun eine permanente Feuerpause und eine konsequente Umsetzung des Waffenembargos für das ölreiche Land erreicht werden. Es ist die größte internationale Konferenz in Deutschland seit dem G20-Gipfel in Hamburg.

General Haftar stoppt in Libyen Hälfte der Ölexporte

Demnach ist der Entwurf des Abschluss-Kommuniqués in sechs Bereiche unterteilt. Diese beinhalten neben der Erreichung eines Waffenstillstands und der Umsetzung des immer wieder missachteten Einfuhrverbots für Kriegswaffen auch Reformen in den Bereichen Wirtschaft und Sicherheit.

Das Schreiben wurde von Generalsekretär António Guterres an die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates geschickt und liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Datiert ist es auf den 15. Januar. Zudem sollen sich die Vertreter aus mehr als zehn Ländern für eine Rückkehr zu einem politischen Prozess in Libyen und zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts sowie der Menschenrechte verpflichten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) empfängt am Sonntagnachmittag Vertreter von Staaten, die Einfluss auf den Libyen-Konflikt haben. Unter anderen werden der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der russische Staatschef Wladimir Putin und US-Außenminister Mike Pompeo erwartet. In Libyen konkurrieren Ministerpräsident Fajis al Sarradsch und General Chalifa Haftar um die Macht – auch sie sollen nach Berlin kommen.

General Haftar schuf kurz vor der Konferenz neue Fakten: Die ostlibyschen Häfen, die unter seiner Kontrolle, haben die Ölexporte eingestellt. Damit wird mehr als die Hälfe der Ölproduktion des Landes gestoppt. Ein Sprecher von Haftars sogenannter Libyscher Nationalarmee (LNA) sagte, das "libysche Volk" habe die Häfen geschlossen.

In Libyen herrscht seit dem Sturz Gaddafis 2011 Chaos

Aus Kreisen der staatlichen Ölfirma NOC verlautete, die LNA und eine ostlibysche Schutztruppe hätten die Schließung befohlen. NOC-Chef Mustafa Sanalla hatte zuvor in einer Mitteilung vor einem solchen Schritt gewarnt: "Der Öl- und Gassektor ist der Nerv der libyschen Wirtschaft. Er sollte nicht als Karte in politischen Verhandlungen benutzt werden."

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In Libyen herrscht seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al Gaddafi 2011 Chaos. Während in Tripolis die international anerkannte, aber weitgehend machtlose Einheitsregierung von al Sarradsch ihren Sitz hat, herrscht im Osten und Süden des Landes eine Gegenregierung, die von General Haftar unterstützt wird. In dem Konflikt unterstützen die Türkei und Katar die Regierung Sarradschs. Russland, Ägypten, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate stehen hinter Befehlshaber Haftar.

Zehntausende sind in Libyen auf der Flucht

Die Lage im Land verschärfte sich seit der im vergangenen April gestarteten Militäroffensive Haftars auf Tripolis. Dabei wurden nach UN-Angaben mehr als 2000 Kämpfer und mehr als 280 Zivilisten getötet. Rund 146.000 Menschen wurden von den Kämpfen in die Flucht getrieben.

Aus dem UN-Bericht kann geschlossen werden, dass der Entwurf des Abschlussdokuments in den vergangenen Monaten in fünf Vorbereitungstreffen in Berlin mit Vertretern von mehr als einem Dutzend Ländern und Organisationen erarbeitet wurde. Unter ihnen sind dem Papier zufolge die USA, Russland und die Türkei, aber auch Italien, Frankreich, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Kämpft gegen die Regierung in Libyen: General Khalifa Haftar.
Kämpft gegen die Regierung in Libyen: General Khalifa Haftar.

© Costas Baltas/Reuters

Aus diplomatischen Kreisen in Paris verlautete, dass Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron bei der Konferenz eine aktive Rolle spielen und Gastgeberin Merkel bereits vor Beginn der Beratungen treffen wolle. Macron setze sich dafür ein, dass die Konferenz ein Erfolg werde. In der französischen Hauptstadt wurde auch die „sehr kohärente und systematische“ Vorbereitung des Spitzentreffens gelobt.

In den diplomatischen Kreisen in Paris hieß es, Macron setze sich bei der Krisenlösung für das ölreiche Bürgerkriegsland für Realismus ein. Die Libysche Nationalarmee (LNA) Haftars halte 80 Prozent des Landes. Es muss nach Pariser Ansicht vermieden werden, dass die Kämpfe in der Nähe der Hauptstadt Tripolis weitergehen.

Kramp-Karrenbauer schließt Bundeswehr-Einsatz in Libyen nicht aus

„Es ist nötig, dass die beiden (Konflikt-)Parteien eine Verhandlung beginnen, deren Parameter bereits bekannt sind und die in Berlin bestätigt werden“, hieß es weiter. Es gehe Frankreich auch darum, dass Verpflichtungen, die bereits bei anderen Gelegenheiten eingegangen wurden, nun bestätigt werden – auch wenn das Umfeld sehr spannungsgeladen sei.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schloss einen Militäreinsatz der EU in Libyen nicht aus, um bei der Überwachung einer angestrebten Feuerpause zu helfen. „Wenn es einen Waffenstillstand in Libyen gibt, dann muss die EU bereit sein, bei der Umsetzung und der Überwachung dieses Waffenstillstandes zu helfen, eventuell auch mit Soldaten“, sagte der EU-Chefdiplomat dem "Spiegel". In Athen kündigte Außenminister Nikos Dendias an, Griechenland werde sich auf Wunsch an der Entsendung von Truppen beteiligen.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hält auch einen Bundeswehr-Einsatz in Libyen für möglich. Auf der Libyen-Konferenz gehe es zunächst darum, ob es gelinge, einen dauerhaften Waffenstillstand in dem nordafrikanischen Land zu schließen, sagte die CDU-Chefin am Samstag in Hamburg zum Abschluss der Klausur des Bundesvorstands ihrer Partei. Dies sei der erste Schritt. "Dann wird natürlich auch die Frage kommen, wie soll das geschehen und wer wird das absichern. Dass dann Deutschland, das immer Teil des Prozesses war, auch sich mit der Frage auseinandersetzen muss, was können wir einbringen, das ist vollkommen normal."

Das Verteidigungsministerium könne in diesem Fall sehr schnell sagen, wie ein Beitrag der Bundeswehr aussehen könne. Unterstützung erhielt Kramp-Karrenbauer vom CDU/CSU-Fraktionsvize Johann Wadephul.

Erdogan warnt vor Sturz libyscher Regierung

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warnt einen Tag vor Beginn der Konferenz vor erhöhter Terrorgefahr in Europa, sollte die von der UNO anerkannte Einheitsregierung in Tripolis stürzen. "Europa wird mit einer Reihe neuer Probleme und Bedrohungen konfrontiert sein, wenn die legitime libysche Regierung fällt", schrieb Erdogan in einem am Samstag veröffentlichten Beitrag in der US-Zeitschrift "Politico". "Terrororganisationen" wie die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) oder Al-Kaida könnten in Libyen "einen fruchtbaren Boden finden und wieder auf die Beine kommen".

In dem Beitrag forderte der türkische Staatschef die EU dazu auf, die libysche Einheitsregierung "angemessen" zu unterstützen. Alles andere sei "Verrat an ihren eigenen Grundwerten, einschließlich Demokratie und Menschenrechte".

CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus wies den Vorschlag des türkischen Präsidenten zurück. "Noch mehr Militär in diesen Konflikt hineinzubringen, ist sicherlich der falsche Anfang, um diesen Konflikt zu deeskalieren", sagte der CDU-Politiker am Samstag am Rande der Klausurtagung des CDU-Bundesvorstands in Hamburg im Reuters-TV-Interview. "Insofern stellt sich die Frage nicht."

Ärger wegen Gästeliste für Konferenz in Libyen

Die Gästeliste des Treffens sorgt seit Tagen für Unruhe. Zuerst beschwerte sich Libyens Nachbarland Tunesien, dass es nicht eingeladen wurde, dann Griechenland. Die Bundesregierung wollte den Teilnehmerkreis nicht zu groß ziehen und beschränkte sich bei den Einladungen auf die Länder, die von außen auf den Konflikt einwirken, zum Beispiel durch Waffenlieferungen oder die Entsendung von Söldnern.

Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock nannte es einen Fehler, dass Griechenland und Tunesien nicht eingeladen wurden. Gerade Tunesien als Nachbarland verhalte sich konstruktiv, sagte sie im „Interview der Woche“ des Südwestrundfunks (SWR). „Und damit bestraft man eigentlich die Länder, die nicht eskalieren, sondern die um Frieden bemüht sind, dass sie bei solchen Konferenzen nicht mit dabei sind.“ (dpa, AFP, Reuters, Tsp)

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