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Linker redet als Alterspräsident: Gysi eröffnet Sitzung des neuen Bundestags mit etlichen Forderungen
Der Start in die Sitzungsperiode ist ein feierlicher Akt. Der 77-Jährige spricht über Frieden und Aufrüstung, äußert sich kritisch zur Einheit – und macht Vorschläge für den Politikbetrieb.
Stand:
In seiner Rolle als Alterspräsident hat der Linken-Politiker Gregor Gysi die erste Sitzung des neuen Bundestags mit einer sehr politischen Rede eröffnet. Der 77-Jährige richtete diverse Forderungen an das Parlament und die künftige Bundesregierung – vom Einsatz für den Frieden in der Ukraine und im Nahen Osten bis zur Forderung nach einer Entschuldigung bei den Ostdeutschen für Fehler bei der Deutschen Einheit. Zugleich mahnte Gysi gegenseitigen Respekt und Bürgernähe der Parlamentarier an.
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Der 77-jährige Gysi war Alterspräsident, weil er dem Bundestag mit mehr als 30 Dienstjahren am längsten angehört – mit einer Unterbrechung ist er seit der Deutschen Einheit 1990 Abgeordneter. Zu DDR-Zeiten prominenter Anwalt, wurde Gysi während des Umbruchs in Ostberlin Ende 1989 letzter Vorsitzender der Staatspartei SED. Daraus wurde die PDS und später die Linke.
Es gibt also unterschiedliche Auffassungen, wie man zum Frieden gelangt.
Gregor Gysi, Linkspartei
Die AfD scheiterte zu Beginn der Sitzung mit dem Antrag, wie bis 2017 üblich, solle der an Jahren älteste Abgeordnete und damit ihr Mitglied Alexander Gauland Alterspräsident sein. Die übrigen Fraktionen lehnten dies geschlossen ab. So konnte Gysi mit seiner rund 40-minütigen Rede beginnen.
Er richtete den Blick zunächst auf die Friedenspolitik und mahnte zu gegenseitigem Respekt der jeweils anderen Position. Politiker, die auf Rüstung und Abschreckung setzten, dürften nicht als Kriegstreiber bezeichnet werden, mahnte er. Andererseits seien Menschen wie er selbst, die mehr Diplomatie und eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa einschließlich Russlands wollten, keine „Putin-Knechte“.
„Es gibt also unterschiedliche Auffassungen, wie man zum Frieden gelangt“, sagte Gysi. „Wir müssen einfach lernen zu respektieren, dass es diese Unterschiede gibt. Wenn wir mehr Glaubwürdigkeit bei der Bevölkerung erreichen wollen, sollten wir in unserer Sprache das Maß wahren, nicht immer bei Menschen mit anderer Auffassung das Übelste unterstellen.“
Mit Blick auf den Nahostkonflikt forderte Gysi mehr Einsatz für eine Zweistaatenlösung zwischen Israel und den Palästinensern. Deutschland habe wegen seiner Geschichte und der in der Nazizeit getöteten sechs Millionen Jüdinnen und Juden eine besondere Verantwortung für einen souveränen, unabhängigen und sicheren jüdischen Staat, sagte Gysi. Aber auch die Palästinenserinnen und Palästinenser hätten ein Recht auf ein Zuhause, auch ihnen gegenüber habe Deutschland besondere Verantwortung.
Gysi fordert Entschuldigung bei Ostdeutschen
Gysi machte zudem Vorschläge für die Einrichtung „überparteilicher Gremien“ beim Parlament, um Lösungsvorschläge für wichtige Politikfelder zu erarbeiten. Als Themen für solche Gremien nannte Gysi eine sichere künftige Rente, Fragen der Steuergerechtigkeit, die Finanzierung des Gesundheitswesens und eine Reform für weniger Bürokratie.
Gysi bat darüber hinaus Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, ein Gremium einzusetzen, das sich mit der Sicherung von Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit auseinandersetzen solle.
Zudem verwies Gysi noch einmal Mängel im Prozess der Deutschen Einheit – nämlich dass aus Ostdeutschland kaum etwas übernommen worden sei. „Übernommen hat man aus der DDR nur das Sandmännchen, das Ampelmännchen und den grünen Abbiegepfeil“, sagte Gysi.
„Damit sagte man aber den Ostdeutschen, dass sie außer diesen drei Punkten nichts geleistet hätten.“ Er forderte den künftigen Bundeskanzler auf, sich dafür zu entschuldigen. „Das gäbe einen wirklichen Ruck bei der Herstellung der inneren Einheit.“
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Der Linken-Politiker hob hervor, dass in der DDR unter anderem die Gleichstellung der Geschlechter „deutlich weiter“ gewesen sei als in der damaligen Bundesrepublik Deutschland. Zudem habe es „extrem kostengünstige und gut ausgestattete Kindereinrichtungen“ gegeben.
Wären auch solche Punkte von der BRD übernommen worden, „hätte die ostdeutsche Bevölkerung nicht ein solches Gefühl der Demütigung entwickelt“, so Gysi. Die Berücksichtigung hätte zudem „zu deutlich mehr innerer Einheit geführt“.
Notwendig sei weiter „endlich eine Gleichstellung von Ost und West“. Es müsse Schluss sein mit unterschiedlichen Tarifverträgen und Renten in Ost- und Westdeutschland, forderte Gysi. Zudem müssten Ostdeutsche in der nächsten Bundesregierung und in den obersten Gerichten angemessen vertreten sein und berücksichtigt werden. (dpa, AFP)
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