
© AFP/Christof Stache
Newsblog Bundestagswahl 2017: Seehofer: "Wir bestehen auf der Obergrenze"
Kanzlerin Merkel sieht keine Fehler im eigenen Wahlkampf - und will auch mit der SPD verhandeln. Bei der CSU gibt es mehr Selbstkritik zu hören: Ein "Weiter so" soll es nicht geben. Der Tag nach der Wahl im Newsblog.
- Die Bundestagswahl ist für Union und SPD eine herbe Enttäuschung. Sie müssen deutliche Verluste einstecken.
- Es stehen schwierige Koalitionsverhandlungen an zwischen Union, Grünen und FDP
- Die AfD gewinnt stark im Osten.
- Die SPD steht vor einem Neuanfang.
- Innerhalb der Union kriselt es.
- Der Blog zum Wahltag hier zum Nachlesen.
- Reaktionen, Analysen, Zahlen, Daten, Fakten jetzt hier in unserem Newsblog zum Tag danach:
Bundestagsfraktionen kommen zu ersten Sitzungen zusammen
In den kommenden Wochen stehen schwierige Koalitionsverhandlungen zwischen Union, Grünen und FDP an.
Zwei Tage nach der Bundestagswahl kommen am Dienstag in Berlin zunächst die Fraktionen zu ersten Sitzungen zusammen. Die 94 Abgeordneten der frisch in den Bundestag eingezogenen AfD treffen sich um 11 Uhr. Um 14 Uhr tagen die Linken und die Grünen jeweils mit ihren alten und neuen Parlamentariern. Um 15 Uhr treffen sich die bisherigen und künftigen Abgeordneten der SPD sowie der CDU/CSU. Als erste Partei hatte die FDP, die nach vier Jahren in den Bundestag zurückkehrt, bereits am Montag ihre konstituierende Sitzung abgehalten.
Der neue Bundestag ist mit 709 Abgeordneten aufgrund von Überhang- und Ausgleichsmandaten der größte aller Zeiten. Bislang gehörten dem Parlament 630 Abgeordnete an. Woran das liegt, können Sie noch einmal hier nachlesen.
Der Tag nach der Wahl
Liebe Leserinnen und Leser, wir bedanken uns für Ihr Interesse an unserem Liveblog. Alle weiteren Entwicklungen können Sie in unserem Blog am Dienstag verfolgen.
Gauland hofft nach Petry-Absage auf keine weiteren AfD-Abgänge
AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland hofft nach der Absage von Parteichefin Frauke Petry an die künftige Bundestagfraktion, dass es keine weiteren Abgänge gibt. „Ja, es ist schade. Wir verlieren ein Talent“, sagte Gauland am Montagabend im ZDF zum überraschenden Abgang Petrys. Dies sei zwar ein harter Anfang für die AfD im Bundestag. Er hoffe aber, dass es dabei bleibe.
Gauland betonte, die AfD wolle die Demokratie wieder herstellen. Es müssten im Bundestag wieder Debatten über bestimmte Grundfragen der Nation geführt werden: „Das hat mit rechtsradikal nichts zu tun.“
Trump hat Merkel noch nicht zum Wahlsieg gratuliert
Am Tag nach der Bundestagswahl hat US-Präsident Donald Trump nach Auskunft seiner Sprecherin Kanzlerin Angela Merkel noch nicht zu ihrem Wahlsieg gratuliert. Gefragt, ob diese lange Frist nach dem Ergebnis vom Sonntag einen besonderen Grund habe, sagte Sarah Sanders am Montagnachmittag (Ortszeit): „Nein.“ Trump und Merkel hätten am Freitag telefoniert. Man arbeite nun an der Logistik für einen zweiten Anruf. (dpa)
Laschet: Unter Unionsparteien viel Übereinstimmung
Der stellvertretende CDU-Chef Armin Laschet stellt sich auf schwierige Koalitionsverhandlungen für ein mögliches schwarz-gelb-grünes Regierungsbündnis ein. Probleme unter den Unionsparteien erwartet der nordrhein-westfälische Ministerpräsident nicht. „Mit CDU und CSU gibt es viel Übereinstimmung“, sagte Laschet am Montagabend dem ZDF. „Das wird nicht das große Problem sein.“
Die schwierige Aufgabe sei vielmehr, Union, FDP und Grüne zu einer gemeinsamen Regierung zu bekommen. Die Gespräche mit Liberalen und Grünen würden kompliziert. Wichtig sei, das Industrieland Deutschland zu erhalten. Es dürfe keine leichtfertigen Kompromisse geben wie einen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor, sagte Laschet.
Trittin und Kretschmann im Jamaika-Sondierungsteam der Grünen
Die Grünen stellen sich für Sondierungsgespräche mit Union und FDP breit auf und setzen dabei auch auf Jürgen Trittin. Der Parteilinke und Ex-Bundesminister soll Teil eines 14-köpfigen Teams werden, das die Möglichkeiten für eine Jamaika-Koalition auslotet.
Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist dafür vorgesehen. Ein kleiner Parteitag am kommenden Samstag muss noch zustimmen. Die Leitung der Gespräche liegt bei den Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir.
Die weiteren Mitglieder in der Sondierungsgruppe sind Fraktionschef Anton Hofreiter, der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck, Fraktions-Geschäftsführerin Britta Haßelmann, die ehemaligen Parteivorsitzenden Claudia Roth und Reinhard Bütikofer, die aktuelle Parteichefin Simone Peter, Parteimanager Michael Kellner und die Bundestagsabgeordneten Annalena Baerbock, Agnieszka Brugger und Katja Dörner. (mit dpa)
Marine Le Pen unterstützt Frauke Petry
Mit Blick auf den Krach in der AfD hat die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen Unterstützung für die weitgehend isolierte Parteichefin Frauke Petry bekundet. „Ohne mich in die internen Debatten einzumischen, die die AfD erschüttern, mein Vertrauen geht natürlich an Frauke Petry“, schrieb die Front-National-Chefin am Montag auf ihrem offiziellen Twitter-Account. „Ich kenne ihren persönlichen Wert und ihre untadelige politische Linie“, so Le Pen weiter.
Die Pressestimmen zur Bundestagswahl
„Dies ist eine sehr deutsche Protestwahl: eine gefahrlose. (...) Diese Wahl ist keine Zeitenwende. Frau Merkels ideenlose Kontrolle über die deutsche Politik ist immer noch stark. Aber in Deutschland dämmert die Merkel-Ära nun ihrem Ende entgegen – man kann es die Merkeldämmerung nennen", schreibt das Wall Street Journal zur Bundestagswahl.
Die linksliberale Madrider Zeitung El País sieht im Einzug der AfD in den deutschen Bundestag „traurige Zeiten“ für Europa und schreibt weiter: Nun müssen die deutschen Demokraten sicherstellen, dass die fremden- und europafeindliche Alternative, die die AfD darstellt, weder die Politik noch die Werte des Landes verändert.“ Lesen Sie hier weitere Stimmen zum Wahlergebnis.
Frauke Petry hat die AfD kalt erwischt
Gerade erst hat die AfD bei der Wahl triumphiert, da wird sie von der eigenen Vorsitzenden überrascht: Frauke Petry möchte der künftigen Bundestagsfraktion nicht angehören. Was ist ihr Kalkül? Eine Analyse.
Meuthen fordert Petry zu Austritt aus der AfD auf
Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen hat seine Ko-Chefin Frauke Petry zum Austritt aus der Partei aufgefordert. Damit könne Petry "ein mögliches Parteiausschlussverfahren verkürzen", sagte Meuthen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Er reagierte damit auf die Ankündigung Petrys, sie wolle nicht der neuen AfD-Fraktion im Bundestag angehören, sondern als Einzelabgeordnete im Parlament sitzen.
"Ich würde Frau Petry empfehlen - nach dem, was sie heute getan hat - die Konsequenz zu ziehen und die Partei zu verlassen und ihr Parteiamt niederzulegen", sagte Meuthen dazu weiter. Er warf Petry eine "ausgeprägt machtpolitische Attitüde" vor. Mit ihrem Verhalten habe die AfD-Chefin gezeigt, "dass sie keine Teamplayerin ist". Möglicherweise werde Petry nun versuchen eine eigene Fraktion zu gründen, was ihr aber nicht gelingen werde.
Zuvor hatten bereits andere AfD-Politiker Petry zum Parteiaustritt aufgefordert. Die rechtspopulistische AfD war bei der Bundestagswahl am Sonntag mit 12,6 Prozent der Stimmen drittstärkste Kraft geworden. Petry gewann in Sachsen ein Direktmandat.
"Mutti ist zur Mutter der AfD geworden"
Und was sagt die internationale Presse zu Merkels Niederlage und dem Erfolg der AfD? "Ihre Migrationspolitik verbunden mit der Allianz mit der SPD hat der extremen Rechten dieses Ergebnis geschenkt", schreibt zum Beispiel die französische Zeitung "Le Figaro". "Mutti ist zur Mutter der AfD geworden." Die englische "Times" sieht es verhältnismäßig gelassen: „Der Einzug der AfD in den Bundestag stellt zwar keine unmittelbare Gefahr dar, denn alle anderen Parteien weigern sich, mit ihr eine Regierung zu bilden. Aber sie wird mit ständigem Gezeter ein härteres Vorgehen gegen Migranten einfordern.“
Mehr Pressestimmen aus dem Ausland finden Sie hier:
Dijsselbloem sieht keinen deutschen Kurswechsel in Griechenland-Frage
Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem erwartet nach der Bundestagswahl keinen Kurswechsel Deutschlands in der Griechenland-Politik. "Ich würde mal raten, dass sich an der deutschen Position nichts ändern wird", sagte Dijsselbloem am Montag in Athen nach einem Treffen mit seinem griechischen Kollegen Euklid Tsakalotos in Athen.
Nach der Bundestagswahl ist ein sogenanntes Jamaika-Bündnis unter Beteiligung der FDP wahrscheinlich geworden. Die liberale Partei steht für einen härteren Kurs gegenüber potenziell angeschlagenen Euro-Staaten. (Reuters)
CSU-Ortsverband fordert Seehofer zum Rücktritt auf
In Bayern hat nach der Bundestagswahl ein erster Ortsverband der CSU den Rücktritt von Parteichef Horst Seehofer gefordert. Der Vorsitzende des Ortsverbands Großhabersdorf in Mittelfranken, Thomas Zehmeister, forderte im Namen des Ortsvorstands in einer Erklärung Seehofer dazu auf, "mit sofortiger Wirkung sein Amt als CSU-Parteivorsitzender niederzulegen um den Weg für einen personellen Neuanfang frei zu machen".
Seehofer habe das "historisch katastrophale Abschneiden" der CSU persönlich zu verantworten. Das Absacken gerade in größeren Städten auf teilweise unter 30 Prozent, aber auch die Einbrüche auf dem Land erlaubten kein Weiter so. Die CSU hatte bei der Wahl am Sonntag nur noch 38,8 Prozent der Stimmen erreicht, ein minus von 10,5 Prozentpunkten. (mit AFP)
Kommentar: Die neue Opposition wird ein chaotischer Hühnerhaufen
Die Parteien der - nach aktuellem Stand - neuen Opposition verbindet nichts außer dem Schicksal, Opposition zu sein. Für alle gilt: Auch die Gegner des Gegners sind Gegner. Ein Kommentar von Malte Lehming.
Siemens-Chef Kaeser: Eliten haben versagt
Die Börse reagierte gelassen auf das Ergebnis der Bundestagswahl, aber das Abschneiden der AfD macht Firmenbossen und Verbänden zu schaffen. „Das zweistellige Ergebnis für eine solche Protestpartei ist aus meiner Sicht schockierend. Es wird unser Land verändern und die demokratische Stabilität auf die Probe stellen“, sagte VW-Chef Michael Müller.
„Der Wahlausgang macht die Regierungsbildung nicht leicht“, räumte DIHK-Präsident Eric Schweitzer ein. „Wir brauchen in diesen Tagen eine stabile Regierung.“ Siemens-Chef Kaeser sprach von einer "Niederlage der Eliten". Ein Überblick.
Meinungsforscher: Kritik an AfD hat die Partei gestärkt
Nach Ansicht von Meinungsforschern hat die scharfe Kritik der Parteien an der AfD zum starken Abschneiden der Rechtsradikalen bei der Bundestagswahl beigetragen. „Wenn ich unisono in den Medien und unisono von der CSU bis zur Linken die AfD als Partei und einzelne Repräsentanten in die Nazi-Ecke stelle, stelle ich jeden, der auf der Wählerebene locker mit der AfD sympathisiert, auch in diese Ecke“, sagte Matthias Jung, Vorstandsmitglied bei der Forschungsgruppe Wahlen, am Montag. Diese AfD-Sympathisanten fühlten sich dann ungerecht behandelt.
Ein weiterer Vorteil für die AfD sei gewesen, „dass plötzlich die Themen von 2015 wieder aktualisiert wurden“, erklärte die Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach, Renate Köcher. Das Thema Flüchtlinge sei im Wahlkampf lange „eines unter mehreren gewesen“, sagte Peter Matuschek vom Institut Forsa. Das habe sich aber in den letzten Wochen vor der Wahl geändert - zum Vorteil für die AfD.
Nach Angaben von Infratest dimap sind fast eine Million Wähler von CDU und CSU zur AfD abgewandert, 470 000 von der SPD. Den größten Anteil der AfD-Wähler hätten die Nichtwähler mit rund 1,2 Millionen ausgemacht. (dpa)
Herrmann bleibt erstmal Innenminister
Joachim Herrmann: "Ich befinde mich hier in ungekündigter Stellung und werde mit voller Kraft meinen Aufgaben als Innenminister in Bayern nachgehen."
Horst Seehofer macht nochmal den Fahrplan klar: Erstmal kommen die Gespräche zur Standortbestimmung zwischen CSU und CDU, dann Sondierungsgespräche mit möglichen Koalitionspartnern, die entsprechenden Parteitage und dann am Ende diese Prozesses mögliche Personaldebatten. "Bis dahin" bleibe Herrmann Innenminister in Bayern.
Canan Bayram: "Ich wähle Jamaika-Koalition nicht"
Die Kreuzberger Grünen-Kandidatin Canan Bayram will eine mögliche Jamaika-Koalition nicht unterstützen. "Ich sehe nicht, welche Parallelen wir mit der CSU oder der FDP haben", sagt sie.
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