
© ARD
Nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern: Söder fordert "Wir ändern das" statt "Wir schaffen das"
Die CSU dringt auf einen Kurswechsel von Kanzlerin Merkel. Die CDU-Chefin übernimmt Mitverantwortung für die Wahlschlappe, verteidigt aber ihre Linie. Der Tag zum Nachlesen im Liveblog.
Stand:
Die AfD kommt in Mecklenburg-Vorpommern auf Anhieb auf über 20 Prozent und wird zweitstärkste Kraft. Unseren Liveblog vom Wahltag können Sie hier nachlesen. Alle Parteien debattieren nun, wie mit den Rechtspopulisten umzugehen ist. Auch in Berlin sehen Umfragen die AfD im zweistelligen Bereich. Einen Überblick über Umfragen, Wahl-O-Mat, Bezirk-O-Mat und die wichtigsten Themen zur Berlin-Wahl finden Sie hier auf unserer Sonderseite. Der Tag nach der Wahl in Meck-Pomm im Liveblog.
Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.
(mit dpa, AFP, rtr, epd, KNA)
Das war der Tag nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern ...
Söder fordert Kurswechsel von Merkel
Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) hat nach der Kritik seines Parteichefs Horst Seehofer an der Kanzlerin noch einmal kräftig nachgelegt. "Diese Wahl ist doch ein Weckruf, ein klares Signal", sagte Söder zum Debakel der CDU und dem Erfolg der AfD in Mecklenburg-Vorpommern in den ARD-"Tagesthemen".
"Es ist eine Serie von Wahlen, in denen die Menschen ihre Unsicherheit ausdrücken, auch ihre Unzufriedenheit, und sich einen Kurswechsel wünschen", sagte Söder weiter. Der Kurs der CDU weiter nach links habe rechts viel Raum gelassen, so dass sich viele Menschen nicht mehr angesprochen fühlten.
Söder verlangte ein Umdenken bei der Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik: "Aus einem 'Wir schaffen das' sollte eher ein 'Wir haben verstanden und wir ändern das' werden."
Die Deutschen wollten gerne helfen, aber sie wollten keine unkontrollierte Zuwanderung. "Wir dürfen das deutsche Volk nicht ignorieren", sagte Söder.
Es gehe nicht darum, "Stück für Stück" nachzubessern, sondern es brauche einen klaren Plan.
Söder sagte, die CSU werde in den kommenden Wochen mit der CDU über den richtigen Kurs diskutieren. "Wir wollen mit der deutschen Bevölkerung etwas verändern und auch mit der CDU", sagte der CSU-Politiker. Ohne die CSU wäre die Lage noch bedrohlicher und schwieriger.
SPD lädt CDU und Linke zu Gesprächen ein
Die SPD in Mecklenburg-Vorpommern drückt nach ihrem Wahlsieg am Sonntag bei der Suche nach einem Koalitionspartner aufs Tempo. Sowohl mit der CDU als auch mit der Linken sollen die Möglichkeiten für ein Regierungsbündnis rasch erörtert werden. "Die Einladungen zu den Sondierungsgesprächen gehen jetzt raus. Unser Ziel ist es, noch vor dem Wochenende das erste Mal zusammenzukommen", sagte SPD-Landeschef und Ministerpräsident Erwin Sellering am Montag nach einer Vorstandssitzung in Güstrow. Seinen Angaben zufolge fiel die Entscheidung, mit beiden Parteien zu reden, einstimmig.
Seehofer verlangt rasch "eine klare Orientierung"
Das schlechte Abschneiden der CDU bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern löst Streit in der Union aus. CSU-Chef Horst Seehofer kritisierte die Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag heftig. "Die Lage für die Union ist höchst bedrohlich", sagte Seehofer der "Süddeutschen Zeitung". Die Menschen wollten "diese Berliner Politik nicht".
Seine "mehrfache Aufforderung zur Kurskorrektur" in der Flüchtlingspolitik sei nicht aufgenommen worden, sagte Seehofer weiter. Das "desaströse" Wahlergebnis sei eine Folge davon.
Seehofer sagte, das Ergebnis in Mecklenburg-Vorpommern sei "die Fortsetzung von desaströsen Wahlergebnissen" der CDU. Nach seiner Ansicht ist die Flüchtlingspolitik "nur ein Ventil, die Problematik liegt wesentlich tiefer". Er sei überzeugt, "dass dahinter eine Systemkritik steckt".
Seehofer warf der CDU-Spitze vor, den Ausgang der Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz falsch analysiert zu haben. Darin liege der "Keim der Ursachen für das jetzige Ergebnis". Die beiden Wahlsieger Malu Dreyer (SPD) und Winfried Kretschmann (Grüne) hatten die Politik der Kanzlerin verteidigt. Die CDU sah darin eine Bestätigung für Merkel, obwohl die CDU bei beiden Wahlen Verluste hatte.
"Wir brauchen inhaltlich eine klare Orientierung: Steuern, innere Sicherheit, Rente, Zuwanderung - spätestens September, Oktober muss eine Klärung her", sagte Seehofer nun. Die CSU wolle diese bereits bei ihrer Vorstandsklausur am Wochenende geben - "dann müssen wir sehen, ob wir uns einigen können mit der CDU".

Keine offene Kritik an Merkel in Unionsfraktion
In der Unionsfraktion hat es ungeachtet des Erfolgs der rechtspopulistischen AfD bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern keine offene Kritik an der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gegeben. Zwar sei die Stimmung der Abgeordneten von CDU und CSU gedämpft gewesen, hieß es am Montag aus Teilnehmerkreisen. Es habe eine ruhige Diskussion und kein "Scherbengericht" für Merkel gegeben. Fraktionschef Volker Kauder (CDU) habe auch angesichts der Forderungen aus der CSU nach einer Kurskorrektur den Zusammenhalt der Union angemahnt. Merkel nahm an der Sitzung nicht teil, sie war auf der Rückreise vom G20-Gipfel in China.
Oppermann plädiert für "vernünftige Flüchtlingspolitik"
Die SPD hat nach dem starken Abschneiden der AfD bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern eine "vernünftige Flüchtlingspolitik" angemahnt. Wenn jeder vierte Wähler sein Kreuz bei einer Partei rechts von der CDU mache, hätten offenkundig alle Parteien etwas falsch gemacht, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann in Berlin.
Viele Menschen seien verunsichert. Sie hätten Angst vor Kriminalität und Terroranschlägen sowie einer Verschlechterung ihrer sozialen Situation. "Wir müssen uns voll darauf konzentrieren, für soziale und öffentliche Sicherheit in Deutschland zu sorgen", sagte Oppermann. Die Aufnahme von Flüchtlingen müsse in geordnete Bahnen überführt werden: "Nur, wenn uns diese Dinge gelingen, können wir den Rechtspopulisten das Wasser abgraben."
Es muss nach den Worten Oppermanns alles getan werden, damit sich die AfD nicht weiter ausbreiten könne. Wenn eine Partei, die aus dem Stand mit fast 21 Prozent ins Parlament einziehe, Stimmung gegen Flüchtlinge, Ausländer und Einwanderer mache - gefährde das den inneren Frieden. Es gehe nicht um irgendwelche Außenseiter.
Es sind nicht nur die Flüchtlinge
Die Flüchtlingskrise stand nicht ganz vorn auf der Agenda der Wähler in Mecklenburg-Vorpommern, sondern es waren die Jobs, schreibt mein Kollege Albert Funk. Auch wenn die AfD vor allem mit Stimmungsmache gegen Flüchtlingsaufnahme und die Kanzlerin Stimmung machte, haben auch überproportional viele Bürger die Rechtspopulisten gewählt. Lesen Sie hier seine Analyse zur Landtagswahl.
SPD will Montagabend entscheiden, mit wem sie wann über Koalition verhandelt
Sowohl die CDU als auch die Linkspartei haben sich am Montag zu Koalitionsverhandlungen mit der SPD bereit erklärt. "Opposition ist Mist", sagte die stellvertretende CDU-Landesvorsitzende Uta-Maria Kuder - den früheren SPD-Bundeschef Franz Müntefering zitierend - in Schwerin. Als zweite Oppositionskraft hinter der AfD wäre es für die CDU "noch schwieriger" als in einer Koalition mit der SPD.
Allerdings stehe die Partei nicht für eine Koalition "um jeden Preis" zur Verfügung, sagte Kuder. Die CDU werde zu ihrem Wahlergebnis, dem schlechtesten seit 1990, "Überlegungen in alle Richtungen anstellen". Sie glaube jedoch nicht, dass die CDU mit einem anderen Spitzenkandidaten als Innenminister Lorenz Caffier ein anderes Ergebnis erzielt hätte, sagte Kuder. Der Wahlkampf sei vom bundespolitischen Flüchtlingsthema dominiert gewesen.
Peter Ritter, stellvertretender Landeschef der Linkspartei, betonte, er habe sich seit langem dafür stark gemacht, seine Partei "wieder in Regierungsverantwortung zu bringen". In Mecklenburg-Vorpommern gab es zwischen 1998 und 2006 die bundesweit erste SPD/PDS-Koalition.
Mit der "dramatischen Wahlniederlage" im Rücken sei es jedoch nicht an der Linkspartei, dafür jetzt schon Bedingungen an die SPD zu stellen, sagte Ritter. Seine Partei warte auf ein Gesprächsangebot der SPD. Mit Blick auf die Verluste für alle bislang im Landtag vertretenen Parteien und den hohen Zuspruch für die AfD sprach Ritter von einem "Demokratiedefizit", dass es aufzuarbeiten gelte.
Der stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Christian Pegel kündigte an, der Landesvorstand werde am Montagabend darüber entscheiden, wann und mit welchen Parteien Koalitionsmöglichkeiten ausgelotet werden sollten. Laut Pegel kommen dafür grundsätzlich alle demokratischen Parteien infrage, realistisch seien Gesprächsangebote sowohl an die CDU als auch an die Linkspartei.
Pegel sagte zudem, dass die AfD "mit Sicherheit keine rechtsextreme Partei" sei. Sie "kokettiert häufig mit dem rechten Rand" - und er verlange, dass die AfD "eine deutliche Abgrenzung herstellt".
Demokratie in der Krise?
Die Grünen-Spitzenkandidatin in Mecklenburg-Vorpommern, Silke Gajek, sagte am Montag: "Ich glaube, dass wir in einer Demokratiekrise stecken." Bei der Wahl hätten alle Parteien verloren, die sich im Landtag für eine an Lösungen orientierte Politik eingesetzt hätten.
Die Grünen haben den Wiedereinzug in den Schweriner Landtag am Sonntag knapp verpasst.
CSU: "Unser Ziel ist, dass Deutschland Deutschland bleibt"
CSU-Chef Horst Seehofer hat mit der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel über das schlechte Abschneiden der Christdemokraten bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern telefoniert. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer bestätigte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP am Montag das Gespräch, ohne auf weitere Inhalte eingehen zu wollen. Scheuer kündigte aber an, dass Seehofer beim für Sonntag geplanten Spitzentreffen der großen Koalition in Berlin "sehr klar" die Positionen der CSU vertreten werde.
"Es kann ja keiner mit dem Ergebnis in Mecklenburg-Vorpommern zufrieden sein, weder die SPD noch die CDU", sagte Scheuer. Die große Koalition leide aus Sicht der CSU nicht an einer Schwäche ihrer bisherigen Bilanz. "Aber an einem Punkt emotionalisiert sich die Debatte zusehends im Land, das muss die Politik aufnehmen", forderte er mit Blick auf die Flüchtlingskrise.
Scheuer kündigte an, dass sich die CSU bei ihrer am Freitag beginnenden Vorstandsklausur auch intensiv mit dem Wahlergebnis und den nötigen Konsequenzen auseinandersetzen werde. Seine Partei werde "sehr intensiv" daran arbeiten, wie sie ihre Grundposition noch intensiver in Berlin formulieren könne. Nun müssten in Berlin Taten und Ergebnisse folgen. "Wir müssen den Bürgern verständlich sagen, dass es unser Ziel ist, dass Deutschland Deutschland bleibt."
Angela Merkel: "Ich halte die Entscheidungen für richtig"
Angela Merkel äußert sich am Rand des G-20-Gipfels zum Wahlausgang. "Ich bin sehr unzufrieden mit dem Ausgang. Das ist besonders bedauerlich, weil CDU dafür gesorgt hat Land voran gekommen ist." Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass viele Menschen nicht Vertrauen in Lösungskompetenz der Bundesregierung hätten. "Wir müssen Vertrauen zurückgewinnen. Das kann nur so gelingen, dass wir zeigen, wie wir Probleme lösen können."
Merkel sieht auch eigene Verantwortung für Wahlausgang. "Natürlich bin ich auch verantwortlich. Aber ich halte die grundlegenden Entscheidungen, wie sie in den vergangenen Monaten getroffen wurden, für richtig." Man müsse überlegen, wie Vertrauen zurückzugewinnen sei. "Vorne dran natürlich ich."Wie sehen Sie die Zukunft der AfD?
Steinbach: Vertrauen in Merkel tief erschüttert
Die CDU-Abgeordnete Erika Steinbach führt das schlechte Abschneiden der CDU bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern auf schwindendes Vertrauen der Wähler in Bundeskanzlerin Angela Merkel zurück. "Das Vertrauen der Menschen in die Kanzlerin ist wegen der Flüchtlingspolitik tief erschüttert", sagte Steinbach dem "Tagesspiegel". Es sei schwer einzuschätzen, ob es der CDU bis zur Bundestagswahl gelingen könne, "den Vertrauensverlust wieder wett zu machen", fügte Steinbach hinzu.
Meuthen will gerne schon nach der Bundestagswahl mitregieren
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: