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Dauerhafte Grenzkontrollen?: Merz hält sie für umsetzbar – Kritik aus Innenministerium und Österreich
Österreichs Kanzler Schallenberg pocht darauf, dass die Regeln für den Schengen-Raum eingehalten werden. Er ist nicht der einzige, dem die Pläne von CDU-Chef Merz nicht gefallen.
Stand:
Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz hält dauerhafte Kontrollen an allen deutschen Grenzen und deutlich mehr Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber für praktisch umsetzbar. „Die deutsche Bundespolizei hat ein sicheres Gespür dafür, wen sie rauswinken muss und wen nicht“, sagte der CDU-Vorsitzende in Berlin nach Sitzungen der CDU-Spitzengremien. Der Grenzverkehr funktioniere dann weitestgehend störungsfrei.
Merz forderte erneut mehr Abschiebungen ausreisepflichtiger Asylbewerber. Dies dürfe nicht daran scheitern, dass es derzeit nicht die nötige Infrastruktur gebe, um sie in Gewahrsam zu nehmen. Unterbringungsmöglichkeiten müssten so schnell wie möglich geschaffen werden, und dies könne auch keine Kosten-Nutzen-Rechnung werden.
„Jeder ausreisepflichtige Asylbewerber, der in Deutschland Menschen umbringt, kostet unser Land mehr als jede Bemühung um die Unterbringung in Ausreisegewahrsam dieser Asylbewerber“, sagte Merz. Möglich seien Containerbauten, es gebe außerdem leerstehende Kasernen.
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Österreichs Kanzler kritisiert Merz’ Pläne
Merz’ Pläne werden im Nachbarstaat Österreich kritisch gesehen. Er freue sich, dass in Deutschland in der Migrationspolitik ein Umdenken stattfinde, sagte der geschäftsführende österreichische Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) am Rande eines EU-Treffens in Brüssel.
Gleichzeitig müssten aber die Regeln für den grenzkontrollfreien Schengen-Raum einhalten werden. „Wir brauchen – das wissen wir alle – gemeinsame Lösungen“, sagte er. „Wenn jeder von uns jetzt einzeln einfach die Zugbrücken hochzieht, dann sind wir alle ärmer und keiner ist sicherer.“
Mit Blick auf die Frage, ob Österreich von Deutschland an der Grenze abgewiesene Schutzsuchende zurücknehmen würde, verwies Schallenberg ebenfalls auf die geltenden Regeln für den Schengen-Raum. Diese sehen vor, dass erst einmal geprüft werden müsste, wo die betreffende Person in die EU eingereist ist. Erst dann kann ein EU-Staat einen Schutzsuchenden in den so ermittelten anderen EU-Staat schicken.
Innenministerium warnt vor Konfrontation mit Nachbarstaaten
Das Bundesinnenministerium hält umfassende Zurückweisungen an den deutschen Grenzen für kontraproduktiv und europarechtlich nicht machbar. „Das geht aus Sicht der Bundesregierung nicht“, sagte Ministeriumssprecher Maximilian Kall.
Erstens würde es die Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten aufs Spiel setzen. Zweitens könne sich Deutschland gegenüber der Europäischen Union nicht, wie von der CDU/CSU behauptet, auf eine außergewöhnliche Notlage berufen. Denn dafür müsse eine schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nachgewiesen werden. Im vergangenen Jahr seien aber deutlich weniger Asylgesuche in Deutschland gestellt worden als in den Vorjahren.
„Auch das, was es im Moment schon an Zurückweisungen gibt, würde man riskieren durch ein solches konfrontatives Vorgehen gegen unsere Mitgliedstaaten“, sagte der Sprecher des Bundesinnenministeriums. Die Kooperation mit den Nachbarstaaten – etwa gemeinsame Streifen – wären durch einen solchen nationalen Alleingang gefährdet.
Da Regierungsvertreter aus Nachbarländern wie Österreich und Polen bereits angekündigt hätten, sich gegen umfassende Zurückweisungen Deutschlands sperren zu wollen, hätte ein solches Vorgehen auch nicht den beabsichtigten Effekt, da eine lückenlose Grenzkontrolle nicht möglich sei.
Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kritisierte die Pläne des CDU-Chefs. Merz wolle „Europarecht brechen und einen Zaun um Deutschland bauen“, sagte sie am Montag am Rande eines EU-Außenministertreffens in Brüssel auf die Frage nach den Migrationsplänen des CDU-Chefs. „Wenn wir damit anfangen, dann geht Europa kaputt“, warnte Baerbock.
Die Union wolle „Deutschland komplett abriegeln“, sagte Baerbock, ohne Merz namentlich zu nennen. Das behindere den täglichen wirtschaftlichen Pendelverkehr in die Nachbarländer. „Zäune oder Mauern“ zu bauen sei nach ihrer Überzeugung keine Idee, die über den Wahlkampf hinausreichen könne. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (ebenfalls Grüne) warf Merz am Rande eines Agrarministertreffens in Brüssel vor, damit die „Büchse der Pandora“ zu öffnen.
Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Günter Krings, sagte dagegen: „Wir hätten diese Anträge nicht gestellt, wenn wir Zweifel gehabt hätten, dass wir hier gegen Europarecht oder Verfassungsrecht verstoßen.“
Frankreichs Rechtspopulist Bardella begrüßt Pläne
Frankreichs rechtspopulistischer Parteichef Jordan Bardella hat die Grenzkontrollpläne von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) begrüßt. „Ich freue mich, dass die deutsche Gesellschaft heute erkennt, dass die massive Einwanderungspolitik, die Bundeskanzlerin Angela Merkel jahrelang verfolgt hat, die großen Gleichgewichte einer Gesellschaft erschüttert, die ihre Identität und Sicherheit schützen will“, sagte Bardella am Montag in Paris. Diese Entwicklung erkläre auch den Aufstieg der AfD in Deutschland, fügte er hinzu.
Verschärfte Kontrollen an der deutsch-französischen Grenze halte er für umsetzbar, sagte Bardella. „Einwanderung kontrollieren, das bedeutet nicht, Grenzpendler zu behindern“, fügte er hinzu. „Die Passagen für illegale Einwanderung sind auch nicht rund um Straßburg, sondern zwischen Frankreich und Italien, auf der Insel Lampedusa und zwischen Griechenland und der Türkei.“
Merz will Gesetzentwurf zur Migrationspolitik vorlegen
Die Union will diese Woche mehrere Vorschläge im Bundestag zur Abstimmung stellen. Dabei geht es unter anderem um umfassende Zurückweisungen und mehr Befugnisse für die Bundespolizei. In einem der Anträge heißt es, wer nicht freiwillig ausreise oder abgeschoben werden könne, solle in unbefristeten Ausreisearrest genommen werden können.
CDU-Chef Merz erklärte am Montag weiterhin, dass er diese Woche neben zwei Anträgen auch einen Gesetzentwurf zur Migrationspolitik im Bundestag vorlegen und dann auch zur Abstimmung stellen wolle. „Es ist jetzt wirklich Zeit, Entscheidungen zu treffen“, hob er hervor.
Merz bekräftigte erneut, dass er im Bundestag auch eine Mehrheit mittels Stimmen der AfD in Kauf nehmen würde: „Was in der Sache richtig ist, wird nicht falsch dadurch, dass die Falschen zustimmen“, sagte er.
Allerdings forderte der CDU-Chef auch erneut SPD, Grüne und FDP auf, den Unionsanträgen zuzustimmen. Es liege an ihnen, „zu verhindern, dass es Mehrheiten gibt, die keiner von uns will“. Er suche von sich aus „keine anderen Mehrheiten im Bundestag“, versicherte Merz.
Um den Gesetzentwurf beschleunigt durch den Bundestag zu bekommen, plant die Union auch einen Beschluss nach Paragraf 81 der Geschäftsordnung des Parlaments. Dadurch entfällt die übliche und zeitaufwendige Beratung in den Ausschüssen. Nötig dafür wäre aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. (dpa, AFP)
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