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Briten feiern vor einer Statue Winston Churchills in London den Brexit.

© REUTERS

Mit aller Macht gegen die EU: Boris Johnson schwört Großbritannien auf harte Verhandlungen ein

Die Handelsgespräche zwischen Brüssel und London beginnen erst im März. Aber schon jetzt rüsten beide Seiten rhetorisch auf.

Am Tag zwei nach dem britischen Austritt aus der EU ist die britische Regierung wieder in den Kampfmodus übergangen. Von der Jubelfeier der Brexit-Partei um Nigel Farage, mit der die Austrittsfans in der Nacht zum Samstag in London das neue Zeitalter nach dem Brexit lauthals begrüßten, hatten der britische Premierminister Boris Johnson und seine Kabinettsmitglieder noch bewusst Abstand gehalten.

Aber am Sonntag gab Außenminister Dominic Raab mehrere Interviews, in denen er vor allem eines zu verstehen gab: Großbritannien will in den bevorstehenden Verhandlungen mit der EU über ein Freihandelsabkommen kein einfacher Partner sein.

Streit um Kontrollen zwischen Nordirland und Großbritannien

Raab lobte in einem Interview mit dem Sender „Sky“ zunächst zwar die Zusammenarbeit mit Frankreich bei der Evakuierung britischer Staatsbürger aus dem chinesischen Wuhan, das im Zentrum des Ausbruchs des Coronavirus steht.

Doch dann machte er eine Kampfansage an die Adresse des Franzosen Michel Barnier. Der EU-Chefunterhändler liege „falsch“, wenn er der Ansicht sei, dass es nach dem Ende der Übergangsperiode Warenkontrollen zwischen Großbritannien und Nordirland geben müsse, so Raab.

Die Kontrollen zwischen Großbritannien und Nordirland sind Teil des Austrittsabkommen, welches den Brexit am vergangenen Wochenende überhaupt erst möglich gemacht hat. Dass nun offenbar zwischen London und Brüssel ein Dissens über die Auslegung der Nordirland-Regelung besteht, ist kein gutes Omen für das nächste Abkommen, welches beide Seiten nach dem Austrittsvertrag aushandeln müssen: den Freihandelsvertrag.

Bis Ende des Jahres will Johnson mit der Europäischen Union einen solchen Vertrag schließen. Welches Ziel der Premier bei den Verhandlungen ansteuern könnte, deutete Raab in dem Interview ebenfalls bereits an. Denkbar sei ein Vertrag nach dem Modell des EU-Abkommens mit Kanada oder eine etwas losere Handelsverbindung, wie sie zwischen der Gemeinschaft und Australien besteht, sagte der Außenminister.

Ein weiterer Regierungsvertreter bestätigte der Nachrichtenagentur Reuters am Wochenende, dass Johnson die Option eines Handelsabkommens nach dem Vorbild der Vereinbarungen zwischen der EU und Australien prüfe.

Johnson will an diesem Montag seine Ziele für Handelsgespräche darlegen

An diesem Montag will Johnson in einer Rede darlegen, wie er sich die künftigen Wirtschaftsbeziehungen zum Kontinent vorstellt. Laut britischen Medien will der Regierungschef seine Landsleute auf eine harte Verhandlungslinie einschwören.

Der „Guardian“ berichtete, dass sich der Hausherr in der Downing Street nicht auf die Forderung der EU einlassen wolle, der zufolge Streitigkeiten über die Auslegung des geplanten Handelsdeals künftig vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) beigelegt werden sollen.

Nach einem Bericht des „Evening Standard“ will Johnson zudem der EU die Ansage machen, dass das Vereinigte Königreich nach dem Ende der Übergangsperiode von den geltenden EU-Bestimmungen abweichen werde.

EU will Rosinenpickerei nicht zulassen

Aus der Sicht der EU kommt allerdings die von Johnson in Großbritannien aufgebaute Erwartungshaltung, der zufolge sowohl ein Abweichen von den sich ständig weiterentwickelnden EU-Bestimmungen – etwa beim Umweltschutz – und gleichzeitig der Abschluss eines umfassenden Freihandelsabkommen ohne Zölle möglich sei, einer „Rosinenpickerei“ gleich.

Auch die EU-Kommission will am selben Tag wie Johnson Details zu den Zielen für die im März beginnenden Freihandelsgespräche veröffentlichen. EU-Chefunterhändler Barnier kündigte am Wochenende per Twitter an, dass er an diesem Montag den Entwurf des Verhandlungsmandates vorlegen werde.

Laut dem EU-Fahrplan sollen die Mitgliedstaaten das Mandat für die Verhandlungen am 25. Februar beschließen. „Eines ist klar: Das Interessen sämtlicher Mitgliedstaaten und unserer Bürger stehen an erster Stelle“, twitterte Barnier.

Aufhorchen ließ derweil ein Bericht der „Sunday Times“, dem zufolge sich britische Diplomaten bei Treffen auf internationaler Ebene künftig von ihren Kollegen aus der EU absetzen sollen. Eine entsprechende Anweisung habe Außenminister Raab erteilt, berichtete das Blatt. Raab erläuterte anschließend, dass ein solches Vorgehen für Sitzungen der Welthandelsorganisation (WTO) angebracht sein könne.

Johnson wandelt Churchill-Zitat aus dem Zweiten Weltkrieg ab

Allerdings sind derartige Ankündigungen eher als Säbelrasseln vor den Handelsgesprächen zu werten. Dass Großbritannien beispielsweise in der Iran-Politik weiterhin den Schulterschluss zu europäischen Partnern wie Deutschland und Frankreich suchen will, hatte Johnson bereits vor dem Brexit deutlich gemacht. Daran dürften auch die rhetorischen Eskapaden des Premiers am Brexit-Tag nichts ändern. Am Freitagabend hatte Johnson in seinem Amtssitz in der Downing Street erklärt: „Das ist nicht das Ende oder der Anfang des Endes; es ist der Anfang des Anfangs.“ Damit wandelte Johnson ein berühmtes Zitat des früheren Premiers Winston Churchill ab, der 1942 nach dem Sieg britischer Truppen über die deutsche Wehrmacht in Nordafrika seinen Landsleuten Mut zugesprochen hatte.

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