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Mutmaßlicher Spion beim BND: Bundespolitiker warnen vor Bedrohung durch Russland
Carsten L. soll beim Bundesnachrichtendienst für Russland spioniert haben. Die Nachricht in Zeiten des Ukraine-Krieges schreckt die Politik quer durch die Parteien auf.
Stand:
Nach der Enttarnung eines mutmaßlichen Spions für Russland beim Bundesnachrichtendienst (BND), dem deutschen Auslandsgeheimdienst, haben Politiker zur Wachsamkeit aufgerufen. „Wenn sich der Verdacht bestätigt, ist hier ein wichtiger Schlag gegen russische Spionage gelungen“, schrieb FDP-Politiker Marco Buschmann auf Twitter. Dies zeige, „wie wachsam wir sein müssen“.
Der FDP-Innenpolitiker Stephan Thomae sagte dem Tagesspiegel, es seien viele Fragen offen, die beantwortet werden müssten. „Zum Beispiel, wie lange der Verdächtige unentdeckt blieb“, sagte er. Erst wenn sie beantwortet seien, könne man bewerten „welche Schwachstellen es geben könnte“.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nannte den Fall auf Anfrage von RTL/ntv „besonders bedenklich“, gerade weil es um den BND gehe. Der CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, der Fall zeige „dass Russlands hybride Kriegsführung eine sehr aktuelle Bedrohung auch für Deutschland ist, Spionage ist zentrale Waffe in dieser militärischen Strategie“. Russland schrecke auch vor Gewalttaten in Deutschland nicht zurück.
Wir müssen sehr wachsam und entschieden vorgehen.
Nils Schmid, Außenpolitiker der SPD
SPD-Außenpolitiker Nils Schmid forderte ein entschlossenes Vorgehen gegen Russland. Moskau sehe sich seit Jahren in einem Konflikt mit dem Westen und meine, dass alle Mittel zulässig seien wie etwa die Ermordung von Oppositionellen auf deutschem Boden oder eben auch Spionage, sagte er am Freitag im Deutschlandfunk. „Und da müssen wir sehr wachsam und entschieden vorgehen.“ Der hybriden Kriegsführung Russlands müsse man „sehr viel aufmerksamer“ entgegenwirken.
Die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angesprochene Zeitenwende bedeute auch, dass die militärische Komponente der internationalen Beziehungen deutlich an Gewicht gewinne, erklärte Schmid. Nachdem man 30 Jahre lang auf Dialog mit Russland gesetzt habe, sei nun ein Politikwechsel hin zur Abschreckung gefragt.
Die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, sagte im Bayerischen Rundfunk: „Das ist ein Weckruf an alle, dass Russland keine Ausnahme macht, auch bei uns zu spionieren, um unser System, die Bundesrepublik, zu destabilisieren.“
Sicherheitsbehörden warnen seit Jahren vor Russland
Der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Wolfgang Kubicki, sagte dem „Handelsblatt“, er sehe eine Gefahr für die Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten. „Es wäre zwar nicht der erste enttarnte russische Spion in Europa in diesem Jahr, aber wenn wirklich Informationen aus dem BND nach Russland gelangen konnten, wird das die Zusammenarbeit mit unseren Partnern enorm erschweren“, sagte er.
Der Linken-Politiker André Hahn nannte es „wenig verwunderlich“, dass es in Deutschland russische Spionage gebe. Aber: „Wenn nun selbst in den Reihen des Bundesnachrichtendienstes ein Mitarbeiter für Russland spioniert haben soll, dann wäre das eine völlig neue und erschreckende Qualität“, sagte er der „Rheinischen Post“.
Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin sagte dem Tagesspiegel: „Dass Spionage passiert, sollte uns nicht überraschen. In diesem Sinn ist die Enttarnung des Spions beim BND erst einmal eine gute Nachricht, denn offenbar funktioniert die Spionageabwehr zumindest in diesem Fall. Die Fragen, welche Informationen abgeflossen sind und ob es noch weitere interne Quellen gibt, muss jetzt dringend geklärt werden. Aufgeregte Hektik wäre jetzt aber genau das Falsche.“
Die deutschen Sicherheitsbehörden warnen seit Jahren vor russischer Einflussnahme, zum Beispiel durch Desinformationskampagnen, aber auch durch Spionage. Im April war es gelungen, 40 vom Verfassungsschutz enttarnte Kreml-Spione auszuweisen. „Das waren längst nicht alle“, sagte Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang.
Der Verdächtige ist der deutsche Staatsangehörige Carsten L., er sitzt derzeit in Untersuchungshaft, der Verdacht lautet Landesverrat. Der BND hat einer Mitteilung zufolge im Rahmen seiner nachrichtendienstlichen Arbeit von dem möglichen Verratsfall erfahren und interne Ermittlungen eingeleitet. Als sich der Verdacht erhärtete, sei sofort der Generalbundesanwalt eingeschaltet worden. Der Mann soll in laut Bundesanwaltschaft in diesem Jahr Informationen an einen russischen Nachrichtendienst übermittelt haben.
Unklar ist aber beispielsweise, wie lange der Mann für den Bundesnachrichtendienst gearbeitet hat. Mit Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen will sich der BND zu Einzelheiten des Falles bis auf weiteres nicht öffentlich äußern. „Zurückhaltung und Diskretion sind in diesem besonderen Fall sehr wichtig. Mit Russland haben wir es auf der Gegenseite mit einem Akteur zu tun, mit dessen Skrupellosigkeit und Gewaltbereitschaft wir zu rechnen haben“, sagte BND-Chef Bruno Kahl.
Dass Russland schon lange bereit ist, Gewalt in Deutschland und anderen westlichen Ländern anzuwenden, zeigen Fälle wie der Auftragsmord im Kleinen Tiergarten in Berlin und der Nowitschok-Anschlag auf den russischen Ex-Agenten Sergej Skripal und seine Tochter im englischen Salisbury, den beide mit viel Glück überlebten.
Im Berliner Mordfall hatte der Russe Vadim Krasikov den Exil-Georgier Zelikhan Kangoshvili im August 2019 erschossen. Das Gericht sprach später von „Staatsterrorismus“. „Die Tat war durch in Berlin stationierte Helfer akribisch vorbereitet“, sagte der Vorsitzende Richter Olas Arnoldi bei der Urteilsbegründung im Dezember des vergangenen Jahres. (mit dpa)
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