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Nach Beschluss im Bundestag: Bundesrat lässt Teil des Sicherheitspakets durchfallen
Ein vom Bundestag zuvor beschlossenes Gesetz zu mehr Möglichkeiten für die Sicherheitsbehörden bekam im Bundesrat keine Mehrheit. Nun könnte der Vermittlungsausschuss helfen.
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Das Sicherheitspaket der Ampel-Koalition ist im Bundesrat teilweise gescheitert. In der Sitzung der Länderkammer kam die Vorlage, die den Sicherheitsbehörden erweiterte Befugnisse bei der Terrorismusbekämpfung geben soll, am Freitag nicht auf die erforderliche Mehrheit. Bundestag und Bundesregierung können dazu nun den Vermittlungsausschuss anrufen.
Den anderen Teil des Sicherheitspakets, der Verschärfungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht sowie im Waffenrecht vorsieht, ließ der Bundesrat passieren – er war nicht zustimmungspflichtig.
Der Bundestag hatte beiden Teilen des sogenannten Sicherheitspakets der Ampel-Koalition zugestimmt. In der namentlichen Abstimmungen entfielen auf die Vorlage 361 Ja-Stimmen, 290 Abgeordnete votierten mit Nein.
Der Entwurf sieht Verschärfungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht sowie im Waffenrecht vor, unter anderem sollen in bestimmten Fällen Sozialleistungen des Staats für Geflüchtete gekürzt werden.
Ungültige Abstimmung musste wiederholt werden
Die oppositionelle Unionsfraktion im Bundestag war mit dem Versuch gescheitert, die Bundesregierung zur Zurückweisung Geflüchteter an den deutschen Grenzen zu verpflichten. Ein entsprechender Antrag erhielt am Freitag in der namentlichen Abstimmung 255 Stimmen, 406 Abgeordnete stimmten dagegen.
Die Unionsfraktion zählt nur 196 Abgeordnete, es gab damit also auch Zustimmung aus anderen Fraktionen. Zu den Ampel-Abgeordneten, die eine Zustimmung zur Forderung nach Zurückweisungen angekündigt hatten, zählte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP).
Die namentliche Abstimmung musste zwischenzeitlich wiederholt werden. Bei der Auszählung sei aufgefallen, dass in die Urnen „mehrere ungültige Stimmkarten eingeworfen“ worden seien, sagte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) im Plenum. Es werde ermittelt, „wie das passieren konnte“.
Nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung sollen sich zwei Stimmkarten mit dem Namen Marie-Agnes Strack-Zimmermann in den Urnen befunden haben. Die FDP-Politikerin ist allerdings gar nicht mehr Mitglied des Bundestags, sondern sitzt im EU-Parlament.
Union wirft Scholz Wortbruch vor
In der Bundestagsdebatte über das Sicherheitspaket hat die Union Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Wortbruch in der Migrations- und Sicherheitspolitik vorgeworfen.
„Der Bundeskanzler hat sein Versprechen nicht gehalten“, sagte die CSU-Abgeordnete Andrea Lindholz mit Blick auf Scholz' Ankündigung nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten Anschlag von Solingen, die Sicherheitslage in Deutschland verbessern zu wollen. „Ihr Sicherheitspaket ist nicht die richtige Antwort auf diese Vorfälle“, sagte Lindholz.
In den Ampel-Fraktionen sorgten aber unter anderem die Verschärfungen der Asyl- und Aufenthaltsregeln sowie die geplante Verschärfung des Waffenrechts und die Ausweitung der Befugnisse für Ermittlungsbehörden für Diskussionen. Das Gesetz wurde in der Folge abgeschwächt.
Sie sind ein Sicherheitsrisiko, Sie sind sich nicht mehr einig.
Andrea Lindholz (CSU) zur Ampel
„Sie haben das ohnehin zu klein geratene Sicherheitspaket ihrer eigenen Regierung zu einem Mini-Päckchen zusammengeschrumpft, und das wird dem Thema innere Sicherheit nicht gerecht“, kritisierte Lindholz. Sie sieht den Kompromiss als Zeichen der Handlungsunfähigkeit der Bundesregierung: „Sie sind ein Sicherheitsrisiko, Sie sind sich nicht mehr einig“, sagte Lindholz und forderte die Ampel-Parteien auf, den Weg für Neuwahlen freizumachen.
Der CDU-Politiker Alexander Throm nannte das vorgelegte Sicherheitspaket „weitgehend wirkungslos“. „Was heute auf dem Tisch liegt, ist der gesetzgewordene Wortbruch des Bundeskanzlers“, sagte er. „Der Bundeskanzler, die ,Ampel’, ist alles schuldig geblieben, was sie den Menschen nach Solingen versprochen haben.„ Die Union fordert etwa Zurückweisungen an den deutschen Binnengrenzen sowie die Erweiterung der sichereren Herkunftsländer.
Brandenburgs CDU-Innenminister Michael Stübgen sprach davon, dass Teile des Pakets „reine Symbolpolitik“ seien. Brandenburg, wo bis zur Bildung einer neuen Regierung nach der Wahl im September eine Koalition aus SPD, CDU und Grünen regiert, enthielt sich in der Länderkammer beim Gesetz zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung. Die sogenannte Kenia-Koalition hat für Fälle, in denen sie sich nicht einig ist, Enthaltung vereinbart.
„Das Sicherheitspaket der Ampel wird seinem Namen nicht gerecht“, kritisierte Stübgen, der auch den Vorsitz der Innenministerkonferenz innehat. Auf große Ankündigungen folgten nur kleine Regelungen. „Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es den Ampelparteien nur um ein paar Schlagzeilen im Wahlkampf in Ostdeutschland ging. Verbesserungen für die Sicherheit der Bürger wären dringend notwendig, aber mit der Ampel sind diese nicht zu haben. Der Frust in der Bevölkerung wird dadurch zunehmen.“
Kurz nach dem Anschlag von Solingen mit drei Toten hatte Bundeskanzler Scholz angekündigt: „Alles, was in unserer Macht, in unseren Möglichkeiten liegt, muss auch getan werden.“ Die irreguläre Migration müsse begrenzt werden, sagte Scholz. „Sie ist zu hoch.“
Ampel-Abgeordnete antworten auf Wortbruch-Vorwurf
Abgeordnete der Ampel-Parteien verteidigten das Sicherheitspaket in der Debatte. „Was jetzt auf dem Tisch liegt, macht unser Land sicherer“, sagte der SPD-Politiker Dirk Wiese. Die Änderungen im parlamentarischen Verfahren hätten das Gesetz „rechtssicherer“ gemacht.
Konstantin von Notz (Grüne) betonte, die Ampel-Fraktionen hätten im parlamentarischen Verfahren „an vielen großen und kleinen Schrauben gedreht, damit ein Gesetz entsteht, das in Karlsruhe Bestand haben kann“. Das Gesetz sei nun „europa- und verfassungskonformer“ als der ursprüngliche Regierungsentwurf.
Mit Blick auf die Union sagte von Notz: „Wer wie CDU/CSU die Binnengrenzen dichtmachen will, um pauschal zurückzuweisen, der zerstört Vertrauen und Solidarität und der gefährdet Europa im Kern.“
Der FDP-Politiker Konstantin Kuhle verwies darauf, dass insbesondere die Verschärfung des Waffenrechts ihm und „vielen anderen aus meiner Fraktion nicht leicht gefallen“ seien. Zudem teile die FDP einige Forderungen der Union, etwa mehr Befugnisse für die Bundespolizei.
„Das heutige Sicherheitspaket ist nicht genug“, sagte er, warb aber gleichwohl um Zustimmung: „Wenn konkrete Vorschläge auf dem Tisch liegen, muss man auch springen.“ Alle geplanten Maßnahmen seien „längst überfällig - wir sollten sie heute beschließen.“ (AFP, dpa, Tsp)
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