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SPD widerspricht: Klingbeil will Scholz keinen Verzicht auf Kanzlerkandidatur nahegelegt haben
Nach dem Ampel-Aus stritt die SPD tagelang über die künftige Führung. Recherchen von Tagesspiegel und „t-online“ zeigen: Die SPD-Spitze wäre lieber mit Boris Pistorius angetreten. Die Partei widerspricht.
Einer gemeinsamen Recherche von Tagesspiegel und „t-online“ zufolge soll SPD-Chef Lars Klingbeil Bundeskanzler Olaf Scholz wiederholt nahegelegt haben, auf eine erneute Kanzlerkandidatur zu verzichten. Nach übereinstimmenden Angaben mehrerer Quellen innerhalb der SPD und in deren Umfeld wurde Klingbeil deshalb mindestens zweimal bei Scholz vorstellig.
Klingbeil trug damit offenbar den Bedenken der engeren SPD-Führung sowie mächtiger SPD-Landesverbände Rechnung, die nach dem Bruch der Ampel-Koalition im November 2024 angesichts schlechter Umfragewerte des Kanzlers intern für eine Kandidatur von Verteidigungsminister Boris Pistorius als beliebtestem deutschen Politiker plädierten.
Nach Informationen von Tagesspiegel und „t-online“ aus der SPD-Führung waren damals neben Klingbeil auch dessen Co-Vorsitzende Saskia Esken sowie SPD-Generalsekretär Matthias Miersch zu der Überzeugung gelangt, dass mit Scholz als Kanzlerkandidat die vorgezogene Bundestagswahl kaum zu gewinnen sei. Scholz beharrte in den Gesprächen mit dem SPD-Vorsitzenden jedoch auf seinem Anspruch.
Klingbeil sagte der „Bild“ am Mittwochabend: „Diese Berichte sind falsch. Ich habe mit dem Kanzler ein Vertrauensverhältnis. Wir reden über alles, wir reden über alles offen. Es gab eine öffentliche Debatte, und da haben wir natürlich miteinander gesprochen. Aber der Gedanke, dass ich versucht hätte, ihn da abzubringen von der Kanzlerkandidatur, das ist wirklich etwas, was ich mit aller Klarheit dementieren kann.“
Auch Scholz wies die Darstellung zurück: „Nein, ein solches Gespräch hat es nie gegeben“, sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Er fügte hinzu: „Und ich müsste es ja wissen.“
Nach dem Bruch der Ampel-Koalition am 6. November 2024 hatte die SPD-Führung darauf verzichtet, Scholz sogleich zum Kanzlerkandidaten auszurufen. Daraufhin kam es zu einer tagelangen, teils öffentlichen Debatte über die Eignung von Scholz. Mehrere SPD-Politiker sprachen sich damals direkt oder indirekt für Pistorius als Kanzlerkandidaten aus.
Der Kanzleramtsminister und Scholz-Vertraute Wolfgang Schmidt soll sich in dieser Phase im Kanzleramt höchst verärgert über die SPD-Führung gezeigt haben, wie Kanzleramtsmitarbeiter gegenüber dem Tagesspiegel berichteten. Im Amt wurde damals auch kolportiert, Schmidt wolle einen Wahlkampf mit Pistorius an der Spitze der SPD aus dem Amt heraus behindern. Schmidt selbst wies die Darstellung als „hanebüchenen Unsinn“ zurück.
Angesichts einer drohenden Niederlage bei der Wahl in knapp drei Wochen wächst die Nervosität in der SPD. Bis in die Parteispitze hinein wird für den Fall einer schweren Wahlschlappe mit einer internen Debatte darüber gerechnet, warum eine Kandidatur von Scholz nicht verhindert worden sei.
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