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Nach Streit um Richterwahl: Merz will in der Koalition kommunikativ und handwerklich „nachjustieren“
Kanzler Merz sieht die Koalition trotz des Richterwahl-Desasters nicht beschädigt. Er wolle die Neuwahl der Verfassungsrichter nun in Ruhe besprechen und im Bundestag zu einer Lösung kommen.
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Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hält seine Koalition nach dem Streit um die gescheiterte Neuwahl von Verfassungsrichtern nicht für beschädigt. Bei einem Besuch des bayerischen Kabinetts auf der Zugspitze sagte Merz am Dienstag, in den mittlerweile zehn Wochen seiner Bundesregierung habe es zwei Themen gegeben, bei denen seine Regierung nachjustieren müsse. Kommunikativ sei die Debatte um die Stromsteuer nicht gut gelaufen, handwerklich das Thema Richterwahl.
„Das beschädigt nach meiner Auffassung die Bilanz nicht“, sagte Merz. Er werde jetzt bei der Kommunikation und der handwerklichen Vorbereitung nachjustieren. Neue Bundesregierungen hätten solche Themen immer zu Beginn erlebt, das sei nicht ungewöhnlich. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte gesagt, er halte die Regierungskoalition durch den Streit um die Richterwahl für beschädigt.
Merz sagte zur Neuwahl der Verfassungsrichter, er wolle „in Ruhe“ in der Koalition besprechen, wie das gelöst werden könne. „Mein Wunsch wäre, dass wir im Deutschen Bundestag zu Lösungen kommen und dass wir nicht den Ersatzwahlmechanismus auslösen müssen, dass der Bundesrat die Wahl vornimmt, die eigentlich der Bundestag vornehmen müsste.“ Dies sei „der wichtigste Wunsch“, den er habe.
Die Unionsfraktion hatte am Freitagmorgen kurzfristig die Absetzung der Wahl der SPD-Kandidatin Brosius-Gersdorf gefordert und dabei dabei auf Plagiatsvorwürfe verwiesen. Gegen die Juristin hatte es schon zuvor massive Vorbehalte bei CDU und CSU wegen ihrer liberalen Haltung beim Thema Abtreibung gegeben.
Brosius-Gersdorf wehrt sich gegen Vorwürfe
Brosius-Gersdorf wies die Vorwürfe mittlerweile in einer Erklärung zurück. Sie sei nicht „ultralinks“, und auch ihre Einstellung zu Schwangerschaftsabbrüchen sei in der Öffentlichkeit falsch dargestellt worden, ließ sie mitteilen. Die Berichterstattung über sie und ihre Standpunkte sei teilweise verunglimpfend. „Ordnet man meine wissenschaftlichen Positionen in ihrer Breite politisch zu, zeigt sich ein Bild der demokratischen Mitte“, heißt es im Schreiben. Inakzeptabel sei auch die Berufung auf anonyme Quellen, um sie zu diskreditieren.
Merz wollte nicht näher auf deren Inhalt eingehen. Der Kanzler verwies jedoch darauf, dass auch in der vergangenen Legislaturperiode eine Richterwahl verschoben werden musste. Damals hatten die regierenden Grünen Probleme mit einem Kandidaten der oppositionellen Union. „Da sehen Sie übrigens an diesem Beispiel, dass Richterwahlen öfter mal im Bundestag auch nicht im ersten Anlauf sofort gelingen“, sagte Merz.
Der FDP-Vorsitzende Christian Dürr sprach sich indes für eine rasche Lösung des Konflikts aus. Die Frage sollte schneller geregelt werden als erst nach der parlamentarischen Sommerpause Anfang September, sagte er in Berlin. Sonst ziehe sich die politisierte Debatte über die gesamte Sommerpause hin. „Man wäre klug beraten, zusammenzukommen und zu einer Lösung zu kommen.“
Das Debakel im Bundestag sei „ein bisschen ein Indiz dafür, dass diese Regierung aktuell nicht rund läuft“, sagte Dürr. In der Zeit der Ampel-Koalition habe es sieben Wahlen von Richtern für das Bundesverfassungsgericht gegeben. „Es hat nicht ein einziges Mal eine solche katastrophale Situation wie am vergangenen Freitag gegeben.“ Man müsse sich schon im Vorhinein Gedanken machen, ob man für Kandidaten eine stabile Mehrheit im Bundestag habe.
Kritisch sieht Dürr die von der SPD vorgeschlagene Staatsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf und ihre Positionen. Man müsse sich überlegen, „ob nicht eine andere Persönlichkeit besser infrage kommt“. Er wolle zwar kein Urteil über Brosius-Gersdorf fällen, sagte Dürr. „Aber ich glaube, es ist klug, Persönlichkeiten zu wählen, die da etwas breiter aufgestellt sind.“
Der Besuch des bayerischen Kabinetts war der erste des Bundeskanzlers in einem Bundesland. Merz sagte, er werde Einladungen aus allen Bundesländern annehmen. Am Dienstag kommender Woche steht ein Besuch in Niedersachsen an. (AFP, Reuters)
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