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Neue Bundesfamilienministerin: Lisa Paus von den Grünen.

© Fabian Sommer/Pool/AFP

Update

Nachfolgerin von Anne Spiegel: Wofür die neue Bundesfamilienministerin Lisa Paus steht

Die Berliner Grüne wird Nachfolgerin der zurückgetretenen Anne Spiegel. Als neue Ministerin will sie vor allem Frauen- und Seniorenpolitik machen.

Die Grünen-Finanzpolitikerin Lisa Paus wird neue Bundesfamilienministerin. Die 53-Jährige wurde am Donnerstagnachmittag offiziell von den Grünen-Vorsitzenden Riccarda Lang und Omid Nouripour als Nachfolgerin von Anne Spiegel vorgestellt, die am Montag ihren Rücktritt angekündigt hatte. Paus sagte, sie habe "Riesenrespekt vor der Aufgabe", übernehme sie aber aus "voller Überzeugung".

Der Entscheidung vorangegangen waren "intensive Beratungen" über die Spiegel-Nachfolge, hieß es aus der Partei. Der linke Flügel der Partei hatte offenbar darauf bestanden, dass auf die Parteilinke Spiegel erneut eine linke Grüne folgt. Bei den Grünen hatten sich viele vom Realo-Flügel auch Bundestags-Vizepräsidentin Kathrin Göring-Eckardt vorstellen können, die große Erfahrungen in der Sozial- und Familienpolitik mitbringt.

Doch da Göring-Eckardt, wie die Grünen-Minister Robert Habeck, Annalena Baerbock und Cem Özdemir, dem Realo-Flügel angehört, blieb ihr der Weg ins Kabinett versperrt. Denn ansonsten hätte nur noch Umweltministerin Steffi Lemke den einflussreichen linken Parteiflügel in der Ministerriege repräsentiert.

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„Noch einen Realo hätten wir nicht hinnehmen können“, hieß es aus dem linken Parteiflügel der Grünen. Dort habe es bereits bei der Besetzung der Ministerposten im Herbst, beim Verzicht auf die Ressorts Finanzen und Verkehr und zuletzt beim Verhalten der Parteiführung rund um den Rücktritt von Anne Spiegel viel Unmut gegeben. „Das kumuliert mit der Zeit. Aber man darf sich die Unterstützung nicht komplett verspielen.“

Zügige Regelung

Nouripour wirkte bei der Pressekonferenz erleichtert, dass es der Grünen-Spitze gelungen war, wie angekündigt noch vor Ostern die Nachfolge Spiegels zu klären. Diese hatte ihr Amt zur Verfügung gestellt wegen der Vorwürfe, als Umweltministerin in Rheinland-Pfalz kurz nach der Flutkatastrophe im vorigen Jahr einen mehrwöchigen Urlaub gemacht und an Kabinettsitzungen auch digital nicht teilgenommen zu haben.

Zwar betonte Lang, dass sich Paus nicht nur als Finanzpolitikerin einen Namen gemacht habe, sondern sich auch seit Jahren für das sozialpolitische Projekt der Kindergrundsicherung eingesetzt habe, das die Ampel-Koalition nun umsetzen will. Das dürfte auch die größte Herausforderung der nächsten Monate für die neue Ministerin sein: Denn das Vorhaben gilt als nicht ganz einfach, da die steuer- und sozialpolitischen Leistungen für Kinder gebündelt werden sollen. Derzeit sitzt eine Arbeitsgruppe von sechs Ministerien an der Vorbereitung der Gesetzgebung. Paus dürfe mit Elan an diese Aufgabe herangehen. "Ihre Erfahrungen als Finanzpolitikerin werden bei der anstehenden Reform der Familienleistungen sicher von Nutzen sein", sagte der SPD-Fraktionsvize Sönke Rix zum Antritt der neuen Ministerin.

[Lesen Sie auch: Rücktritt von Anne Spiegel - die Hintergründe (T+)]

Die Berliner Abgeordnete gehört seit 2009 der Bundestagsfraktion der Grünen an. Im selben Jahr wurde sie auch Mutter eines Sohnes. Einen schweren Schicksalsschlag musste Paus 2013 hinnehmen, als ihr Mann nach einer Krebserkrankung starb. Aus dieser Erfahrung heraus bemühte sie sich politisch auch immer wieder, die Bedingungen für pflegende Angehörige zu verbessern.

Paus übernimmt das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - so die offizielle Reihenfolge der Aufgaben. Paus änderte sie bei ihrer Vorstellung etwas ab - das deutet auf ihr Programm hin. Sie sprach vom Ministerium für "Frauen, Senioren, Familie und Jugend". Sie bleibe auch im Amt "eine klare Feministin" und wolle die "strukturelle Benachteiligung von Frauen" beenden. In dem Zusammenhang nannte sie auch die von der Ampel beschlossene Abschaffung des Werbeverbost für Abtreibungen im Paragraphen 219a des Strafgesetzbuches. Als Finanzpolitikerin setzt sie sich seit Jahren für die Abschaffung des Ehegattensplittings ein, was allerdings im Koalitionsvertrag von den Grünen nicht durchgesetzt werden konnte.

Einsatz für Alleinerziehende

Als zweiten Schwerpunkt im neuen Amt nannte Paus die Seniorenpolitik. Das "S" im Kürzel des Ministeriums (BMFSFJ) "wird oft zu leise ausgesprochen", sagte Paus. "Das will ich ändern." Als weitere Hauptaufgaben nannte sie die Verbesserung der Lage von Alleinerziehenden und die weitere Umsetzung des Demokratiefördergesetzes.

Sie brenne für soziale Gerechtigkeit, betonte Paus. Bisher lag ein Hauptaugenmerk ihrer Tätigkeit auf einem Bereich, der zwischen den üblichen Steuersenkungs- und Steuererhöhungsdebatten oft zu kurz kommt – der Steuergerechtigkeit nämlich. Sie setzt sich zum Beispiel seit Jahren dafür ein, dass Steuervermeidungsmöglichkeiten für Reiche eingedämmt werden. Ihr Anliegen war nicht zuletzt ein effizienterer Einsatz der Steuerbehörden gegen Steuerhinterziehung, um so das Ertragspotenzial des Steuersystems besser auszuschöpfen.

Beharrliche Werklerin

So zielte sie auch als Mitglied im Wirecard-Untersuchungsausschuss vor allem auf die Mängel der Finanzaufsicht. Sie übte scharfe Kritik an Versäumnissen im Bundesfinanzministerium unter den Ministern Wolfgang Schäuble und Olaf Scholz, vor allem mit Blick auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, deren Reform sie vehement forderte.

Zwar galt die Aufmerksamkeit im Ausschuss, wenn es um grüne Positionen ging, eher ihrem jüngeren Fraktionskollegen Danyal Bayaz. Der wurde dann schnell Finanzminister in Baden-Württemberg. Aber auch Paus hatte ihren Anteil daran, dass der Ausschuss in kurzer Zeit recht weitgehende Folgen hatte (mehrere Rücktritte und Neubesetzungen in den Aufsichtsbehörden). Das Ergebnis wurde von den Oppositionsparteien in der vorigen Wahlperiode als einer ihrer größten Erfolge gesehen.

Innerhalb der Grünen-Bundestagsfraktion fiel sie in den vergangenen Jahren eher als beharrliche Werklerin der zweiten Reihe denn als eloquente Debattenrednerin auf. Erst nach vier Wahlperioden gelang ihr der Aufstieg in die Fraktionsführung – seit Dezember war sie Fraktionsvize mit Zuständigkeit für Finanzen, Haushalt, Arbeit und Soziales.

Berliner Grüne begrüßen Entscheidung

Die Grünen in Berlin reagierten hocherfreut. Der Berliner Grüne-Fraktionsvorsitzende Werner Graf begrüßte, dass die Wahl auf seine Parteikollegin aus dem Berliner Landesverband gefallen ist. „Ich bin sehr froh mit der Entscheidung für Lisa Paus, weil sie für ein offenes Gesellschaftsbild steht und einen starken Fokus darauf legt, wie man die Gesellschaft sozial gerecht gestalten kann.“

Auch Graf betonte, dass sich Paus bereits als Haushälterin für familienpolitische Themen interessiert habe. „Sie hat sich als Finanzpolitikerin für die Kindergrundsicherung eingesetzt. Ich bin mir sicher, dass wir bei dem Thema mit ihr weit vorankommen.“

Paus hatte die Berliner Grünen 2017 und 2021 als Spitzenkandidatin in die Bundestagswahl geführt. 2017 hatte sie sich damals mit 70 Prozent Zustimmung gegen Bettina Jarasch durchgesetzt, die inzwischen Verkehrssenatorin in Berlin ist. Paus sei sehr umtriebig in der Partei, besuche viele Kreisverbandssitzungen und pflege ihr Netzwerk, heißt es. Ihr eigener Wahlkreis ist Charlottenburg-Wilmersdorf, wo 2021 jedoch der frühere Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) das Direktmandat holte.

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