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Die Pipeline Nord Stream 2 ist im Bau durch die Ostsee - und muss nun umgeplant werden.

© Bernd Wüstneck/dpa

Nord Stream 2: Wie die EU Deutschland hilft, das Gesicht zu wahren

In Brüssel haben Kommission, Parlament und Rat die Auflagen verschärft: Die Pipeline wird nicht gestoppt, ihr Betrieb muss aber verändert werden. Eine Analyse.

Die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 kann weitergebaut werden. Ihre Nutzung muss aber entscheidend verändert werden. Der russische Konzern Gazprom wird nicht mehr, wie bisher geplant, sowohl das Gas liefern als auch die Pipeline betreiben dürfen. Und der Betreiber der Pipeline muss konkurrierenden Gas-Anbietern Zugang und Durchleitung gewähren.

Das sind die Konsequenzen der Einigung in Brüssel zwischen Vertretern der EU-Kommission, des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rats (das Gremium der nationalen Regierungen der EU-Staaten) in der Nacht zu Mittwoch.

Im Mittelpunkt steht der Beschluss, die Europäische Gas-Richtlinie nicht mehr nur innerhalb der EU anzuwenden, sondern auch auf Pipelines, die von außen in die EU kommen, wie Nord Stream von Russland nach Deutschland. Nach den Auflagen der Richtlinie muss die Gaslieferung und die Kontrolle des Transportwegs in unterschiedlichen Händen liegen, um Machtballungen zu verhindern.

Dies ist ein gravierender politischer Rückschlag für die Bundesregierung, sagt der grüne Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer dem Tagesspiegel. "Europäisches Energierecht wird sich auch auf Nord Stream 2 erstecken. Das ist eine Niederlage für Berlin." Denn die Bundesregierung wollte schärfere Auflagen für die Pipeline verhindern.

Die EU helfe Berlin aber, das Gesicht zu wahren. Bei den Absprachen, wie die Richtlinie im konkreten Fall angewandt wird, hat das Land die Verhandlungsführung, in dem die Pipeline die EU erreicht. Im Fall Nord Stream wäre das Deutschland. "Das ist ein relativer Erfolg für Deutschland", sagt Bütikofer. "Hätte die Kommission die Verhandlungsführung, wäre das unangenehmer für Russland". Und damit auch für Berlin.

Allerdings: "Berlin muss nun auf der Basis des Europäischen Energierechts mit Gazprom verhandeln und unterliegt dabei der Aufsicht der Kommission", betont Bütikofer. Nach dem Beschluss in Brüssel muss die EU-Kommission die Verhandlungsergebnisse genehmigen. Sie hat also das letzte Wort. Deutschland und Russland können nur Vereinbarungen zu Nord Stream treffen, denen auch die Kommission zustimmen wird.

Deutschland könne zum Beispiel versuchen, für das "Unbundling", die Trennung von Gaslieferung und Betrieb der Pipeline, "eine weichere Variante zu verhandeln", analysiert Bütikofer. "Aber es kann die Auflage der Trennung nicht ignorieren."

Offene Fragen für Gazprom und Trump

Ob Gazprom die Pipeline unter diesen Auflagen so weiter baut wie bisher geplant, ist aus Bütikofers Sicht nun eine offene Frage. Außerdem seien "die Sanktionsdrohungen des US-Präsidenten Donald Trump gegen Firmen, die sich an Nord Stream beteiligen, nicht vom Tisch".

EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete sagte zu der Einigung in Brüssel: "Das ist ein großer Fortschritt hin zu einem integrierten Gas-Binnenmarkt, der auf Solidarität und Vertrauen fußt und die Europäische Kommission voll einbezieht. Europa schließt heute Schlupflöcher in seinem juristischen Regelwerk." Jeder, der Erdgas in der EU verkaufen wolle, müsse die europäischen Energieregeln beachten.

Die grüne Europaabgeordnete Rebecca Harms ist hochzufrieden. "Auch Gazprom wird sich in Zukunft an europäische Regeln halten müssen. Die Erdgas-Produktion und der Betrieb von neuen Pipelines dürfen nicht in einer Hand sein." Die Bundesregierung müsse das endlich akzeptieren. "Sie darf nicht länger versuchen, Nord Stream 2 an europäischen Regeln vorbei zu erwirken. Sie hat bereits genug Porzellan zerschlagen, um dieses Projekt gegen den Willen und gegen die Sicherheitsinteressen vieler EU-Mitgliedstaaten durchzusetzen”, kritisierte Harms.

Die EU-Kommission hatte die Verschärfung der Gas-Richtlinie bereits seit November 2017 gefordert, das Europäische Parlament seit April 2018. Zu den Trilog-Verhandlungen der beiden Institutionen mit dem dritten Machtzentrum, dem Europäischen Rat, kam es erst jetzt, weil die Bundesregierung den Europäischen Rat daran gehindert hatte. Sie verließ sich bei der Blockade auf die Unterstützung Frankreichs. Am vergangenen Freitag änderte Emmanuel Macron jedoch seine Haltung und ließ zu, dass der Rat den Streit in die Trilog-Verhandlungen weiter verweist.

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