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Durch seinen Lacher bei einem Gedenktermin im NRW-Hochwassergebiet hat Unions-Kanzlerkandidat an Sympathiepunkten eingebüßt.

© Marius Becker/dpa

Pannen-Statistik der Kanzlerkandidaten: Laschet, Baerbock und Scholz im Fettnäpfchen-Check

Weniger als zwei Monate vor der Bundestagswahl scheint das Rennen offener denn je. Souverän bewegen sich die Spitzenkandidat:innen von Panne zu Panne.

Der Wahlkampf geht in die entscheidende Phase, doch von Spritzigkeit bei den Spitzenkandidat:innen kann keine Rede sein. Die Pannen häufen sich. Doch weder Armin Laschet (CDU) noch Annalena Baerbock (Grüne) oder Olaf Scholz (SPD) vermögen bisher aus den Fehltritten der Konkurrenz Kapital zu schlagen.

Viele Wählerinnen und Wähler bleiben ratlos zurück, denn wem können sie das Regierungsamt in heiklen Zeiten guten Gewissens anvertrauen? Persönliche Fehler des Trios trüben das Verhältnis. Und so scheint der Dreikampf 52 Tage vor der Bundestagswahl offener denn je. Die jüngste Pannenhistorie der drei Spitzenkandidat:innen im Vergleich:

Armin Laschet (CDU)

Ein Grinsen zur Unzeit: Während einer Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Mitte Juli zum Gedenken an die Flutopfer in Nordrhein-Westfalen wurde Laschet beim herzhaften Lachen gefilmt – direkt hinter dem Staatsoberhaupt. Es sind nur wenige Sekunden, doch die Aktion hängt dem dem Unions-Spitzenkandidaten immer noch nach. Laut einer Forsa-Umfrage für RTL und ntv befinden sich Laschets Umfragewerte seitdem im freien Fall. Zwar entschuldigte er sich kurz darauf für den Lacher, die Eindrücke mangelnder Empathie und Ernsthaftigkeit bleiben dennoch haften. Auf Twitter trendet der Hashtag #Laschetlacht.

Nur wenige Tage später musste Laschet den nächsten Fehler einräumen. Nachdem Plagiatsvorwürfe zu seinem Buch „Die Aufsteigerrepublik. Zuwanderung als Chance“ von 2009 öffentlich wurden, bat er wegen fehlender Quellenangaben um Entschuldigung. Zudem kündigte Laschet eine Prüfung des Buches an, dessen Erlöse er – wie 2015 bekannt geworden war - nicht korrekt versteuert hatte. #Laschetschreibtab war nun der Hashtag der Stunde, obgleich #Laschetlacht ein Comeback erlebte: Bei Besuchen in den Hochwassergebieten wurde Laschet von Leidtragenden der Flutkatastrophe massiv kritisiert - der NRW-Ministerpräsident und seine Regierung hätten versagt, hieß es unter anderem.

Ohnehin kämpft Laschet mit dem Vorwurf, in politisch-gesellschaftlichen Extremsituationen unsouverän zu agieren. Ende Juni erntete der 60-Jährige Kritik mit der Corona-Aussage: „Wenn trotz der Verbreitung der Delta-Variante die Inzidenz nicht steigt, sondern jede Woche immer weiter sinkt, scheint ja die Auswirkung nicht so groß zu sein.“ Eine Woche später sorgte seine Rede im NRW-Landtag für Aufsehen, in der er für das bundespolitische Krisenmanagement „nicht nur medizinisch-naturwissenschaftlich Modelle, wie schrecklich alles werden kann“ forderte.

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Auch in seinem Amt als CDU-Chef, das er nach einem zähen Duell mit Ex-Unionsfraktionschef erfolgreich für sich beanspruchen konnte, ist Laschet nicht unumstritten. Zu oft, meinen Kritiker, verliere er sich in schwammigen Aussagen - böse Zungen behaupten, ihm fehle es wie dem Wahlprogramm seiner Partei an Profil. Eine klare Haltung zum umstrittenen CDU-Mitglied und Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen lehnt er ebenso ab wie zum Klimawandel. Inzwischen gibt es gar einen „Lasch-O-Mat“ – eine dem „Wahl-O-Mat“ nachempfundene Onlineseite, die zu verschiedenen Politikthemen Phrasen ala Laschet ausspuckt.

Annalena Baerbock (Grüne)

Auch die Spitzenkandidatin der Grünen ist mittlerweile geübt im Hürdenlauf durch den unwegsamen Wahlkampf - doch wie Laschet verrennt sich die 40-Jährige immer wieder in neuen Problemen. Der jüngste Fauxpas liegt nur zwei Tage zurück: Ausgerechnet in ihrer Wahlheimat Brandenburg verwechselte sie bei einem Wahlkampftermin die Regionen Barnim und Oderbruch. Dass sie von 2009 bis 2013 die Brandenburger Grünen anführte, macht diesen Schnitzer umso absurder.

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Weitaus bitterer indes sind die Plagiatsvorwürfe, denen sich auch Baerbock erwehren muss. Für ihr Buch „Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“ soll sie einige Passagen abgeschrieben haben. „Rückblickend wäre es sicherlich besser gewesen, wenn ich doch mit einem Quellenverzeichnis gearbeitet hätte“, hatte sie der „Süddeutschen Zeitung“ nach Bekanntwerden der Vorwürfe gesagt und Nachbesserungen angekündigt. Kurz darauf enthüllte der Tagesspiegel, dass Baerbock zwischen 2009 und 2012 ein Stipendium von mehr als 40.000 Euro für ihre letztlich nie vollendete Promotion erhalten – eine fragwürdige Zuwendung für eine schon damals hochaktive Parteipolitikerin.

Zwar hat Baerbock wie Laschet keinen Doktortitel zu verlieren, doch der Imageschaden ist enorm. Noch im April, als der Grünen-Bundesvorstand Baerbocks Spitzenkandidatur in die Wege leitete, erfreuten sich Partei und Person jeweils Umfragehochs von fast 30 Prozent. Nun, mehrere Pannen wie die Plagiatsaffäre oder die Verwendung des N-Wortes später, sind es fast zehn Prozentpunkte weniger.

Baerbock sieht sich im Wahlkampf permanent mit Kritik konfrontiert.
Baerbock sieht sich im Wahlkampf permanent mit Kritik konfrontiert.

© Tobias Schwarz/REUTERS

Ebenfalls negativ auf Baerbocks Zustimmungswerte wirkte sich die Bekanntgabe von verspäteten Einkunftsmeldungen an die Verwaltung des Bundestags aus. Es sei „ein blödes Versäumnis“ gewesen, die Sonderzahlungen in Höhe von mehr als 25.000 Euro nicht fristgemäß gemeldet zu haben, erklärte Baerbock im Mai. Das Geld habe sie demnach über mehrere Jahre als Parteivorsitzende als Weihnachtsgeld erhalten und „unverzüglich nachgemeldet“.

Baerbocks anfänglicher Esprit scheint dahin, nun bemüht sie sich um Schadensbegrenzung. „Ja, ich habe Fehler gemacht und das Wichtige ist für mich, daraus zu lernen und es in Zukunft gemeinsam besser zu machen“, sagte sie Ende Juli. Sollte ihr das gelingen, könnte sie mit ihrer Partei den wohl größten Trumpf ausspielen und sich beim Thema Klimapolitik wieder inhaltlich nach vorn hieven.

Olaf Scholz (SPD)

Gravierende Fehler? Fehlanzeige. Es scheint, als sei der Spitzen-Sozialdemokrat bislang der souveränste Kandidat fürs Kanzleramt. Allein, großartig Kapital daraus schlagen konnte der 63-Jährige bislang noch nicht. Zwar wachsen seine persönlichen Umfragewerte seit wenigen Wochen, doch die Parteiwerte schreiten keineswegs Seit an Seit. Dem jüngsten Forsa-„Trendbarometer“ zufolge steht Scholz in der Kanzlerfrage erstmals auf dem ersten Platz mit 21 Prozent – die SPD allerdings dümpelt bei 16 Prozent als nur drittstärkste Kraft herum.

SPD-Kandidat Scholz (r.) hat Unions-Kandidat Laschet (l.) mittlerweile in Umfragen überholt.
SPD-Kandidat Scholz (r.) hat Unions-Kandidat Laschet (l.) mittlerweile in Umfragen überholt.

© Bernd Lauter/AFP

Doch wer denkt, der Vizekanzler sei bislang fehlerfrei durch den Wahlkampf getourt, irrt. Denn der Sozialdemokrat lenkte die Aufmerksamkeit zu Beginn des Sommers auf ein Problem, das viele Wählerinnen und Wähler mit hochrangigen Politiker:innen verbinden: fehlende Volksnähe. Konkret blamierte sich Scholz mit der Unkenntnis, wie viel ein Liter Benzin kostet. Gut möglich, dass ihn das einige Stimmen in der Kernwählerschaft seiner Partei kostet.

Der größte Makel des Hamburgers indes könnte fast zwei Jahrzehnte zurückliegen. Scholz war 2003 als SPD-Generalsekretär einer der Regisseure der Agenda 2010 – das könnte nun ein Glaubwürdigkeitsproblem mit sich bringen. Doch solange sich Scholz mit erfolgreicher Finanzpolitik im Bund und in der G20 sowie mit ruhiger Krisenpolitik profilieren kann, könnte das eine untergeordnete Rolle spielen. „Während zwei sich zerlegen, sticht der Dritte hervor“, erklärte der aktuelle SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil jüngst in Anspielung auf Scholz' Konkurrenz. Das Rennen ums Kanzleramt ist nun zumindest offener als noch zu Beginn des Wahljahres.

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