
© dpa/Carsten Koall
Parteitag der Grünen: Kein klarer Kurs und nur ein Kanzlerkandidat light
Während Union, SPD und FDP nach dem Ampel-Aus streiten, wirken die Grünen vergleichsweise erwachsen. Doch für den Erfolg muss die Partei glasklar machen, was sie eigentlich will – und mit wem.

Stand:
Vielleicht war es für Robert Habeck ein großes Glück, dass der Zündkreis eines Triebwerks an dem neuen Airbus A350 nicht funktionierte. Durch den Defekt am Regierungsflieger „Kurt Schumacher“ verspätete sich die Rückreise des Vizekanzlers aus Portugal um fast einen Tag und so verpasste der Grünen-Politiker die erste Regierungserklärung nach dem Ampel-Aus.
Statt Habeck saßen seine Staatssekretäre neben Olaf Scholz auf der Regierungsbank. Keine gemeinsamen Fotos mit dem gescheiterten Kanzler, keine Wahlkampfrede im Hohen Haus, die Attacken von CSU-Ministerpräsident Markus Söder gegen ihn verpufften.
Es passt in die Inszenierung der Grünen, die mit dem Bruch der Regierung möglichst wenig in Verbindung gebracht werden wollen. Während der Kanzler seinen Finanzminister beschimpfte und Christian Lindner seinerseits Scholz vorwarf, die Regierung vorsätzlich gesprengt zu haben, gefallen sich die Grünen in der Rolle der Ernsthaften.
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Auch aus dem unsäglichen Streit um das Wahldatum zwischen Scholz und CDU-Chef Friedrich Merz hielt sich Habecks Partei heraus und verhandelte im Hintergrund konstruktiv. Dort das parteipolitische Gezanke, hier staatstragende Besonnenheit.
Gute Stilnoten dürften kaum ausreichen
Vom Ende der Ampel hoffen die Grünen zu profitieren. Von einer Befreiung ist die Rede. 5500 neue Mitglieder hat man in einer Woche gewonnen, hunderttausende Euro an Spenden gesammelt, ohne das Bündnis mit der FDP wirkt die Basis plötzlich motiviert für den Wahlkampf.
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Und auch Habeck, der bis zuletzt vor dem Bruch gewarnt hatte, kann hoffen. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zu den Hintergründen des Atomausstiegs, mit dem die Union dem Wirtschaftsminister Ideologie nachweisen wollte, entfällt nun. In Umfragen wird ihm mehr Glaubwürdigkeit und Charisma als Merz und Scholz attestiert.
Doch wegen guter Stilnoten dürften die Grünen, die in Umfragen noch immer bei zehn bis zwölf Prozent verharren, kaum gewählt werden. Nach zahlreichen Wahlschlappen sind viele Grüne verunsichert, die Kompromisse in der Ampel haben die Partei ausgelaugt. Wofür die Partei eigentlich noch steht, können selbst Mitglieder nicht mal so einfach beantworten.
Der Partei fehlt ein klarer Kurs. Man will das soziale Profil schärfen, trifft dafür aber nicht den Ton. Es soll ein bisschen mehr umverteilt werden, aber bitte keine Debatte über eine Vermögenssteuer. Der Klimaschutz soll wieder in den Vordergrund treten, aber vor weiteren Belastungen für die Bevölkerung schreckt man zurück. Bei der Migration will ein Teil der Mitglieder mehr Regeln, die anderen mehr Menschlichkeit.
Inhaltliche Debatten werden abgewürgt
Bei den Grünen gibt es gerade alles, nur keine Klarheit. Gerade rechtzeitig könnte da der Parteitag an diesem Wochenende in Wiesbaden kommen, um diese Fragen zu klären.
Doch inhaltliche Debatten scheint die scheidende Parteispitze abwürgen zu wollen. Die strittigen Anträge wurden in die Abendstunden gelegt, Debatten über die Parteistrukturen will man gar nicht führen. Stattdessen soll erst ein neuer Vorstand und schließlich Robert Habeck gewählt werden. Nicht als Kanzlerkandidat, sondern als „Kandidat für die Menschen in Deutschland“, der das Zeug zum Kanzler hat. Im Spitzenduo mit Annalena Baerbock. Klarheit? Fehlanzeige!
Dabei könnten die Grünen von den US-Demokraten lernen, dass es im Wahlkampf klare Inhalte braucht, um erfolgreich zu sein. Der deutliche Sieg von Donald Trump zeigt, dass vor allem Antworten auf die hohe Inflation gefunden werden müssen. Stattdessen kopiert man aus den USA Referenzen zu Popstar Taylor Swift. Auf dem Parteitag in Wiesbaden wird man Armbändchen knüpfen können.
Die wirtschaftliche Lage wird dem Wirtschaftsminister Habeck in diesem Wahlkampf wie ein Mühlstein um den Hals hängen. Wie in den USA dürften sich auch in Deutschland die Menschen fragen, ob es ihnen heute besser geht als vor drei Jahren. Nur wenn es Habeck und den Grünen gelingt, einen glaubwürdigen Weg aus der Krise aufzuzeigen, kann die Partei wieder erfolgreicher werden. Verliert man sich in der Unklarheit, werden die Grünen wie die „Kurt Schumacher“ am Boden bleiben.
- Ampelkoalition
- Annalena Baerbock
- CDU
- Christian Lindner
- CSU
- Die Grünen
- FDP
- Friedrich Merz
- Lars Klingbeil
- Markus Söder
- Olaf Scholz
- Robert Habeck
- SPD
- USA
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