
© AFP/ANATOLII STEPANOV
Scholz in der Ukraine: Ein Land gerät in den Wahlkampf
Russlands Krieg gegen die Ukraine wird ein wesentliches Thema sein im Wahlkampf. Doch die Konsequenzen für das angegriffene Land sind diesmal andere. Das hat viel mit den USA zu tun.

Stand:
Dass die Ukraine in Deutschland Wahlkampf-Thema ist, ist nicht neu für das Land. Im Sommer während der Wahlkämpfe in Brandenburg, Sachsen und Thüringen war der russische Angriffskrieg eines der Dauerthemen. Große Konsequenzen hatte das für die Ukraine nicht. Jetzt ist das anders.
Die Ukraine steht mitten im Zentrum im Wahlkampf des wichtigsten Unterstützers in Europa. Und das kann Folgen haben. Zumal diese Wahl auch noch mit einem Regierungswechsel in den USA zusammen fällt, der für die Ukraine von entscheidender Bedeutung sein wird.
Denn plötzlich geraten durch diese beiden externen politischen Ereignisse, Neuwahlen in Deutschland und Regierungswechsel in den USA, die Dinge in Bewegung. So offen wie selten zuvor wird über Verhandlungen gesprochen, darüber, dass die Ukraine möglicherweise Gebiete abtreten muss, um Nato-Schutz zu erhalten. Aber auch darüber, dass Russland einen Preis wird zahlen müssen.
Das kann man als Hoffnung lesen. Darauf, dass der Krieg endet oder wenigstens eingefroren wird. Nur ist das, was da jetzt alles diskutiert wird, eigentlich ein gutes Signal für die Ukraine und was bedeutet es für die deutschen Sicherheitsinteressen und wie soll eigentlich der Weg dahin aussehen?
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist zum zweiten Mal in der Ukraine. Und natürlich ist das Wahlkampf. Alles, was Scholz in den nächsten Wochen machen wird, ist Wahlkampf. Und das Narrativ wird zwischen Scholz und seinem Unions-Kontrahenten Friedrich Merz nach dem Motto verlaufen, Vernunft gegen volle Kraft. Hier Scholz, der versucht volle Unterstützung zu signalisieren bei Zurückhaltung weitreichender Waffen und auf der anderen Seite Merz, der die volle Unterstützung auch mit weitreichenden Waffen fordert.
Unter die Räder könnte bei dieser Gegenüberstellung eine Dritte im Bunde geraten: Sahra Wagenknecht. Sie hat nicht nur mit der Kurzfristigkeit der Wahl zu kämpfen, sondern auch damit, dass ihr politisch etwas das Wasser abgegraben wird.
Bei Trump bleibt immer viel Unwägbarkeit
Doch für die Ukraine ist das nicht nur eine Wahlkampf-Auseinandersetzung. Für sie ist jeder Tag ein Kampf ums Überleben. Und der Machtwechsel auf Donald Trump, der angekündigt hatte, den Krieg innerhalb eines Tages beenden zu wollen, versetzt die Ukraine in eine neue Lage. Trump wird keine Rücksicht auf den deutschen Wahlkampf nehmen. Durchaus möglich, dass Merz und Scholz ihre Positionen mitten im Wahlkampf noch einmal anpassen müssen an eine neue Trump-Realität.
Denn der designierte US-Präsident wird die Ukraine rasch drängen, Gebiete abzugeben und gleichzeitig Russland drohen, sollten sie nicht einlenken, die weitreichenden Waffen in großem Maß an die Ukraine zu liefern. Das ist die optimistische Leseweise von Trump. Bei ihm muss man aber immer eine ordentliche Prise Unwägbarkeit dazu geben. Gut möglich, dass er auch die Ukraine allein unter Druck setzt.
Im Moment braucht es vor allem Waffenlieferungen
Die Aussichten, dass sich etwas tut im Krieg in der Ukraine, sind also durchaus vorhanden. Aber egal wie, es wird wohl nicht auf einen Sieg der Ukraine hinauslaufen. Im Gegenteil, Vorschläge wie jetzt vom ehemaligen Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, die Ukraine solle kurzfristig und vorübergehend russisch besetzte Gebiete abtreten, um Frieden zu ermöglichen, werden einen Status Quo schaffen.
Dass die Ukraine diese Gebiete jemals zurückbekommt, ist unwahrscheinlich. Und offen ist auch der zweite Teil, nämlich dass die Ukraine direkter unter den Schutz der Nato kommt. Ist das Bündnis dazu überhaupt bereit?
Und um dorthin zu kommen, muss die Ukraine in eine gute Verhandlungsposition gebracht werden – und das heißt im Moment vor allem Waffenlieferungen, und zwar auch solche, die Russland auf eigenem Territorium wehtun. Erst wenn die Ukraine das Gefühl hat, wirklich etwas Verhandlungsmasse zu haben, wird echte Bewegung hereinkommen.
Und wie wird Russland das werten? Als Sieg? Gar als Ansporn, diesen Kurs gegenüber anderen Staaten des ehemaligen sowjetischen Einflussgebietes auch zu verfolgen? Die Lage mag eine neue Dynamik bekommen, sie wird den deutschen Wahlkampf beeinflussen und Positionen nochmal durcheinander wirbeln. Eine gute Nachricht ist das für die Ukraine politisch aber erstmal nicht.
Und doch gilt: Viele Menschen in der Ukraine werden schlicht froh sein, wenn der Krieg endet oder einfriert – egal zu welchem Preis.
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