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Plakat für ein AfD-Verbot bei einer Demonstration in Berlin am 12. Januar 2024.

© Imago/IPON

„Schutzauftrag zugunsten der demokratischen Grundordnung“: Geheimdienst-Experte fordert Vorbereitung für AfD-Verbot

Der Staatsrechtler Markus Ogorek sieht Grundlagen für einen Verbotsantrag. In einem Gutachten plädiert er aber dafür, zunächst die Urteile über AfD-Klagen gegen den Verfassungsschutz abzuwarten.

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Ein neues Gutachten zu einem möglichen AfD-Verbot tritt dafür ein, mit den Arbeiten für einen Antragsentwurf zu beginnen. Verfasst hat es Markus Ogorek, Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre an der Uni Köln und Leiter der dortigen Forschungsstelle Nachrichtendienste.

Ogorek schreibt in dem 63-seitigen Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt, es sollten zwar die verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistische Bestrebung durch den Verfassungsschutz abgewartet werden, bevor ein Antrag beim Bundesverfassungsgericht gestellt würde. Parallel könne aber eine „breit legitimierte“ Bund-Länder-Arbeitsgruppe schon jetzt einen Entwurf für eine Antragsschrift erstellen.

„Somit läge bereits ein entscheidungsreifer Entwurf vor, der den antragsberechtigten Verfassungsorganen eine sofortige politische Befassung zur Frage der Einleitung eines Verbotsverfahrens eröffnete, wenn das Oberverwaltungsgericht Münster in etwa drei Jahren zu seiner Berufungsentscheidung kommt“, heißt es in dem Gutachten.

Erst danach mit den Arbeiten für einen Antrag zu beginnen, wäre zu spät, schreibt Ogorek. Ein solches Vorgehen würde der Verantwortung nur schwer gerecht, die das Grundgesetz den antragsberechtigten Verfassungsorganen Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung „als Schutzauftrag zugunsten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zuweist“.

Zwei Drittel der Belege wohl „einschlägig“

Ogoreks Untersuchung richtet sich auf das Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), mit dem die AfD vom Verdachtsfall zu einem gesichert rechtsextremen Zusammenschluss hochgestuft wurde. Dagegen klagt die Partei vor dem Verwaltungsgericht Köln und hat zudem einen Eilantrag eingereicht, über den noch nicht entschieden worden ist.

Das BfV wirft der AfD im Wesentlichen vor, mit zahlreichen migrantenfeindlichen Äußerungen die Menschenwürde von Mitbürgern und Ausländern zu verletzen. Damit gehe sie gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung vor.

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass dem AfD-Gutachten eine wesentliche Bedeutung im Hinblick auf die Vorbereitung eines etwaigen Parteiverbotsverfahrens zukommen dürfte.

Markus Ogorek, Verfassungsschutz-Experte

Der Rechtswissenschaftler prüft die vom BfV vorgelegten Belege auf ihre mögliche Verwertbarkeit für ein Parteiverbot. Sein Ergebnis: Nach „rechtlicher Auswertung“ von rund 829 Belegen aus dem AfD-Gutachten, darunter Äußerungen von etwa 160 Personen, dürften sich 574 Belege als „tendenziell oder möglicherweise einschlägig erweisen“ – rund zwei Drittel also.

Die AfD beruft sich auf Meinungsfreiheit

Die AfD verteidigt sich damit, die vom BfV gesammelten Belege seien Ausdruck der grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit. Ogorek betont in seinem Gutachten jedoch, dass auch unter dem Schutz der Meinungsfreiheit getätigte Äußerungen „verbotsrelevant“ sein könnten. Der Verfassungsschutz sieht das ebenfalls so.

Nach Ansicht des Juristen kommt dem AfD-Gutachten des BfV eine „wesentliche Bedeutung im Hinblick auf die Vorbereitung eines etwaigen Parteiverbotsverfahrens zu“. Die an ein solches Verbot anzulegenden rechtlichen Maßstäbe seien „weitgehend vergleichbar mit jenen, die das BfV für seine Einstufung als gesichert rechtsextremistisch herangezogen hat“. Zudem würden sich jedenfalls zahlreiche der bisher gesammelten Belege „auch für den Nachweis der Verfassungswidrigkeit in einem etwaigen Parteiverbotsverfahren fruchtbar machen lassen“.

Ogorek widerspricht Dobrindt

Ogorek setzt sich in seinem Gutachten auch kritisch mit Stimmen auseinander, wonach das BfV-Gutachten keine ausreichende Grundlage für ein Parteiverbotsverfahren biete. Dergleichen hatte etwa Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) behauptet und darauf verwiesen, dass die AfD nur mit Blick auf Verletzungen der Menschenwürde als „gesichert extremistisch“ eingestuft worden sei, nicht aber mit Blick auf Verstöße gegen das Demokratie- oder Rechtsstaatsprinzip.

Hier wirft Ogorek dem Politiker vor, er gehe von „unzutreffenden Maßstäben aus“. Um feststellen zu können, dass die AfD nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehe, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, wie es das Grundgesetz für ein Parteiverbot verlange, genüge es, dass eine Partei nur eines der drei Wesenselemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beeinträchtige.

Gleichwohl bleibt Ogorek zurückhaltend, ob ein Verbotsantrag beim Verfassungsgericht in Karlsruhe erfolgreich wäre, und betont die „große Hürde“, die zu nehmen ist.

Würden die Verwaltungsgerichte die AfD-Hochstufung bestätigen, gäbe es aber „hinreichend Grund zu der Annahme, dass auch ein Parteiverbotsverfahren gewisse Erfolgschancen hätte, also nicht von vornherein oder offensichtlich zum Scheitern verurteilt wäre“, schreibt er.

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