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Friedrich Merz und Thorsten Frei in der 199. Sitzung des Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude. In der Union gibt man sich siegesgewiss – unabhängig vom Kanzlerkandidaten der SPD.

© imago/Future Image/IMAGO/Frederic Kern

Update

„Sieger und doch katastrophal beschädigt“: CDU stellt Scholz’ Eignung als Kanzler infrage – SPD-Länderchefs stützen ihn

Die K-Frage bei den Sozialdemokraten ist geklärt. Pistorius-Unterstützer sind enttäuscht, die Parteispitze fordert Geschlossenheit und die Union schaltet voll in den Wahlkampfmodus.

Nachdem der Druck auf die SPD in den vergangenen Tagen immer größer wurde hat am Donnerstagabend Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) für Klarheit gesorgt. In einer Videobotschaft an die SPD-Mitglieder kündigte der Niedersachse an, sich aus dem Rennen um die Kanzlerkandidatur zurückziehen und sich hinter Olaf Scholz stellen zu wollen. „Er ist der richtige Kanzlerkandidat“, sagte Pistorius.

Er selbst habe die Debatte um die K-Frage in seiner Partei weder angestoßen noch gewollt, betonte Pistorius. Und doch wurde sie laut und vor allem öffentlich geführt. SPD-Co-Parteichef Lars Klingbeil kündigte an, dass die SPD-Spitzen Präsidium und Bundesvorstand am Montag die Nominierung von Scholz als Kanzlerkandidat vorschlagen werden.

Weingarten und Arlt enttäuscht – SPD-Spitze fordert Geschlossenheit

Enttäuscht zeigen sich die, die sich für Pistorius starkgemacht hatten. Darunter auch Joe Weingarten. Der Rheinland-Pfälzer hatte sich am Wochenende als erster SPD-Bundestagsabgeordneter öffentlich für Pistorius und gegen Scholz ausgesprochen. „Ich bedauere diese Entwicklung“, sagte der Abgeordnete dem „Spiegel“ am Donnerstag. „Jetzt muss es das Ziel sein, gemeinsam und geschlossen das bestmögliche Wahlergebnis für die SPD zu erzielen.“

Neben Weingarten hatte sich auch der SPD-Abgeordnete Johannes Arlt im Tagesspiegel für Pistorius als Kanzlerkandidat starkgemacht. „Ich bedauere die Entwicklungen des heutigen Abends“, sagte Arlt dem Tagesspiegel am Donnerstag. Er habe sich eine andere Entscheidung gewünscht.

Dennoch ist es gut, dass wir jetzt Klarheit haben“, so Arlt. Der für Mecklenburg-Vorpommern im Bundestag direkt gewählte Abgeordnete kündigte nun Geschlossenheit an: „Jetzt werden wir die Reihen schließen und gemeinsam für ein gutes Ergebnis kämpfen“.

Klar für Scholz als Kandidaten hatte sich schon vor Wochen der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner ausgesprochen. Nur logisch, ist er doch in Sachen Ukraine innerparteilicher Gegenspieler von Boris Pistorius. Entsprechend freudig äußert er sich nun angesichts der Entscheidung. „Politik ist die Kunst, das Notwendige möglich zu machen – das ist heute erfolgt“, sagte Stegner dem Tagesspiegel.

Von der Kritik anderer Genossen, dass die Partei von der tagelang öffentlich geführten Debatte Schaden genommen hätte, zeigte sich Stegner unbeeindruckt. „Das ist eine gute und notwendige Entscheidung, die keine Stunde zu früh kam“, sagte Stegner dem Tagesspiegel. Jetzt laute der Kampf Scholz gegen Friedrich Merz.

Co-Parteichefin Saskia Esken sagte der „Rheinischen Post“: „Die Entscheidung von Boris Pistorius ist souverän und ein großes Zeichen der Solidarität zur SPD und Bundeskanzler Olaf Scholz.“ Sie fügte hinzu: „Wir haben große Herausforderungen vor uns, die wir nur gemeinsam und mit einer geschlossenen SPD bewältigen können.“ Auch ihr Kollege Klingbeil sagte: „Jetzt geht es um Geschlossenheit und den gemeinsamen Weg und es geht darum, dass wir uns gemeinsam als SPD aus dieser Situation herauskämpfen.“

SPD-Generalsekretär Matthias Miersch rief seine Partei ebenfalls dazu auf, nun geschlossen gegen den „die unsoziale Politik von Friedrich Merz und der CDU“ zu kämpfen, so der Niedersachse gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Die Ministerpräsidentinnen finden auch richtig, dass wir mit Olaf Scholz in den nächsten Bundestagswahlkampf ziehen.

Stephan Weil, Niedersachsens Ministerpräsident

Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil stärkte dem Bundeskanzler den Rücken. „Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten finden auch richtig, dass wir mit Olaf Scholz in den nächsten Bundestagswahlkampf ziehen“, sagte der SPD-Politiker.

Weil lobte Kompetenz und Besonnenheit des Kanzlers. In Krisenzeiten sei es von „fundamentaler Bedeutung, dass an der Spitze der Bundesregierung jemand steht, der mit Erfahrung und mit Umsicht vorgeht und der sicher dafür sorgt, dass wir keinen Krieg haben werden und dass wir alle Möglichkeiten für Frieden nutzen“, sagte Weil.

Union zweifelt an Scholz, Bartsch spricht von „Kasperletheater“

In der Union zeigte man sich von der K-Debatte in der SPD schon seit Tagen unbeeindruckt. Stattdessen gab man sich siegesgewiss – unabhängig davon, gegen wen Friedrich Merz antreten dürfe. „In der SPD ist in den letzten Tagen ein brutaler Machtkampf ausgefochten worden, aus dem Olaf Scholz zwar als Sieger und doch katastrophal beschädigt hervorgeht“, sagte Unions-Fraktionschef Thorsten Frei (CDU) dem Tagesspiegel.

Es sei deutlich geworden, dass große Teile der Partei und der Fraktion Scholz nicht weiter folgen wollen und ihm keinen Wahlsieg mehr zutrauen würden. „Wie soll ein Kanzler, der kaum seine eigene Partei von der Richtigkeit seiner Politik zu überzeugen vermag, die Menschen im Land überzeugen?“, so Frei.

Lindner begrüßt Rückzug von Pistorius – Marquardt gratuliert Scholz und anderen Parteien

Auch Dietmar Bartsch – früher Fraktionschef der Linkspartei und heute Hoffnungsträger als Teil der Mission „Silberlocke“ – kritisierte die Debatte in der K-Frage der SPD. „Ein unverantwortliches politisches Kasperletheater in der SPD geht mit dem erwartbaren Ergebnis zu Ende“, sagte Bartsch dem Tagesspiegel. Die SPD werde nach der Bundestagswahl den Vizekanzler stellen und Olaf Scholz in die Politikerrente gehen, prophezeit der 66-Jährige. „Eine linke Opposition wird umso dringender“, so Bartsch.

Der von Scholz vor 15 Tagen gefeuerte Ex-Finanzminister Christian Lindner (FDP) begrüßte Pistorius Entscheidung. „Es ist mir recht, wenn Herr Scholz der Kanzlerkandidat der SPD ist“, schrieb der FDP-Chef auf X. So wüssten die Menschen, was sie bekämen und was nicht. Dabei verwies Lindner auch auf das von ihm verfasste Papier für eine Wirtschaftswende.

Die Freien Demokraten müssen auch nach dem Ampel-Aus um den Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag bangen. Auch dem am Donnerstag veröffentlichten „ARD-Deutschlandtrend“ zufolge liegt die FDP weiter bei nur vier Prozent.

Aus der Parteispitze der Grünen gab es zunächst keine Reaktion auf die Entscheidung in der K-Frage des Koalitionspartners. „Herzlichen Glückwunsch an Olaf Scholz zur Kanzlerkandidatur der SPD“, schrieb EU-Parlamentarier Erik Marquardt (Bündnis 90/Die Grünen) auf X und fügte hinzu: „Und herzlichen Glückwunsch auch den anderen Parteien im Wahlkampf zum Kanzlerkandidaten der SPD.“

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