
© dpa/Sven Hoppe
Söder wittert Skandal nach Flutkatastrophe: Wie die Bundesregierung auf den Vorwurf ausbleibender Hilfe reagiert
Markus Söder wirft der Ampel vor, Bayern bei der Hochwasserhilfe im Stich gelassen zu haben. Scholz, Habeck und Faeser hätten zudem ihre Versprechen gebrochen. Was sagt man in den Ministerien dazu?
Stand:
Markus Söder ist für seine markigen Worte landesweit bekannt – er selbst würde wahrscheinlich sagen, auch darüber hinaus. Die Worte, die der Ministerpräsident am Dienstag nach einer Kabinettsitzung im niederbayrischen Kloster Weltenburg an den Bund adressierte, wiegen jedoch auch für jemanden wie ihn schwer.
Denn Söder hat der Ampelregierung – und ganz direkt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) – vorgeworfen, Bayern bei der Beseitigung der Hochwasserschäden infolge der Flutkatastrophe im Juni komplett im Stich gelassen zu haben: Er sprach auf einer Pressekonferenz von einem „Skandal“, von „nicht eingehaltenen Versprechen“ und „Solidarität für alle außer Bayern“. Was ist dran an diesen Vorwürfen und wie reagiert man in der Bundesregierung darauf?
Nach kräftigem Dauerregen – teilweise Jahrhundertniederschlägen – kam es Anfang Juni in großen Teilen Süddeutschlands zu starkem Hochwasser, insbesondere in Baden-Württemberg und Bayern. Tausende wurden vorsorglich evakuiert und mit Hubschraubern oder Booten aus ihren Häusern gerettet.
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Trotzdem kamen mehrere Menschen ums Leben. Wohnhäuser, Infrastruktur und Ackerflächen wurden zerstört. Die Schäden wurden zunächst auf zwei, später auf rund fünf Milliarden Euro geschätzt – und der Bund bleibe bis heute tatenlos, so Söder.
Erster Vorwurf: „Nichts, bislang gar nichts, ist an Hilfe gekommen.“
Söder bezog sich bei dieser Aussage sowohl auf mangelnde Unterstützung aus dem Flutaufbaufonds, in den auch Bayern einzahle, als auch ausbleibende Soforthilfen. „Wir empfinden es als Skandal“, sagte der Nürnberger am Dienstag.
In der Bundesregierung sieht man das anders. Direkt wolle man die Aussagen Söders nicht kommentieren, hieß es am Dienstagabend. Doch sowohl im Kanzleramt als auch im Wirtschaftsministerium verwies man auf das eingeübte Verfahren, in dem Bund, Länder und Kommunen vor Ort in bewährter Weise Hand in Hand arbeiteten – auch in Bayern. „Die betroffenen Länder unterstützte die Bundesregierung mit Kräften von THW, Bundeswehr, Bundespolizei und dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe“, sagte eine Regierungssprecherin dem Tagesspiegel. Die Unterstützung reiche von der Rettung von Menschen und dem Schutz von Sachgütern bis zur Instandsetzung von Infrastruktur und Aufräumarbeiten.

© IMAGO/onw-images/IMAGO/Alexander Wolf
Neben Polizei, Feuerwehr und Freiwilligenorganisationen wie der DLRG waren auch tausende Kräfte des Technischen Hilfswerks (THW) permanent im Einsatz. Das THW ist eine Katastrophenschutzorganisation des Bundes und liegt im Geschäftsbereich des von Nancy Faeser geführten Innenministeriums. „Durch den Einsatz des THW hat der Bund den Freistaat Bayern und die betroffenen Regionen auch in dieser Hochwasserlage erheblich unterstützt“, sagte eine Sprecherin dem Tagesspiegel.
Der Bund hilft auch bei Instandsetzung von durch die Fluten zerstörten Gebäuden. Das Wirtschaftsministerium (BMWK) hat etwa die Verfahren in der „Bundesförderung für effiziente Gebäude“ (BEG) für Flutopfer vereinfacht. Betroffene können unter anderem erneut einen Förderantrag stellen, auch wenn ihr Gebäude erst kürzlich mithilfe der BEG saniert oder neu errichtet wurde. Zudem kann der Klimageschwindigkeitsbonus auch für kaputte Heizungen beantragt werden (normalerweise nur für noch funktionsfähige Heizungen). „Die beschlossenen Verfahrenserleichterungen tragen der besonderen Lebenssituation der Menschen vor Ort Rechnung und ermöglichen ihnen eine unkomplizierte Inanspruchnahme der Mittel der BEG“, sagte ein BMWK-Sprecher dem Tagesspiegel.
Zweiter Vorwurf: „Es wurden Versprechen gemacht, die nicht eingehalten wurden.“
Der bayrische Ministerpräsident ging am Dienstag auch direkt Mitglieder der Bundesregierung an. „Als das Hochwasser war, konnte man gar nicht schnell genug schauen, bis Bundesminister da waren“, sagte Söder. Unter anderem Robert Habeck, Nancy Faeser und Olaf Scholz (SPD) „standen uns quasi und den Helfern auf den Füßen“, fügte er hinzu.
Tatsächlich reisten damals schon früh verschiedene Ministerinnen und Minister des Bundes nach Bayern (und andere Regionen). Versprechen über etwaige Bundeshilfen wurden dabei allerdings nicht abgegeben. Vielmehr machten sich die Mitglieder der Bundesregierung vor allem ein Bild von der Lage und dankten den Einsatzkräften.
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„Robert Habeck hatte im Juni bei seinem Besuch in den Hochwassergebieten auf bestehende Mechanismen hingewiesen, die für Fluthilfen bestehen und darauf, dass dann innerhalb der Bundesregierung geprüft werden muss, welche Hilfen greifen“, sagte ein Sprecher seines Hauses auf Tagesspiegel-Anfrage. Das Wirtschaftsministerium habe seinen Fluthilfe-Beitrag mit den Anpassungen der BGE geleistet.
Auch Scholz kündigte im oberbayrischen Reichertshofen an, der Bund werde mit seinen Möglichkeiten alles dazu beitragen, „dass hier schnell weitergeholfen werden kann“ – etwa mit der Bundeswehr. Der Kanzler verwies, wenn auch hölzern und vage, auf eine „geübte Praxis der Solidarität“, die man in Deutschland habe. „Das werden wir auch hier machen. Das gehört sich so“, sagte Scholz damals. Damit Bundeshilfen geleistet werden können, müssen allerdings rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein, was zum dritten Vorwurf führt.
Dritter Vorwurf: „Solidarität gilt für alle, nur nicht für Bayern.“
Markus Söder monierte, dass der Freistaat bis zu einer Milliarde für die Hilfe anderer Länder ausgebe, wie im Fall des Hochwassers im Ahrtal im Juli 2021, auf der anderen Seite Bayern aber komplett allein gelassen würde.
Um Hilfen aus dem Flutaufbaufonds zu erhalten, muss es sich allerdings um ein Hochwasser nationalen Ausmaßes handeln. Das will Söder nicht gelten lassen. Hier gebe es keinen Unterschied, sagte Söder am Dienstag. Eine bestimmte Schadenshöhe, ab der ein nationales Ausmaß gegeben ist, gibt es nicht. Bisher legt das die Bundesregierung fest. Einer Studie des Wirtschaftsministeriums zufolge beliefen sich die Schäden durch die Überschwemmungen 2021 mit mehr als 40 Milliarden Euro auf rund das Achtfache im Vergleich zu denen in Bayern.
Die Zuständigkeit für den Ausgleich der Schäden liegt nach dem Grundgesetz zudem grundsätzlich bei den betroffenen Ländern. „Der Bund kann nur ausnahmsweise im Fall von Naturkatastrophen nationalen Ausmaßes mit Finanzhilfen unterstützen“, sagte eine Regierungssprecherin dem Tagesspiegel. Ob weitere finanzielle Hilfen möglich und notwendig seien, könne erst auf Basis einer detaillierten Schadensanalyse beurteilt werden. „Diese liegt zurzeit noch nicht vor“, teilte die Sprecherin mit.
Während der bayrische Ministerpräsident am Dienstag also vor allem die Ampelkoalition für die unzureichende Solidarität bei der Bewältigung der Flutkatastrophe anging, waren Söder und die bayrische Landesregierung insgesamt selbst früh in die Kritik geraten.
Der Polderbau wurde im Jahr 2018 vor allem auf Druck der Freien Wähler gestoppt. Bayerns Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sagte damals, Polder seien überflüssig und teuer. Söder wurde zudem für seine Aussage kritisiert, dass mit einem derartigen Ausmaß der Flut niemand hätte rechnen können. Klimafachleute warnen allerdings schon seit Jahren vor zunehmenden Extremwetterereignissen.
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