zum Hauptinhalt
Schnell war klar, dass es für Olaf Scholz und die SPD für die absolute Mehrheit reichen würde.

© dpa

Ausgezählt: SPD holt absolute Mehrheit in Hamburg

Die SPD startet mit einem grandiosen Sieg ins Superwahljahr und holt die absolute Mehrheit in Hamburg. Die CDU erlebt ein Debakel.

Die Sozialdemokraten erreichen bei der Hamburger Bürgerschaftswahl die absolute Mehrheit. Das ergab die vom Landeswahlleiter im Internet veröffentlichte Auszählung der Zweitstimmen in allen 1743 Wahllokalen der Hansestadt. Demnach kann die SPD mit ihrem Spitzenkandidaten Olaf Scholz die Hansestadt künftig alleine regieren. Die vom früheren Bundesarbeitsminister Scholz geführte SPD kommt auf 48,3 Prozent der Stimmen, was ein Zugewinn von gut 14 Prozentpunkten bedeutet und das beste Ergebnis der Sozialdemokraten bei einer Landtagswahl seit 1994 in Brandenburg. Bei der Bürgerschaftswahl 2008 lag sie noch bei 34,1 Prozent. Zuweilen hatten die Hochrechnungen die SPD bei fast 50 Prozent gesehen.

Die CDU mit dem bisherigen Bürgermeister Christoph Ahlhaus erzielte nur noch 21,9 Prozent (2008: 42,6) - sie hat damit ihren Stimmenanteil praktisch halbiert. Die Grünen (GAL) mit Spitzenkandidatin Anja Hajduk (47) liegen bei 11,2 Prozent (2008: 9,6) und damit bei weitem nicht auf dem Niveau ihrer bundesweiten Umfragewerte. Die FDP ist mit 6,6 Prozent erstmals seit sieben Jahren in der Bürgerschaft.

Die Linke schaffte mit 6,4 Prozent unverändert wieder den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde.

Die abschließende Sitzverteilung wurde zunächst nicht veröffentlicht. Nach den letzten Hochrechnungen ist die Bürgerschaft zukünftig jedoch wie folgt besetzt: SPD kommt auf 62 Sitze, im Vergleich zu 45 in der jetzigen Bürgerschaft. Die CDU wird nur noch 28 Sitze (56), die Grünen mit 14 zwei mehr als 2008 (12). Die Linke bleibt bei acht Sitzen, die FDP kommt auf neun Sitze (0). Die Wahlbeteiligung erreichte mit lediglich 57 Prozent einen neuen Tiefstand.

Angesichts des starken Ergebnisses zeichnete sich bereits am frühen Abend eine Alleinregierung der Sozialdemokratie in ihrer traditionellen Hochburg ab. Für den Fall, dass es zu einer Mehrheit der Sitze in der Bürgerschaft nicht reichen würde, hatte Scholz eine rot-grüne Koalition als wünschenswert bezeichnet. Die allerdings wird er nicht benötigen. Der frühere Bürgermeister Henning Voscherau, der eher eine sozialliberale Koalition favorisiert hatte, freute sich über den SPD-Erfolg: „So ein schönes Erlebnis hatten wir in den letzten 20 Jahren nicht.“

Dramatische Verluste verzeichnete am Sonntag die CDU mit Bürgermeister Christoph Ahlhaus als Spitzenkandidat, die 2008 noch 42,6 Prozent geholt hatte. Es ist das schlechteste Ergebnis der Christdemokraten seit 1946. CDU-Spitzenkandidat Christoph Ahlhaus stellte sich bereits eine Viertelstunde nach Erscheinen der ersten Prognose auf der CDU-Wahlparty der Öffentlichkeit. Das Ergebnis nannte der CDU-Spitzenkandidat "schmerzhaft", Ahlhaus sprach auch von einer "Stunde der Ratlosigkeit" und versprach eine "rückhaltlose Analyse". Als Grund für die Erdrutschniederlage nannte Ahlhaus die zu weit gehenden Zugeständnisse an den kleinen Koalitionspartner zu Zeiten der schwarz-grünen Koalition. "Das haben unsere Wähler nicht mehr verstanden." Auf die Frage nach personellen Konsequenzen antwortete er, er werde sich nicht vor Verantwortung in schwieriger Zeit drücken.

Um 18.30 Uhr trat dann auch Olaf Scholz bei der SPD-Wahlparty vor das Parteivolk, das ihm minutenlang zujubelte. Scholz sprach zwar von einem „sehr, sehr beeindruckenden Wahlergebnis“, der 52-jährige frühere Bundesarbeitsminister versprach, sich nun „an die Arbeit“ zu machen. Er nehme das große Vertrauen der Bürger sehr ernst. Viele Wähler hätten den Wunsch „nach einer seriösen Politik“, etwa nach soliden Finanzen. Scholz kündigte an, einen Kurs aus wirtschaftlicher Vernunft und sozialem Zusammenhalt fahren zu wollen. Der künftige Hamburger Bürgermeister zeigte sich demonstrativ ernsthaft und dämpfte die Euphorie: Die Wahl sei vor allem Auftrag und Verpflichtung, noch sei nichts erreicht. Scholz betonte die Sehnsucht der Hamburger nach einer "seriösen, pragmatischen und verlässlichen Politik". Dies sei ein großer und ernstzunehmender Auftrag, "wir werden uns an die Arbeit machen". Es gehe darum, zu erreichen, was vernünftig und möglich sei, um eine ambitionierte Wirtschaftspolitik mit sozialer Verantwortung zu betreiben. "Dafür steht die Sozialdemokratie."

SPD-Chef Sigmar Gabriel war weniger bescheiden und nannte den Sieg ein „historisches Ergebnis. Nicht nur für uns, sondern auch für die anderen.“. Der Erfolg habe einen Namen, "und der heißt Olaf Scholz".

Ein eher enttäuschender Abend wurde es für die Grünen: Ihr Stimmanteil stieg entgegen der Erwartungen nur leicht auf elf Prozent – offenkundig misslang es der Grün-Alternativen Liste (GAL), die 2008 eine Koalition mit der CDU eingegangen war, das bundesweite Hoch der Partei in den Umfragen der vergangenen Monate in Stimmen umzusetzen. Bei der vorigen Wahl hatte die GAL 9,6 Prozent bekommen. Grünen-Spitzenkandidatin Anja Hajduk sprach von einem "gemischten Ergebnis", das die Regierungsbeteiligung der Grünen kosten könnte: Man sei angetreten, Hamburg aktiv mitzugestalten. "Natürlich würden wir das lieber aus der Exekutive heraus tun."

Für die Grünen ist es besonders bitter, nun auf der Oppositionsbank zu enden: Ihr Ausstieg aus der Koalition mit der CDU hatte die vorgezogene Wahl vom Sonntag überhaupt erst nötig gemacht. Als Grund für den Ausstieg hatten sie fehlendes Vertrauen in Ahlhaus genannt, doch mussten die Grünen sich auch mit dem Vorwurf auseinandersetzen, den Koalitionsbruch wegen ihrer damals sehr guten Umfragewerte inszeniert zu haben und auf eine rot-grüne Koalition zusteuern zu wollen. Zuvor war der langjährige und in der Hansestadt sehr populäre Bürgermeister Ole von Beust (CDU) im Sommer – nach der Niederlage der Stadtregierung bei einem Bürgerentscheid zur Schulpolitik – zurückgetreten.

FDP und Linkspartei hatten vor dem Wahltag gezittert, am frühen Sonntagabend aber zeichnete sich ab, dass wohl beide Parteien mit jeweils 6,5 Prozent der Stimmen in der neuen Bürgerschaft vertreten sein würden. Die Freidemokraten mit Spitzenkandidatin Katja Suding sind damit nach einer Fehlzeit von zehn Jahren in Hamburg wieder parlamentarisch vertreten. 2008 und 2004 hatten sie es nicht über die Fünfprozenthürde geschafft. Die FDP, der ihr Umfragetief zuletzt eine Führungsdebatte beschert hatte, wertete den Wiedereinzug in die Hamburger Bürgerschaft als guten Auftakt für die weiteren Landtagswahlen. Das Ergebnis zeige, „wenn die FDP kämpft, entschlossen und geschlossen ist“, dann gewinne sie auch Wahlen, sagte Parteichef Guido Westerwelle.

Die Linke war 2008 auf 6,4 Prozent gekommen, mit ihrer Spitzenkandidatin Dora Heyenn zogen sie nun abermals ins Landesparlament ein. Das dürfte zu Aufatmen auch in Berlin geführt haben: Ein Scheitern hätte wohl eine neue Führungsdiskussion in der Bundespartei nach sich gezogen.

Die großen Sieger des Abends aber waren selbstverständlich Olaf Scholz und die SPD. Es wird voraussichtlich das stärkste Ergebnis der Partei seit 1982, die CDU würde von zuletzt 42,6 Prozent mehr als 20 Prozentpunkte auf ein neues Allzeittief abrutschen.

Zur Wahl aufgerufen waren am Sonntag etwa 1,3 Millionen Hamburger. Erstmals wählten die Hamburger nach einem neuen Wahlrecht, bei dem sie zehn Stimmen einsetzen konnten, jeweils fünf für die Parteilisten und den Wahlkreis. Die Stimmen konnten auch auf mehrere Parteien verteilt und auf bestimmte Kandidaten gebündelt werden. Da dieses Panaschieren und Kumulieren die Auszählung der Stimmen verlängert, wurde mit einem vorläufigen Endergebnis am Sonntag nicht gerechnet. Dazu kam, dass nicht nur die Bürgerschaft neu bestimmt wurde, sondern auch Bezirksversammlungen neu gewählt wurden.

Die Hamburger Wahl war der Auftakt zu einer Reihe von insgesamt sieben Landtagswahlen in diesem Jahr. Der nächste Urnengang steht am 20. März in Sachsen-Anhalt an, wo derzeit eine schwarz-rote Koalition regiert. In Baden- Württemberg und Rheinland-Pfalz wird am 27. März gewählt. Im „Ländle“ geht es darum, ob die schwarz-gelbe Koalition unter Ministerpräsident Stefan Mappus weiterregieren kann, ob Mappus mit der SPD regieren muss oder ob eine grün-rote Koalition zu Stande kommt. In Rheinland-Pfalz muss Ministerpräsident Kurt Beck mit dem Ende der Alleinregierung seiner SPD rechnen. Am 22. Mai steht in Bremen die Abstimmung über die rot-grüne Koalition in der Hansestadt an, am 4. September wählen die Bürger im rot-schwarz regierten Mecklenburg- Vorpommern, und am 18. September schließlich stimmen die Berliner ab.

Für den Bundesrat hat das Ergebnis der Hamburger Wahl nur geringe Auswirkungen, denn die Bundesregierung hat dort seit der Wahl in Nordrhein-Westfalen im vorigen Mai schon keine Mehrheit mehr. Mit dem Sieg der SPD in der Hansestadt wächst das Oppositionslager in der Länderkammer um drei auf 24 Stimmen. Zu einer eigenen Mehrheit fehlen SPD, Grünen und Linken damit noch elf Stimmen. (mit dapd/AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false