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Stichelei gegen Angela Merkel: Markus Söder will keine „Ratschläge von gestern“
Auf dem CSU-Parteitag verzichtet Markus Söder ausnahmsweise auf Spitzen gegen Friedrich Merz. Dafür greift er massiv die AfD an – und kurz auch Ex-Kanzlerin Merkel.
Stand:
Seine vielleicht dringendste Botschaft spricht Markus Söder schon nach drei Minuten aus: „Wir dürfen unser Land nicht dauerhaft den Radikalen überlassen. Auf gar keinen Fall.“ Damit meint er die AfD, die es unbedingt zurückzudrängen gelte. Söder sagt: „Die AfD ist und bleibt der Systemgegner unserer freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie.“
Die Vehemenz, mit der sich der Parteivorsitzende der CSU am Samstag auf dem Parteitag in Nürnberg gegen die AfD ausspricht, ist bemerkenswert. Das Parteiprogramm der AfD sei laut Söder geeignet, Deutschland in eine volkswirtschaftliche Katastrophe zu führen. Viele ihrer Köpfe seien „moralisch nicht geeignet zur Führung eines Landes – und deshalb müssen wir sie bekämpfen“.
Er selbst garantiere, dass es keine Zusammenarbeit mit dieser Partei geben werde: „Wir sind der Schutzwall. Wir sind die Brandmauer.“
Mitten im Wahlkampf irgendwelche alten Rückspiele auszutragen, ich weiß nicht, ob das notwendig ist.
Markus Söder zu den Einlassungen Merkels
Verständnis zeigt Söder sogar für die Menschen, die seit der gemeinsamen Abstimmung von Union und AfD im Bundestag deutschlandweit gegen Rechtsextremismus auf die Straße gehen: „Wenn Ihr gegen die AfD demonstriert, habt Ihr uns an Eurer Seite.“ Und dann wiederholt er zwei Sätze, die in den vergangenen Wochen bereits mehrfach von ihm zu hören waren: „Weimar war kein Ereignis. Weimar war ein längerer Prozess.“
Söder kritisiert Merkel, ohne sie beim Namen zu nennen
In dessen Verlauf seien die Demokraten immer „müder, schwächer, ängstlicher“ geworden. „Und am Ende haben sie kapituliert.“ Lediglich die SPD, auch dies müsse man immer wieder sagen, habe zum Schluss „im Reichstag noch Rückgrat gehabt. Alle anderen haben frühzeitig aufgegeben.“
Überraschend auch, dass Markus Söder in seiner Rede entgegen seiner Gewohnheit auf jegliche Spitzen gegen Friedrich Merz verzichtet. Stattdessen betont er, wie wichtig es sei, den Kandidaten der Schwesterpartei ins Kanzleramt zu bringen. Seine kürzliche Bemerkung, bei Merz’ Vorgehen im Bundestag habe es sich um einen „steilen Move“ gehandelt, wiederholt Söder in Nürnberg nicht.
Stattdessen stichelt er gegen Angela Merkel, die sich öffentlich von der Inkaufnahme von AfD-Stimmen durch Merz im Bundestag distanziert hatte. Wörtlich sagt Söder: „Ich weiß auch nicht, ob ständig Ratschläge von gestern notwendig sind. Mitten im Wahlkampf irgendwelche alten Rückspiele auszutragen, ich weiß nicht, ob das notwendig ist.“
Gegen Mittag betritt dann Friedrich Merz die Halle. Sein Einzug erinnert an den eines Boxkämpfers in die Arena, allerdings dauert er mehrere Minuten und wird von Telefonwarteschleifenmusik untermalt. Die Ouvertüre gerät so langatmig, dass viele Anwesende bereits mit dem Klatschen aufgehört haben, als Merz schließlich das Mikrofon erreicht.

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Sehr viel kraftvoller fällt seine Rede aus. Auch Merz verspricht, dass nach der Bundestagswahl weder eine Regierungsbeteiligung der AfD noch eine Duldung durch die AfD infrage komme. Schon allein deshalb, weil die CDU für die Westbindung der Bundesrepublik stehe, während die AfD „ihr Heil auf dem Schoß von Putin“ suche.
Merz hofft in der Migrationspolitik auf die SPD
Merz würde nicht nur Deutschland verraten, sondern auch die Seele seiner Partei, würde er sich mit dieser Partei einlassen. Anschließend warnte der CDU-Chef die Wähler der AfD: Deren Stimmen seien schon am Morgen nach der Bundestagswahl „nichts mehr wert. Aber auch gar nichts.“
Deutschland müsse ein offenes, liberales Land bleiben, auch ein Einwanderungsland, sagt Merz. Zudem lobt er die Lebensleistung der Gastarbeiter, die Deutschlands Wohlstand gemehrt hätten. Gleichzeitig wirbt er für eine Begrenzung der Migration – und zeigt sich überzeugt, dass nach der Wahl auch viele SPD-Abgeordnete auf seinen strikteren Kurs einlenkten. Er empiehlt einen Blick nach Dänemark, wo Integration funktioniere.
Pipifax.
Friedrich Merz über eine EU-Verordnung, mit der der Plastikmüll in der Umwelt reduziert werden soll
Das Verhältnis zwischen CDU und CSU sei im Bundestag „selten besser gewesen“ als jetzt, lobt Merz. Und er verspricht, dass beide Parteien künftig stärker auf Brüssel einwirken werden. Bei dieser Gelegenheit macht sich Merz über die EU-Verordnung lustig, mit der aus Umweltschutzgründen lose Verschlusskappen bei bestimmten Flaschen und Getränkeverpackungen verboten sind.
„Das braucht kein Mensch“, sagt Merz. Statt um solchen „Pipifax“, den sowieso niemand ernst nehme, solle sich Europa lieber um Handels-, Außen- und Sicherheitspolitik kümmern. Die ersten Tage der zweiten Präsidentschaft von Donald Trump nennt Merz in Nürnberg „in höchstem Maße besorgniserregend“.
Die Abrechnung mit der Ampelkoalition überlässt Merz am Samstag Markus Söder. Der wettert über Rezession,
Arbeitslosenquote, Insolvenzen und den Rückfall im weltweiten Wettbewerbsranking. Seine Erklärung: „Grün war zu dominant, die FDP war zu schwach und die SPD gar nicht anwesend.“ Als die Ampel zerbrach, sei dies ein Moment der Erleichterung gewesen. Außerdem schlägt er eine neue Bezeichnung für Rot-Grün vor: „Dunkelflaute“.
Besonders die Grünen greift Söder erneut scharf an. Er unterstellt ihnen eine „Gier auf das Ersparte“ der Bundesbürger, zudem seien und blieben sie „Autohasser“. Eine Zusammenarbeit mit dieser Partei schließt er erneut aus. Deren Spitzenpersonal dürfe künftig keine Ministerposten mehr bekleiden, die Partei müsse dringend in die Opposition geschickt werden: „Es hilft nichts. Sie haben es nicht gekonnt.“
Womöglich ist diese Passage seiner Rede die einzige, auf die Friedrich Merz an diesem Tag lieber verzichtet hätte.
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