
© Imago/Photothek/Kira Hofmann
„Terrorismus bekämpft man nicht im Panikmodus“: Baerbock warnt in Migrationsdebatte vor Überbietungswettbewerb
Der aus Syrien stammende Tatverdächtige von Solingen steht unter Terrorverdacht. Zu der Forderung von Merz, keine Geflüchteten mehr aufzunehmen, sagt die Außenministerin: Es müsse differenziert werden.
Stand:
Die Messerattacke von Solingen mit drei Toten hat die Debatte über den Kurs in der Migrationspolitik in Deutschland neu entfacht. Tatverdächtig ist ein aus Syrien stammender 26-jähriger Mann, der eigentlich hätte abgeschoben werden sollen. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn unter anderem wegen Mordes und des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS).
Innerhalb weniger Tage einigte sich die Ampelkoalition auf ein Paket in der Sicherheits- und Asylpolitik. Auch nach einem ersten Gipfel von Kanzler Olaf Scholz (SPD) und den Bundesländern reichen der Union die beschlossenen Maßnahmen längst nicht aus, sie pocht unter anderem auf Zurückweisungen von Migranten an den deutschen Grenzen.
Vorschläge, die hart klingen, aber nicht umsetzbar sind, weil sie gegen Grundgesetz oder Europarecht verstoßen, eignen sich vielleicht für populistische Überschriften, machen unser Land aber keinen Deut sicherer
Annalena Baerbock, Außenministerin (Grüne)
Migrationspolitik: Baerbock warnt vor Überbietungswettbewerb
Außenministerin Annalena Baerbock warnt in der Debatte um schärfere Asylregeln nun vor einem Überbietungswettbewerb. „Terrorismus bekämpft man nicht im Panikmodus. In einer derart aufgeheizten Lage, in der unsere Demokratie von innen und außen herausgefordert ist, braucht es Differenzieren statt Pauschalisieren“, sagte die Grünen-Politikerin dem „Spiegel“.
„Vorschläge, die hart klingen, aber nicht umsetzbar sind, weil sie gegen Grundgesetz oder Europarecht verstoßen, eignen sich vielleicht für populistische Überschriften, machen unser Land aber keinen Deut sicherer“, so die Außenministerin, die sich gerade auf einer Nahost-Reise befindet.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Baerbock schließt Abschiebungen nach Syrien nicht aus
Ihre Kritik richtet Baerbock vor allem an CDU-Chef Friedrich Merz, der unter anderem vorgeschlagen hat, keine Geflüchteten mehr aus Syrien und Afghanistan aufzunehmen. „Die Trennlinie bei der Bekämpfung des Extremismus verläuft doch nicht zwischen hier Geborenen und Zugezogenen, sondern ob man mit beiden Beinen auf dem Boden unseres Grundgesetzes steht oder eben nicht“, sagte die Grünen-Politikerin.
„Mir ist unerklärlich, was Vorschläge sollen, die pauschal auf alle Syrer abzielen und nicht zwischen einem islamistischen Mörder und einer Familie, die vor dem IS aus Syrien geflohen ist, unterscheiden“, so Baerbock.
Dennoch schloss Baerbock Abschiebungen nach Syrien nicht grundsätzlich aus. „Schwerstverbrecher verwirken ihren Schutz, unabhängig davon, wo sie herkommen“, sagte sie weiter. Aber Abschiebungen nach Syrien seien „alles andere als trivial“, zumal „Syrien nicht gleich Syrien“ sei. „Wenn wir den Mörder Baschar al Assad und damit auch seine Verbündeten Iran und Russland stärken, dann hätten wir sicherheitspolitisch mit Zitronen gehandelt“, warnt Baerbock.
Zugleich betont sie, dass es Gebiete etwa im kurdisch kontrollierten Nordosten gebe, die „Assad wiederum nicht kontrolliert“. Mit den dortigen Autoritäten habe man bereits erfolgreich kooperiert. „Allerdings gibt es auch dort Kampfhandlungen, nicht zuletzt türkische Militärschläge“, sagte Baerbock. „Die Machtverhältnisse und damit die Sicherheitslage in Syrien sind hochkomplex. Wer da mit Pauschalaussagen kommt, offenbart vor allem seine außenpolitische Ahnungslosigkeit.“
Union will „irreguläre Migration beenden“
Die Unionsfraktion will sich hinter die Forderung von CDU-Chef Friedrich Merz nach einer Zurückweisung von Flüchtlingen an den deutschen Grenzen stellen. Dies habe „Top-Priorität“, heißt es nach AFP-Informationen im Entwurf für einen Beschluss des geschäftsführenden Vorstands der CDU/CSU-Fraktion, der am Freitag beschlossen werden soll. Nur wenn die Ampel-Regierung dazu bereit sei, seien weitere Gespräche mit ihr über die Migrationspolitik „überhaupt sinnvoll“.
In einem fünfseitigen Papier will der Fraktionsvorstand, der derzeit im brandenburgischen Neuhardenberg eine Klausurtagung abhält, demnach umfassend in der Asyl- und Migrationsdebatte Position beziehen. Die Beschlussvorlage trägt den Titel „Bereit für Verantwortung: Irreguläre Migration beenden – Innere Sicherheit wiederherstellen“.
Darin werden dem Bericht zufolge auch weitere Forderungen aus den vergangenen Wochen und Monaten bekräftigt: die Ausweitung stationärer Kontrollen auf alle deutschen Grenzen, ein Aufnahmestopp für Syrer und Afghanen, Asylverfahren in Drittstaaten und ein „zeitlich unbegrenzter Ausreisearrest“ für Straftäter und Gefährder.
Merz hatte der Regierung diese Woche eine Frist bis Dienstag für eine Zusage bei den Zurückweisungen an den Grenzen gesetzt. Ansonsten will er die in dieser Woche begonnenen Gespräche mit dem Regierungslager über die Asyl- und Migrationspolitik abbrechen.
- "Islamischer Staat"
- Afghanistan
- Ampelkoalition
- Annalena Baerbock
- CDU
- Die Grünen
- Friedrich Merz
- Migration
- Olaf Scholz
- SPD
- Syrien
- Terrorismus
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: