Die CDU-Führung befreit sich: von Helmut Kohl, von Wolfgang Schäuble, von ihrer gemeinsamen Ära, und dazu von den Ritualen der Macht, die sie über Jahrzehnte eingeübt hat. Die Führungsgremien waren folgsam aufs Wort: Nur der eine gab die Kommandos.
Wolfgang Schäuble
Schobel? Schaouble?
Das Politbarometer ist eine Momentaufnahme der politischen Stimmung in Deutschland, mehr nicht. Aber wer die Ergebnisse über Monate hinweg nebeneinander stellt, erhält einen zuverlässigen Überblick, wie sich die Sympathiewerte für Personen und Parteien langfristig verändern.
Monatelang hat sich Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber - und mit ihm die gesamte CSU - zurückgehalten. Eine fast übermenschliche Anstrengung für einen Mann, der mit guten Ratschlägen für andere sonst schnell bei der Hand ist.
"Eine Ente" nennt der CDU-Fraktionsvorsitzende Norbert Kartmann die Zeitungsmeldung, Roland Koch werde noch in dieser Woche zurücktreten. Der Ministerpräsident habe, auf seine angebliche Amtsmüdigkeit angesprochen, laut gelacht, berichtet Parteisprecher Christian Schnee.
Breite Zustimmung zu Friedrich Merz als Fraktionschef, Vielstimmigkeit in der Frage, wer Parteivorsitzender werden soll - so lassen sich die Reaktionen auf eine Tagesspiegel-Umfrage in den CDU-Landesverbänden auf Wolfgang Schäubles Doppel-Rücktritt zusammenfassen. In der baden-württembergischen CDU, dem Heimatverband von Schäuble, ist man uneins in der Frage des Parteivorsitzes: Während Ministerpräsident Erwin Teufel seinem thüringischen Amtskollegen Bernhard Vogel zuneigt, fordert der Stuttgarter Fraktionschef Günther Oettinger eine Verjüngung: "Wenn die Bundestagsfraktion mutig genug ist, Friedrich Merz und nicht Rudolf Seiters an die Spitze zu wählen, muss die Partei den gleichen Mut zeigen.
Jörg Schönbohm sieht sich in "Sippenhaft" genommen. Michael Mara und Thorsten Metzner sprachen mit dem CDU-Landesvorsitzenden über die 41-Millionen-Strafe für die CDU und ihre Konsequenzen, über die Kita-Kürzungen und die Fusion mit Berlin.
Im Abschied hat er zu sich selbst zurückgefunden, endlich. Da war Wolfgang Schäuble klar und logisch, da hat er wieder gewusst, was wichtig ist - das Überleben der CDU.
"Ohne einen sichtbaren, also auch personellen Neuanfang" könne sich die CDU "nicht aus der Umklammerung der Krise befreien", begründete Wolfgang Schäuble seinen Rückzug vom Vorsitz der Unionsfraktion und vom CDU-Parteivorsitz. Seine Erklärung in Auszügen"Die CDU befindet sich in der schwersten Krise ihrer Geschichte.
Was zeigt sich da auf Wolfgang Schäubles Gesicht? Dass der selbst bei dieser Gelegenheit noch grinst, empört sich einer aus der CDU, dabei liegen wir am Boden.
Die Berliner CDU reagierte gestern bestürzt auf den plötzlichen Rückzug des Partei- und Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Schäuble. Er habe "in honoriger Weise die Konsequenz aus einer Situation gezogen, in der er sich nicht mehr frei für die politische Auseinandersetzung hielt", attestierte der CDU-Landesvorsitzende Eberhard Diepgen dem Parteifreund.
Die Thüringische Landesvertretung war in den letzten Tagen Schauplatz der dramatischen Entwicklungen um Wolfgang Schäuble. Das Haus an der Mohrenstraße in Mitte war der erste Neubau eines Bundeslandes in Berlin.
Es geht um den Vorsitzenden. Darum ist er nicht da.
Freiheit, lautet der fast bis zur Bedeutungslosigkeit zitierte Satz von Rosa Luxemburg, sei immer die Freiheit des Andersdenkenden. Im real existierenden Staatssozialismus war er eine Provokation für die Herrschenden.
Es wirkt wie ein Duell, was sich da zwischen Wolfgang Schäuble und Karlheinz Schreiber abspielt. Um in Schreibers Berufsjargon zu bleiben: Ständig lädt der Waffenhändler nach.
Die Verwechslung ist beabsichtigt: Wenn das Plakat einen Auftritt der "Philharmonischen Cellisten" zusammen mit Dieter Hildebrandt ankündigt, soll der Kartenkäufer natürlich an die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker denken. Mit denen haben die sechs Herren und ihr Programm "Vorsicht Klassik!
Für Wolfgang Schäuble ist die "Zeit der reinen Selbstbeschäftigung zu Ende". Angela Merkel ist "überzeugt, dass die jetzige Parteiführung gut im Sattel sitzt".
Politik: Für Geschäftsführer Repnik ist Schäuble entlastet - Weyrauch sieht sich als kleines Rädchen
Der Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Hans-Peter Repnik, sieht die Vorwürfe gegen CDU-Partei- und Fraktionschef Wolfgang Schäuble im Zusammenhang mit der 100 000-Mark-Spende des Waffenhändlers Karlheinz Schreiber als geklärt an. Im im Norddeutschen Rundfunk sagte er, es gebe Zeugen dafür, dass Schäuble das Geld erhalten und weitergereicht habe.
Waren das Monate: Die CDU eilte von Sieg zu Sieg, die Granden der Partei strahlten und ließen sich auf Parteitagen feiern. Mittendrin Wolfgang Schäuble, der Stratege.
Wer vertritt eigentlich die CDU in Talkshows, wenn der Vorsitzende nicht mag, kann oder soll? Bei "Christiansen" zum Beispiel war es vor einiger Zeit ein bemerkenswert zuversichtlich dreinblickender Mann namens Vogel.
Die CDU sieht sich nach Informationen des Tagesspiegels verstärkt mit der Wahrscheinlichkeit konfrontiert, dass es sich bei den rund 2,1 Millionen Mark ungeklärter Herkunft aus den Jahren 1993 bis 1996 nicht um Spenden handelt, wie Ex-Kanzler Helmut Kohl stets behauptet hatte. Vielmehr, so legen erste Analysen der Angaben nahe, die der ehemalige CDU-Finanzberater Horst Weyrauch am Mittwoch machte, könnte es sich dabei um die Restzinserträge aus Schwarzgeldern der Staatsbürgerlichen Vereinigung handeln, die jahrelang im Ausland geparkt wurden.
Heiner Geißler will ihn als Vorsitzenden behalten, Peter Müller auch. Erwin Teufel vertraut ihm, Christian Wulff auch.
Frisst die CDU-Krise nun auch ihre Aufklärer? Kann Wolfgang Schäuble nach seinem letzten Eingeständnis noch der Mann sein, der die Partei aus dem Sumpf führt, in dem sie ratlos herumrudert?
Kurt Biedenkopf wird 70. In einem politischen Amt.
Klaus-D. Scheurle ist Präsident der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post.
Das Schlimmste ist die Angst vor dem Unbekannten. Sobald der Schrecken einen Namen erhält, wird es besser.
Manche Hoffnungen hatte die CDU mit dem Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young verbunden. Wenn die Zahlen ordnungsgemäß geprüft vorliegen, dann könne die Partei reinen Tisch machen.
Nein, sie sind nicht miteinander fertig. Nicht Helmut Kohl mit der CDU, nicht die CDU mit Helmut Kohl.
"Mitten im Leben", heißt es auf dem Hintergrund, vor dem die Oberen der CDU das jeweils neueste Scheibchen an Enthüllungen vorstellen. Tatsächlich eignet sich, was in diesen Tagen an vordem verdeckten Vorgängen aus der bundesdeutschen Politik sichtbar wird, zum Nachdenken über die Beziehungen zwischen Fiktion und Realität.
Der Stammtisch, sowohl ein realer wie ein symbolischer Ort, hat es schon immer gewusst und fühlt sich auf das Schönste bestätigt: Politik ist ein schmutziges Geschäft; Macht korrumpiert; Politiker sind käuflich, bestechlich, handeln nur im eigenen Interesse, mauscheln, lügen und betrachten den Staat als Selbstbedienungsladen. Es ist klar, warum der Stammtisch so denkt, so denken muss: aus Selbstachtung.
Erst schüttelt Helmut Reul den Kopf, dann verdreht er die Augen und schließlich hebt er die Hände, als wenn er irgendeinen Angriff abwehren wollte. "Nein, das kann ich mir nicht vorstellen", sagt er schließlich und wiederholt dieses "Nein" in kurzen Abständen gleich mehrfach.
Wolfgang Hüllen hatte Angst. Wolfgang Hüllen wusste, dass etwas auf ihn zukam und dass es für ihn keinen Ausweg gab.
Die Spendenaffäre lässt die Union in der Wählergunst einbrechen. Die rot-grüne Regierung profitiert davonDas ZDF-Politbarometer stellt die Haupttrends der Befragung vom 17.
Schon wieder eine Parteispende. Ein junger Mann in Freizeitkluft, der sich als CDU-Ortsvorsitzender und Unternehmer vorstellt, überreicht einen Barscheck.
Die Regierungsfraktionen beabsichtigen, den Auftrag des Bundestags-Untersuchungsausschusses zu erweitern, um auch die in Hessen bekannt gewordenen Finanzverwicklungen einbeziehen zu können. Das kündigte der Vorsitzende des Gremiums, Volker Neumann (SPD), am Donnerstag in Berlin an, nachdem der Ausschuss zu einer dritten Arbeitssitzung zusammengekommen war.
"Er ist wieder der Alte", beschreibt ein Vertrauter Wolfgang Schäubles die Stimmung des CDU-Vorsitzenden und setzt hinzu: "Er ist mit sich im Reinen." Das war nicht immer so in den vergangenen Tagen.
Reicht das Opfer, das die CDU sich selbst und der Öffentlichkeit gebracht hat? Was vor drei Wochen ganz undenkbar schien, ist jetzt nicht genug.
Trotz aller Bemühungen um Aufklärung ihrer Spenden- und Finanzaffäre ist die CDU einer Umfrage zufolge auf ein historisches Tief von 29 Prozent gestürzt. Das ist das Ergebnis einer am Dienstag, dem Tag der Entscheidung für den Verbleib von CDU-Chef Wolfgang Schäuble im Amt, durchgeführten Befragung von 1001 Bürgern.
Die CSU sieht die Stellung ihres Vorsitzenden Edmund Stoiber innerhalb der Union durch die Spendenaffäre ihrer Schwesterpartei CDU gestärkt. Der CSU-Landesgruppenvorsitzende im Bundestag, Michael Glos, sagte am Mittwoch in Berlin, Stoiber sei zum "Hoffnungsträger der Wähler der bürgerlichen Mitte in Deutschland" geworden.
Natürlich stehen auch Small-Talk-Varianten über aktuelle politische Katastrophen auf dem inoffiziellen Programm an diesem Morgen im Schloss Bellevue. Rüdiger Just repräsentiert eine Institution, die über 500 Jahre alt ist und damit deutlich über jedem Tagesgeschehen steht.