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Hendrik Wüst, Olaf Scholz und Franziska Giffey.

© REUTERS/Michele Tantussi/Pool

Irritationen beim Corona-Gipfel: Umfangreiche Lockerungen kommen – Streit um Corona-Folgepaket

Die Omikron-Welle scheint überwunden, der Stufenplan für Lockerungen steht. Aber wie es ab dem 20. März weitergehen soll, ist strittig, räumt der Kanzler ein.

Bund und Länder haben sich beim Coronagipfel auf Lockerungen in drei Schritten geeinigt. In der Ampel-Koalition gibt es aber Streit über den Weg danach, um für weitere Wellen gewappnet zu sein. Die FDP ist bisher nur bereit, zum Beispiel Maskenpflichten zu verlängern. Die Länder pochen aber auf einen umfangreicheren Instrumentenkasten, um auf Rückschläge reagieren zu können.

Nach zwei Jahren Pandemie wollten alle, "dass es wieder besser wird", sagte Kanzler Olaf Scholz (SPD) nach zweieinhalbstündigen Beratungen. "Aber die Pandemie ist eben noch nicht vorbei." Es könne wieder eine neue Variante "um die Ecke kommen", dafür gelte es weiter Vorsorge zu treffen.

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Konkret gibt es Unklarheit, wie es nach der ab 20. März geplanten Aufhebung der meisten Maßnahmen weitergehen soll. Wie der Tagesspiegel aus Verhandlungskreisen erfuhr, gibt es keine Einigung in der Ampel-Koalition über den Umfang für das danach geplante Gesetz mit einem Basisschutz, sollte es zu einem erneuten Aufflammen der Pandemie kommen.

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Strittig ist vor allem, ob die Ampel-Koalition die von den Ländern gewünschte Beibehaltung der Option auf den erneuten Erlass von 2G- und 3G-Regelungen mittragen wird.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr machte direkt nach dem Gipfel klar: "Denkbar ist für uns, Regelungen zu treffen, die eine Verlängerung der Maskenpflicht erlauben."

Söder sieht bei Scholz fehlenden Rückhalt in Koalition

„Ich bin verunsichert“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zu Kanzler Scholz in der Runde zu dem Ampel-Durcheinander. Es sei überraschend, dass Scholz nach der Impfpflicht scheinbar erneut keine eigene Mehrheit habe, um das im gewünschten Umfang mitzutragen, wurde Scholz von Unions-Seite vorgehalten.

Lockerungen sollen auch in der Gastronomie kommen.
Lockerungen sollen auch in der Gastronomie kommen.

© picture alliance/dpa

Ein Tag nach der großen Weltpolitik bei Wladimir Putin ist Scholz gleich schon wieder im Corona-Dickicht der Ampel verheddert. Er bleibt im Vagen, wieviel Prokura er hat, die Länderforderungen zu erfüllen.

Konkret fordern die Länder als Instrumente Maskenpflichten in den geschlossenen Räumen von Publikumseinrichtungen sowie in Bussen und Bahnen, Beibehaltung des Abstandsgebots, allgemeine Hygienevorgaben und "die Möglichkeit, in bestimmten Bereichen Testerfordernisse vorzusehen sowie die Pflicht zur Nachweisführung des Impf-, Genesenen- und Teststatus." Diese Möglichkeiten seien auch für Schulen und Kindertageseinrichtungen notwendig.

Mehr Lockerungen bei Großveranstaltungen

Klar ist hingegen der Weg der kommenden Wochen. Als weitere Lockerung sollen Treffen für Geimpfte und Genesene wieder ohne Zahlenbeschränkungen möglich sein; zunächst war eine Obergrenze von 20 Personen im Gespräch. Das geht aus dem Beschluss hervor. Auch bei Großveranstaltungen, etwa in Konzert- und Sporthallen, wird es weitere Lockerungen geben.

Die Begründung: „Die Omikron-Variante des Coronavirus breitet sich in Deutschland aus. Allerdings scheint der Höhepunkt der Omikron-Welle in den meisten Ländern überschritten zu sein.“ Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz sank bereits den vierten Tag in Folge und liegt nun bei knapp 1400.

Folgender Lockerungsfahrplan ist geplant:

  • Erster Schritt: Neben der Lockerung der Kontaktbeschränkungen soll der Zugang zum Einzelhandel bundesweit und überall für alle Personen ohne die bisherigen 2G-Auflagen möglich sein. „Um dem immer noch hohen Infektionsrisiko in Innenräumen Rechnung zu tragen, müssen jedenfalls medizinische Masken getragen werden“, wird in der Beschlussvorlage betont. Bei privaten Treffen gilt als Auflage: Sobald eine ungeimpfte Person an einer Zusammenkunft teilnimmt, gelten weiterhin die Kontaktbeschränkungen für ungeimpfte Personen. Das Treffen ist dann auf den eigenen Haushalt und höchstens zwei Personen eines weiteren Haushaltes beschränkt.
  • Zweiter Schritt ab 4. März: Der Zugang zur Gastronomie wird gelockert und soll für Geimpfte, Genesene und Getestete möglich werden (3G-Regelung) – statt bisher nur für Geimpfte und Genesene mit Test (Ausnahme Geboosterte, 2G-Plus). Auch Übernachtungsangebote können von Geimpften, Genesenen und Personen mit tagesaktuellem Test wahrgenommen werden.
  • Diskotheken und Clubs werden für Genesene und Geimpfte mit tagesaktuellem Test oder (2G-Plus) geöffnet. Geboosterte brauchen keinen Test.
  • Bei Großveranstaltungen können weiterhin nur Genesene und Geimpfte als Zuschauerinnen und Zuschauer teilnehmen. Bei Veranstaltungen in Innenräumen ist maximal eine Auslastung von 60 Prozent der jeweiligen Höchstkapazität zulässig, wobei die Personenzahl von 6000 Zuschauern nicht überschritten werden darf. Das ist eine Erhöhung gegenüber den ursprünglichen Plänen, hier stand eine Obergrenze von 4000 zur Debatte. Bei Veranstaltungen im Freien ist maximal eine Auslastung von 75 Prozent der jeweiligen Höchstkapazität zulässig, wobei die Personenzahl von 25.000 Zuschauern zum Beispiel in der Fußball-Bundesliga nicht überschritten werden darf. Zuschauer sollen aber medizinische Masken tragen, am besten FFP2.
  • Dritter Schritt ab 20. März: Dann sollen alle tiefgreifenderen Schutzmaßnahmen entfallen - vor allem auch die Zugangsbeschränkungen für Ungeimpfte. Auch die nach dem Infektionsschutzgesetz verpflichtenden Homeoffice-Regelungen fallen weg. „Arbeitgeber können aber weiterhin im Einvernehmen mit den Beschäftigten die Arbeit im Homeoffice anbieten, wenn keine betrieblichen Gründe entgegenstehen und diese im Interesse des betrieblichen Infektionsschutzes liegt (z. B. bei Tätigkeit in Großraumbüros)“, wird betont. Auch andere Länder wie die Niederlande setzen auf weitreichende Öffnungsschritte. In Österreich fallen die meisten Maßnahmen zum 5. März.

Streit um die Regelung nach dem 20. März – kein „Freedom Day“

Im Prinzip wiederholt sich hier der Streit, den es schon um die epidemische Lage von nationaler Tragweite gab. Die FDP und ihr heutiger Justizminister Marco Buschmann pochten damals auf eine weitgehende Abschaffung von Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen, Sperrstunden, Kneipenschließungen und Ausgangsbeschränkungen, mussten dann aber angesichts der Delta- und Omikron-Welle ziemlich zurückrudern.

Nun pocht die FDP auf ein weitgehendes Auslaufen aller Maßnahmen und keinen weiteren eingriffsintensiven Instrumentenkasten, weil man schon im Herbst den Frühlingsanfang dafür auserkoren hatte und sich durch die Lage bestätigt sieht.

"Ziel unserer Politik ist und bleibt es, Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen", betont FDP-Chef Christian Lindner. "Freiheiten dürfen nur so lange eingeschränkt werden, wie es erforderlich ist."

Doch den erhofften „Freedom Day“ dürfte es trotzdem so erstmal nicht geben - wenn denn eine Anschlussregelung eine Mehrheit findet.

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Denn auch nach dem 20. März, wenn die bisherigen Regelungen des Infektionsschutzgesetzes auslaufen, pochen SPD- wie unionsregierte Länder wie gesagt auf einen Instrumentenkasten, der ihnen bei neuen Corona-Wellen ein Gegensteuern erlaubt, in Protokollerklärungen zum Beschluss äußerten Bayern und Baden-Württemberg die Sorge, dass keine vernünftige Anschlussregelung gefunden werden könnte.

Wüst warnt: Ohne Gesetz auch keine Maskenpflicht mehr

Auch der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), verlangt ein ausreichendes Basisschutzgesetz, damit weiterhin neben Maskenpflichten und Abstandsgeboten auch 2G-oder 3G-Pflichten möglich sein können. "Wenn der Bundestag nicht aktiv handelt, laufen nach dem 20. März alle Schutzmaßnahmen aus", mahnte Wüst die Ampel-Koalition nach den Beratungen. Das gelte auch für Maskenpflichten.

Das Gesetzesvorhaben solle rechtzeitig vor dem 20. März 2022 zum Abschluss kommen und auch eine Regelung zu ergänzenden Schutzmaßnahmen für den Fall eines lokalen Ausbruchsgeschehens in einzelnen Landkreisen, Bezirken oder kreisfreien Städten zu ergänzenden Schutzmaßnahmen enthalten, „bei denen eine Überlastung der lokalen Kapazitäten des Gesundheitssystems droht“, heißt es im Beschluss. Das soll sich nicht mehr an Inzidenzen, sondern an Parametern wie Krankenhausbelegung orientieren.

Scholz versicherte, er werde sich dafür einsetzen, dass so ein Gesetz zustande komme - wich aber konkreten Fragen nach dem Dissens in der Koalition aus.

Ohne eine Anschlussregelung würden wie von Wüst betont auch alle Maskenpflichten fallen. Wüst betont, es brauche unbedingt noch solche Leitplanken. Weiterhin treten Bund und Länder für eine allgemeine Impfpflicht als weitere Leitplanke ein. Scholz betonte, die Impflücke sei noch zu groß, daher trete er für eine Impfpflicht ab 18 Jahren ein. "Die Impfpflicht ist notwendig für den nächsten Herbst und Winter."

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Streit um Genesenenstatus: Union für bis zu neun Monate

Strittig zwischen SPD-regierten und unionsregierten Bundesländern war zudem zunächst, wie mit dem Genesenenstatus umgegangen werden soll.

Nach der kurzfristigen Verkürzung von sechs auf drei Monate durch das Robert-Koch-Institut, die für viel Ärger sorgte, sollen dem RKI und dem Paul-Ehrlich-Institut die „Blankovollmachten“ für solche Entscheidungen, durch die viele Bürger ihre 2G-Zugangsberechtigungen von einem Tag auf den anderen verloren haben, wieder entzogen werden. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wird künftig wieder die Entscheidungen selbst treffen.

Die Unions-Länder pochten aber in Änderungsvorschlägen für die Beschlussvorlage auf eine Zustimmungspflicht des Bundesrats für Änderungen, um Lauterbach hier einzuhegen. Der Passus taucht im Beschluss aber nicht auf. Die Unions-Seite forderte auch eine Verlängerung des Status auf sechs Monate und auf neun Monate für doppelt Geimpfte. Das fand ebenfalls keine Mehrheit. Lauterbach beharrt darauf, dass es bei der Verkürzung des Genesenenstatus auf drei Monate bleibt - weil es fachlich erwiesen sei, dass danach der Immunschutz zu gering sei

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Entschärfung auch bei Reisen

Um den durch Omikron weltweit gestiegenen Inzidenzen und zugleich der milder verlaufenen Welle Rechnung zu tragen, wird der Bund die Einstufung der Hochrisikogebiete anpassen. "Damit soll vor allem auch das Reisen für Familien erleichtert werden, da Kinder unter 12 Jahren oft nicht geimpft sind und sie daher der Quarantäne nicht entgehen können", wird im Beschluss betont.

Denn nach Meinung der Bundesländer sei es sei nicht mehr gerechtfertigt, Reiseländer vor allem wegen einer Inzidenz deutlich über 100 als Hochrisikogebiet einzustufen. Die damit verbundenen Konsequenzen nach der Corona-Einreiseverordnung, zum Beispiel Quarantänepflichten, seien nicht mehr angemessen.

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