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Konservativ? Nein. Aber rechts.

© John Macdougall/AFP

Trump, Johnson, AfD: Konservativ ist das Gegenteil von rechts

Rechts hat mit konservativ nichts zu tun. Ein Rechtspopulist, der sich konservativ nennt, lügt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

In dem Begriff „konservativ“ schwingen Recht und Ordnung mit, Sicherheit und Sekundärtugenden, heteronormative Kleinfamilien, religiöser Glaube, etwas Spießertum und die schwäbische Hausfrau, von der Angela Merkel einst sprach. Aus dem Lateinischen übersetzt heißt das Wort „conservare“ „bewahren“ und „beibehalten“. In der Medizin ist mit einer konservativen Behandlung eine schonende, vorsichtige Therapie gemeint, möglichst ohne chirurgische Eingriffe.

In seinem ersten Brief an die Thessalonicher empfiehlt der Apostel Paulus: „Prüft aber alles, und das Gute behaltet.“ Der Brief liest sich wie eine Urform des Konservatismus. „Tröstet die Kleinmütigen, tragt die Schwachen, seid geduldig mit jedermann, seht zu, dass keiner dem andern Böses mit Bösem vergelte.“

Der Konservative ist nicht gern radikal, Neuerungen steht er zunächst ablehnend bis skeptisch gegenüber. Der Begriff „konservative Revolution“, wie er in der Weimarer Republik entstand und dezidiert völkische, antidemokratische und antiliberale Strömungen bezeichnete, die später in die Ideologie des Nationalsozialismus mündeten, ist ein Widerspruch in sich. Der Konservative ist vieles, nur kein Umstürzler. Lieber eine schlechte, stabile Ordnung als gar keine.

Links und Rechts eint die radikale Attitüde

Eine andere, pointierte Definition der konservativen Grundhaltung stammt vom englischen Philosophen Michael Oakeshott, der in Cambridge, Oxford und an der London School of Economics gelehrt hatte, bevor er 1990 starb. Der Konservative, schreibt Oakeshott, „zieht das Vertraute dem Unbekannten vor, das Bewährte dem Unbewährten, die Tatsache dem Mysterium, das Vorhandene dem Möglichen, das Begrenzte dem Unbegrenzten, das Nahe dem Fernen, das Ausreichende der Überfülle, das Zweckmäßige dem Perfekten und die Freude im Jetzt dem utopischen Heil“.

Insofern sind Konservative das genaue Gegenteil von so genannten Rechtspopulisten. Eine gigantisch hohe Staatsverschuldungsrate, wie sie US-Präsident Donald Trump zu verantworten hat, lehnen sie ab. Vor den Unwägbarkeiten eines No-deal-Brexits, mit dem der britische Premierminister Boris Johnson liebäugelt, graut ihnen. Die oft antiwissenschaftliche Einstellung von Klimawandelleugnern und Impfgegnern ist ihnen zuwider. In der Islamfeindlichkeit der AfD wittern sie einen Angriff auf die Religionsfreiheit. Das Sprunghafte, Wankelmütige und Unernste, mit dem Trump und Johnson in der Politik kokettieren, ist ihnen charakterlich zuwider. Als ebenso abstoßend empfinden sie die frauenfeindlichen und rassistischen Bemerkungen eines Trump. Verschwörungstheorien über angebliche Machenschaften eines „Tiefen Staates“ halten sie für unbelegt, wenn nicht gar absurd.

Konservative wollen die bürgerliche Ordnung bewahren

Links- und Rechtspopulisten eint die radikale Attitüde, die Härte im Ausdruck, die Bereitschaft zur Revolution, die Polarisierungslust, der ideologisch motivierte Furor. Nach dem alten Sponti-Motto: Macht kaputt, was euch kaputt macht. Die Ziele mögen unterschiedlich sein, doch die Wege dahin ähneln sich. Oskar Lafontaine und Alexander Gauland stehen sich jedenfalls näher als Alice Weidel und Annegret Kramp-Karrenbauer.

Denn rechts hat mit konservativ nichts zu tun. Ein Rechtspopulist, der sich konservativ nennt, lügt. Er stellt sich in eine Tradition, die ihm nicht gehört. Er beansprucht Tugenden für sich, gegen die er agitiert. Rechtspopulisten verachten die bürgerliche Ordnung, die Konservative bewahren wollen.

Im Osten Deutschlands nehmen AfD-Anhänger Anleihen bei Bürgerrechtlern und Willy Brandt. Sie wissen, dass sie den politischen Gegner damit kräftig ärgern können. Der US-Botschafter in Deutschland wiederum, Richard Grenell, führt Besucher gern zur neuen Ronald-Reagan-Terrasse mit Blick über das Brandenburger Tor.

Reagan schätzte eine freie Presse und den Wert von Einwanderung. Seine letzte Rede als Präsident war eine Art Liebeserklärung an Migranten. „Wir sind führend in der Welt, weil die Stärke unseres Landes und unserer Nation aus jedem Land und jeder Ecke dieser Welt stammt“, sagte Reagan. „Jeder Mensch von überall her kann nach Amerika kommen und Amerikaner werden.“

Wer den kategorialen Unterschied zwischen konservativ und rechts nicht nur wissen, sondern auch spüren will, sollte sich diese kurze Rede anhören. Hier ist sie.

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