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Anfag des Jahres demonstrierten rund 10.000 Landwirte und Lkw-Fahrer gegen die Abschaffung von Diesel-Subventionen.

© dpa/Kay Nietfeld

Verbände distanzierten sich: Rechte Populisten rufen zu „Bauernprotest“ in Berlin auf

Für Sonnabend haben Landwirte und Spediteure zum erneuten „Bauernprotest“ mobilisiert. Dahinter steckt ein diffuses Bündnis, Bauern-Verbände distanzieren sich klar.

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Ihre Proteste hatten zu Beginn des Jahres wochenlang für Aufmerksamkeit gesorgt. Landauf, landab blockierten Bauern mit ihren Traktoren Autobahnen, Kreisverkehre und Betriebe wie Lebensmittelverteilungszentren. Auslöser waren die Pläne der damals noch waltenden Ampel-Regierung, Subventionen beim Agrar-Diesel zu streichen. Ein neu gegründetes Bündnis hofft am Wochenende auf eine Wiederholung der massiven Proteste, fällt aber vor allem durch populistische Töne auf.

Bei der Berliner Polizei wurde eine „Großkundgebung“ auf der Straße des 17. Juni angemeldet, die am Sonnabend um 10 Uhr beginnen soll. Zuvor ist eine gemeinsame Anfahrt von Traktoren und Spediteuren im Rahmen eines Korsos ins Berliner Regierungsviertel geplant. Die Organisatoren erwarten 10.000 Teilnehmer und 1000 Fahrzeuge.

Aktuell ist es jedoch völlig unklar, ob diese Zahl auch erreicht wird und ob tatsächlich Traktoren das Bild der Demonstration prägen werden. Anders als im vergangenen Winter stehen keine Bauern-Verbände hinter dem Aufruf, sondern der in Bayern registrierte Verein „Hand in Hand für unser Land“. Die Organisation setzt sich nicht ausschließlich für agrarpolitische Themen ein, in der Ankündigung für die kommende Demonstration wird unter anderem „Rederecht“ im Bundestag gefordert.

In den vergangenen Jahren sei die Politik immer weniger auf die „Belange und Nöte der Mittelschicht“ eingegangen, heißt es von „Hand in Hand“ auf Tagesspiegel-Anfrage. Es bestehe der Eindruck, die Politik habe die „Probleme und Wünsche der Bürger aus den Augen verloren“, deswegen wolle man diese auf direktem Weg in den Bundestag einbringen.  

Das Berliner Regierungsviertel war vergangenen Winter immer wieder in Bauernhand.

© dpa/Fabian Sommer

Unter den Initiatoren befindet sich nur ein einziger Landwirt, ebenso auf der angekündigten Rednerliste. Die Mobilisierung läuft vor allem über die sozialen Medien, auf Telegram und TikTok finden sich zahlreiche Aufrufe für den Protest. Besonders ins Auge sticht der Name Anselm Lenz im Veranstaltungs-Programm. Der Verschwörungsideologe ist gleichzeitig Chefredakteur der zu Covid-Zeiten gegründeten Publikation „Demokratischer Widerstand“, die vor allem für die Verbreitung von Falschinformationen bekannt ist.

Lenz forderte in der Vergangenheit eine „Revolution“ und nannte die Bundesregierung „faschistoid“. In einem ähnlichen Duktus ist sein Aufruf zur Demonstration am Wochenende gestaltet. „Wir werden uns durchsetzen bis zum umfassenden Sieg“, sagt Lenz in dem Video und spricht von „Kriegstreiberei“. Doch Lenz ist keine Ausnahme auf der Rednerliste der Organisatoren von „Hand in Hand“. So findet sich dort auch der Name Axel Turck, ein Unternehmer aus Nordrhein-Westfalen.

Einer der Redner verbreitet antisemitische Narrative

Gegenüber dem „Handelsblatt“ bezeichnete Turck die Corona-Impfung als „Genozid“. Laut der Zeitung verbreitet er zudem nach klassischem rechtsextremen Narrativ falsche, zu hoch gerechnete Opferzahlen in Bezug auf die alliierte Bombardierung von Dresden im Februar 1945. Auf seinem X-Profil findet man von Turck verbreitete antisemitische Verschwörungserzählungen.

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Angesichts dieser Rednerliste verwundert es kaum, dass Bauernverbände um dringende Distanzierung bemüht sind. Die Demonstration am Samstag hat nichts zu tun mit dem Deutschen Bauernverband (DBV), der im vergangenen Januar gemeinsam mit dem Transportgewerbe eine Kundgebung vor dem Brandenburger Tor gegen die Kürzungen bei den Agrardiesel-Subventionen organisiert hatte. Bei der damaligen Demonstration mit rund 10.000 Teilnehmern war der seinerzeitige Finanzminister Christian Lindner (FDP) ausgebuht worden, als er erklärte, dass es seitens der Bundesregierung keine weiteren Zugeständnisse beim Agrardiesel geben werde. 

Bauernverband distanziert sich von den Veranstaltern

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, machte jüngst deutlich, dass sich der DBV statt des Protestes auf der Straße derzeit eher auf den Dialog mit den Entscheidungsträgern in Berlin konzentriert. Nach den Neuwahlen im Februar und der Regierungsbildung werde man „zügig mit den jeweils neuen Ministerinnen und Ministern in den politischen Austausch gehen“, kündigte Rukwied im Gespräch mit der „Stuttgarter Zeitung“ an.

Sie sind irgendwie gegen alles. Ich sehe keine Sachforderungen.

Christoph Plass, Vize-Präsident Deutschen Bauernverbandes distanziert vom Aufruf zu der Demonstration.

„Für uns besteht aktuell kein konkreter Anlass, auf die Straße zu gehen und diffus gegen irgendwas zu demonstrieren“, ist auch vom Landesbauernverband Brandenburg auf Tagesspiegel-Anfrage zu hören. „Sie sind irgendwie gegen alles. Ich sehe keine Sachforderungen“, sagte Vize-Präsident Christoph Plass der „Märkischen Oderzeitung“ zuvor. Auch von den verschiedenen Brandenburger Kreisbauernverbänden ist keine nennenswerte Mobilisierung auszumachen.

Im vergangenen Winter hatten auch die offiziellen Aufrufe des Bauernverbandes für umfassende Debatten gesorgt. Viele Landwirte waren im Rahmen der Proteste über das Ziel hinaus geschossen. Durch die Straßen-Blockaden wurden zahlreiche Menschen verletzt, ein LKW-Fahrer kam am Rande einer Protestaktion ums Leben.

Auch die Symbolik und teilweise rechte Unterwanderung des Protests waren immer wieder Gegenstand von Kritik. Regelmäßig tauchten „Ampel“-Galgen im Rahmen der Demonstrationen auf, bei einem Vorfall auf einer Brandenburger Bundesstraße kippten Traktoren absichtlich Gülle und Baumstämme auf die dunkle Fahrbahn. Mehrere unbeteiligte Fahrzeuge verunfallten.

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