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„Für eine neutrale Institution nicht hinnehmbar“: Niedersächsischer Landtag und Bundeswehr stellen X-Nutzung ein
Immer mehr deutsche Institutionen und Gewerkschaften kehren X den Rücken. Ein sachlicher Austausch von Argumenten sei auf der Plattform erschwert. Kritik kommt von der FDP.
Stand:
Das Verteidigungsministerium (BMVg) und die Bundeswehr lassen ihre Auftritte auf der in Dauerkritik stehenden Plattform X ruhen. Auf absehbare Zeit werde nicht mehr proaktiv auf dem Kanal gepostet, teilte das Ministerium in Berlin mit.
„Hauptgrund für die Entscheidung ist, dass nach Bewertung des BMVg der sachliche Austausch von Argumenten zunehmend erschwert wird“, heißt es in einer Mitteilung.
„Daneben werden künftig auch die X-Kanäle des Generalinspekteurs, des nachgeordneten Bereichs, zum Beispiel der Inspekteure und Befehlshaber sowie der zentrale X-Kanal der Bundeswehr ruhen“, teilte das Ministerium weiter mit.
Verteidigungsministerium vertraut auf WhatsApp
Das Ministerium nutze künftig alternativ einen WhatsApp-Kanal, um über relevante Termine und Entscheidungen des Ministers sowie über Neuigkeiten aus dem Ministerium zu informieren.
Für eine „transparente und breite Kommunikation des Geschäftsbereichs“ würden auch in Zukunft unterschiedliche Ausspielwege genutzt. Das Ministerium nennt auch Instagram, YouTube und die eigenen Internetseiten.
„Das BMVg behält sich vor, in Ausnahmefällen auf X mit Posts zu reagieren - etwa im Falle von Desinformations-Kampagnen“, räumte das Haus von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zugleich ein.

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Bereits am Dienstag hatte das Auswärtige Amt auf dem Dienst Bluesky mitgeteilt, dass es ab sofort dort seine Nachrichten auf Englisch verbreitet. Der Account auf X bleibt aber erhalten.
Nils Gründer, Mitglied im Verteidigungsausschuss und Sprecher der FDP-Fraktion für die Zukunft der Bundeswehr, kritisiert die Entscheidung: „Mit dem angekündigten Rückzug von X begehen das Bundesverteidigungsministerium und die Bundeswehr einen schweren Fehler. Debattenräume werden so unnötig den Falschen überlassen.“
Weiter sagte er: „Wir müssen dahin, wo auch unangenehme Debatten stattfinden. Gerade Ministerien und andere staatliche Institutionen müssen auf den Plattformen bleiben.“
Viele deutscher Institutionen kehren X den Rücken
Auch der niedersächsische Landtag stellt seine Aktivitäten im Kurzbotschaftendienst X von US-Milliardär Elon Musk ein. Das teilte die Landtagsverwaltung am Mittwoch in Hannover mit. „Da Musk seine Plattform dafür nutzt, weltweit seine politische Agenda voranzutreiben, ist es für eine neutrale Institution wie den Landtag nicht länger hinnehmbar, auf X vertreten zu sein“, erklärte Landtagspräsidentin Hanna Naber (SPD) zur Begründung der Entscheidung.
Der Landtag reiht sich damit ein in eine zunehmend längere Liste deutscher Institutionen, die X den Rücken kehren. Ebenfalls am Mittwoch erklärte das Bundesverteidigungsministerium, den Dienst bis auf Weiteres nicht mehr zu nutzen. Kürzlich hatten auch der Bundesgerichtshof, mehrere Gewerkschaften sowie mehr als 60 Universitäten und Forschungseinrichtungen ihren Abschied von X bekanntgegeben. Teilweise bereits vor längerer Zeit taten dies auch große Unternehmen wie Aldi Nord oder Sportvereine wie der FC St. Pauli.
Musk als Eigner von X hatte jüngst wiederholt Mitglieder der deutschen Bundesregierung auf seinem Netzwerk beschimpft. Er rief dort zudem zur Wahl der AfD auf. X sieht sich zudem schon lange dem Vorwurf ausgesetzt, nicht entschlossen genug gegen Desinformation und Hassbotschaften vorzugehen.
„Zunehmend dient X ausschließlich als Forum für die Verbreitung von extremistischen Positionen, Verschwörungserzählungen, Hassrede sowie Demokratie- und Wissenschaftsfeindlichkeit“, erklärte Landtagspräsidentin Naber zur Begründung weiter. „Die Algorithmen sind ganz offensichtlich entsprechend ausgerichtet, eine Moderation findet nicht mehr statt.“
Der Account des Landtags bleibt demnach bis auf Weiteres bestehen, wird aber nicht mehr genutzt. Weiterhin informieren will das Parlament nach eigenen Angaben unter anderem in den Netzwerken Instagram und Facebook.
Indirekte Reaktion auf Einflussnahme durch Musk
Der US-Milliardär Elon Musk als Eigner der Plattform X hatte in den vergangenen Wochen immer wieder Mitglieder der Bundesregierung und auch Bundespräsident Frank Walter Steinmeier auf seinem Netzwerk beschimpft. Der Berater des künftigen US-Präsidenten Donald Trump rief dort zudem auch zur Wahl der AfD auf.
X sieht sich zudem schon lange dem Vorwurf ausgesetzt, nicht entschlossen genug gegen Desinformation und Hassbotschaften vorzugehen. Die Bundesregierung insgesamt hatte noch Ende vergangenen Jahres erklärt, sie plane nicht, ihre Konten bei X einzustellen.
Europaabgeordnete forderten zuletzt von der EU-Kommission eine Untersuchung zur Sichtbarkeit von Beiträgen auf X. Konkret geht es um die Frage, ob Plattform-Eigentümer Musk seinen eigenen Beiträgen EU-rechtswidrig zu größerer Reichweite verhilft.
Vergangene Woche hatten mehr als 60 deutsche und österreichische Wissenschaftsorganisationen angekündigt, ihre Präsenz auf X zu beenden. Sie begründeten dies mit „der fehlenden Vereinbarkeit der aktuellen Ausrichtung der Plattform mit den Grundwerten der beteiligten Institutionen: Weltoffenheit, wissenschaftliche Integrität, Transparenz und demokratischer Diskurs“. (dpa, Reuters, AFP)
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