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Minutenlange Huldigungen: Sahra Wagenknecht dominiert das BSW weiter uneingeschränkt.

© AFP/RONNY HARTMANN

Von nun an Fundamentalopposition: Wagenknecht demütigt ihre innerparteilichen Rivalen

In Thüringen und Brandenburg regiert das BSW erfolgreich. Doch Wagenknecht hat die Vizeregierungschefs Wolf und Crumbach entmachtet. Auf dem Parteitag fordert sie Gefolgschaft für ihren Oppositionskurs.

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Irgendwann wird es Sahra Wagenknecht selbst zu viel. „Jetzt muss ich aber anfangen“, sagte die scheidende Vorsitzende des BSW bei ihrer Abschiedsrede. Damit unterbricht sie minutenlange Ovationen der Delegierten vor ihrer Rede auf dem Bundesparteitag in Magdeburg.

Was folgt, ist eine Abrechnung – mit der Regierung, der Opposition und nicht zuletzt mit prominenten Parteifreunden. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gesteht Wagenknecht nicht einmal zu, demokratisch gewählt worden zu sein. Schließlich habe es bei der Stimmenzählung nach der Bundestagswahl „offenkundige Unregelmäßigkeiten“ gegeben. Nur das hat aus ihrer Sicht den Einzug des BSW in den Bundestag verhindert. Nur deshalb habe Schwarz-Rot eine Mehrheit im Parlament.

Grünen und Linken wirft Wagenknecht vor, die Regierung Merz im Zweifelsfall zu stützen. „Peinlich“ nennt sie die Entscheidung der Linken, sich beim Rentenpaket der Bundesregierung zu enthalten, um der schwarz-roten Koalition eine Mehrheit zu sichern. Die einzige Opposition im Bundestag sei derzeit die rechtspopulistische AfD. Deshalb brauche es das BSW.

In Magdeburg positioniert Wagenknecht das BSW so als knallharte Oppositionspartei, die auch vor der Delegitimierung ihrer demokratischen Wettbewerber nicht haltmacht und zugleich die Brandmauer zur AfD einreißen will.

Nicht einverstanden mit diesem Kurs sind die Regierungsmitglieder des BSW in Thüringen und Brandenburg. Sie wollen das BSW als pragmatische Partei positionieren. Eine Regierungsbeteiligung der AfD – insbesondere im Osten – möchten sie so verhindern. Mit diesen innerparteilichen Rivalen rechnet Wagenknecht in Magdeburg scharf ab.

Auch eine rigide Aufnahmepraxis habe nicht verhindern können, dass Karrieristen und Querulanten in die Partei gekommen seien, sagt sie. Das BSW müsse den Bürgern eine Politik aus einem Guss bieten – im Bund und in den Ländern, in der Opposition und in den Regierungen. In Richtung des Brandenburger Vizeministerpräsidenten Robert Crumbach sagt sie: „Koalieren heißt nicht Kleinbeigeben.“ Die Wähler hätten das BSW nicht gewählt, damit dieses SPD-Positionen vertritt.

Wagenknecht allein bestimmt den Kurs

Dass Crumbach im Brandenburger Landtag für eine Erhöhung der Rundfunkbeiträge gestimmt hat, nimmt Wagenknecht ihm besonders übel. Es könne nicht sein, dass sich Abgeordnete und erst recht Minister nicht an BSW-Positionen gebunden fühlten, wirft Wagenknecht ihm und den Thüringer Regierungsmitgliedern Katja Wolf und Steffen Schütz vor.

Wagenknechts Lob für manche Regierungserfolge des BSW klingt hingegen pflichtschuldig. Die Finanzminister Crumbruch und Wolf hätten ungeahnte Spielräume für Investitionen geschaffen. Als Brandenburger Gesundheitsministerin habe Britta Müller viel für eine Aufarbeitung der Maßnahmen in der Corona-Pandemie getan. Wagenknecht lobt auch, dass sich Brandenburg und Thüringen als einzige Bundesländer im Bundesrat dagegen ausgesprochen haben, für mehr Rüstungsausgaben eine Ausnahme bei der Schuldenbremse zu schaffen.

Trotz oder wegen dieser Regierungserfolge will Wagenknecht weder Crumbach, noch Wolf, noch Schütz im Präsidium sehen. Und damit setzt sie sich durch. Die Parteigründerin hat sich zwar von der Spitze des BSW zurückgezogen. In Magdeburg wird sie zur Chefin der Grundsatzkommission gewählt. Aber auch in diesem eher nachrangigen Amt hält sie weiter alle Fäden in der Hand.

Wenig Rückhalt: Steffen Schütz, Minister für Digitales und Infrastruktur in Thüringen, erhält auf dem Bundesparteitag des BSW nur wenig Applaus.

© dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Die Partei sollen die in Magdeburg gewählten Parteichefs Amira Mohamed Ali (82,6 Prozent) und Fabio De Masi (93,3) in ihrem Sinne fortführen. Crumbach, Wolf und Schütz sind parteiintern vorerst kein Machtfaktor mehr.

Der von manchen im Vorfeld erwartete Widerstand gegen Wagenknechts Personaltableau bricht auf dem Parteitag schnell in sich zusammen. Katja Wolf hält nicht einmal eine Rede. Crumbach verkündet bereits kurz vor Beginn via „Märkische Allgemeine“, dass er auf eine Kampfkandidatur um einen Vorstandsposten verzichtet, mit der er zuvor öffentlich geliebäugelt hat.

Einzig Wolfs Mitstreiter, Thüringens Digital- und Infrastrukturminister Steffen Schütz, hält seine Kandidatur als Vizevorsitzender zunächst aufrecht. Deutschlands Aufrüstung stoppe man nicht durch Protest, sagt er, sondern indem man im Bundesrat gegen diesen Wahnsinn stimme. Mit weiteren Regierungsbeteiligungen könne man dabei noch mehr erreichen, betont Schütz im Hinblick auf die kommenden Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.

Das Narrativ, dass die Regierungsbeteiligung in Thüringen ein „Betriebsunfall“ gewesen sei, müsse aufhören, fordert er. Man solle keinen Krieg gegen Kritiker führen, lautet sein Appell. Dann zitiert er gar Martin Luther: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders und ich werde nicht anders.“

Doch während Wagenknecht für ihre Ausführungen teils frenetischen Applaus erhält, klatscht für Schütz fast nur sein eigener Landesverband. Seine Kandidatur hält er aufrecht, um am Samstagabend in einer Bewerbungsrede erneut seinen Standpunkt deutlich machen zu können.

Das Ergebnis der Abstimmung will das BSW erst am Sonntag bekanntgeben. Doch in Schütz’ Lager ist man sich bewusst, dass er chancenlos ist. Denn das BSW, das künftig offiziell Bündnis Soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Vernunft heißen soll, hat sich in Magdeburg komplett seiner Noch-Namensgeberin untergeordnet.

Welche Themen das BSW ohne Sahra Wagenknecht an der Spitze vorantreiben will, bleibt bei diesem Parteitag allerdings seltsam undeutlich. Der scheidende Generalsekretär Christian Leye leitet daraus einen Auftrag für die neue Parteispitze ab: Das BSW habe sich als die Friedenspartei in Deutschland etabliert. Sein Wunsch sei, dass das BSW bald auch als führende Partei für soziale Gerechtigkeit bekannt werde.

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