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SPD-Kanzler Olaf Scholz und CDU-Chef Friedrich Merz (rechts) müssen ihre Kompromisslosigkeit überwinden.

© IMAGO//Florian Gaertner

Vor dem nächsten Bundestags-Showdown: Demokraten, einigt Euch!

SPD-Kanzler Olaf Scholz und CDU-Chef Friedrich Merz müssen ihre Kompromisslosigkeit überwinden. Mein Weg oder kein Weg – diese Attitüde hilft am Ende nur der AfD.

Daniel Friedrich Sturm
Ein Kommentar von Daniel Friedrich Sturm

Stand:

Die feixenden Gesichter der AfD-Abgeordneten im Bundestag wird man so schnell nicht vergessen. Triumphal feierten die Rechtsradikalen ihren Erfolg, erstmals einem oppositionellen Antrag zur Mehrheit verholfen zu haben. Schon in den Stunden zuvor herrschte im Reichstagsgebäude eine aufgewühlte, beklemmende Stimmung.

Was im Bundestag am Mittwoch geschah, hinterlässt ein mulmiges Gefühl und stimmt besorgt, mit Blick auf die Bundestagswahl in gut drei Wochen.

Das bisherige Argument nämlich, eine Stimme für die AfD sei verloren, weil sie hinter der „Brandmauer“ politisch wirkungslos sei, ist mit ihrer erfolgreichen Mehrheitsbeschaffung dahin. Das sollte alle Parteien, zumal die CDU/CSU, umtreiben.

Friedrich Merz hatte erst Ende 2024 erklärt, keine Anträge einzubringen, die zu einer „zufälligen oder tatsächlich herbeigeführten Mehrheit“ mit der AfD führen können. Sein damals mit Verve vorgetragenes Wort erweist sich jetzt als hohl, frei nach Konrad Adenauer als „Geschwätz von gestern“. Das ist ein schwerer Fehler und wird Merz das wichtigste Kapital eines Politikers kosten: Vertrauen.

 Triumphal feierte die AfD ihren Erfolg.

© AFP/JOHN MACDOUGALL

Der Unionskanzlerkandidat muss sich nun die Frage gefallen lassen, ob er sich nicht im Affekt zu Hauruckaktionen hinreißen lässt. „All-in“, mit einer Taktik aus dem Pokerspiel also, möchte man eigentlich nicht regiert werden. Die Lobpreisungen Donald Trumps durch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann machen ebenfalls skeptisch.

Doch den Kladderadatsch vom Mittwoch haben nicht allein Union oder Liberale, die da fleißig mitgemacht haben, zu verantworten. Auch die SPD hat ihren Anteil. Es ist schon ein starkes Stück, wenn der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich jede Verantwortung seiner Partei für den Eklat zurückweist.

Ja, die AfD war eine Anti-Merkel-Gründung, Alexander Gauland wollte die einstige Kanzlerin „jagen“. Richtig fett aber wurde die AfD (Bundestagswahl 2021: 10,3 Prozent) durch die Ampelkoalition. Ein Kanzler, der nicht führen kann und will, drei Parteien, die sich über abseitige Themen zerlegten – so wurde die AfD gemästet. Die Weigerung von SPD und Grünen, dem politischen Willen der Mehrheit nach Änderungen in der Migrationspolitik zu folgen, ist ein AfD-Wachstumsprogramm.

„Ich bin es leid“, sagte Olaf Scholz nach den tödlichen Messerattacken von Aschaffenburg. Scholz machte Landesbehörden verantwortlich. Er schiebt diesem und jenem die Schuld zu. Im Grunde sagt er: Da kann man nichts machen. Preisfrage: Welche Partei hat in 22 der letzten 26 Jahre in Deutschland regiert, so lange wie keine andere Partei? Richtig, die SPD!

Probleme zu lösen, beginnt damit, die eigene Verantwortung kritisch zu hinterfragen. Fast schon gebetsmühlenartig verweisen SPD und Grüne darauf, was in der Migrationspolitik angeblich alles nicht gehe. Das erinnert an die Alternativlos-Logik Angela Merkels. Politik aber hat die Aufgabe, Gesetze zu machen und bei Bedarf zu verändern. Wenn übrigens etwas „nicht europarechtskonform“ ist, ist es das dysfunktionale Dublin-System und die Drittstaatenregelung, zugespitzt: fast jeder in Deutschland gestellte Asylantrag.

Mein Weg oder kein Weg – diese Attitüde, zu der Scholz neigt und die Merz zelebriert, ist am Ende Politikverweigerung und Humus für weitere Erfolge der AfD.

Daniel Friedrich Sturm

Am Freitag beantragt die Union im Bundestag ihr „Zustrombegrenzungsgesetz“. Sollte es hier eine Mehrheit aus CDU/CSU, FDP, AfD und BSW geben? Der Gesetzentwurf beinhaltet teils vernünftige, teils wenig realistische Forderungen. Um das Debakel von Mittwoch nicht zu wiederholen, der AfD nicht einen weiteren Triumph zu bescheren, sollten sich Union, SPD, Grüne und FDP zusammensetzen und sich auf einen Konsens einigen.

Merz hat der verzweifelten SPD ein Thema geschenkt, das ihr Hoffnung auf Mobilisierung im „Kampf gegen rechts“ gibt. Auch deshalb klingt manche Empörung der SPD so schrill. Aber weder die von der SPD an die Wand gemalte CDU/CSU-AfD-Nähe noch Merz‘ seltsame Kraftmeierei dürfen verhindern, dass die politische Mitte jetzt endlich Lösungen für lange ignorierte oder relativierte Probleme findet. Die Ängste und Bedürfnisse weiter Teile der Bevölkerung noch länger zu ignorieren, ist keine gute Idee.

Scholz und Merz müssen ihre Kompromisslosigkeit überwinden. Mein Weg oder kein Weg – diese Attitüde, zu der Scholz neigt und die Merz zelebriert, ist am Ende Politikverweigerung und Humus für weitere Erfolge der AfD.

Spät, aber vielleicht noch nicht zu spät, sollte sich die politische Mitte zur Vernunft besinnen, wenn der Bundestag an diesem Freitag vor dem nächsten Showdown steht.

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