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Europäische Regierungschefs kommen gemeinsam nach Washington, um im Weißen Haus mit dem US-Präsidenten zu verhandeln.

© Montage: Tagesspiegel/Dessin/Fotos: IMAGO/Florian Gaertner (2), IMAGO/ZUMA Press, IMAGO/Sergey Bobylev, IMAGO/Philippe Magoni/Pool /Bestimage, freepik

Vor dem Ukraine-Gipfel im Weißen Haus: Europa muss es richten – und Trumps Versprechen mit Vorsicht genießen

Es ist erfreulich, wenn Donald Trump Sicherheitsgarantien für die Ukraine erwägt. Doch wer sich auf ihn verlässt, ist verlassen. Da ist es gut, dass Europa handelt und Deutschland außenpolitisch aufwacht.

Daniel Friedrich Sturm
Ein Kommentar von Daniel Friedrich Sturm

Stand:

So ernüchternd der USA-Russland-Gipfel in Alaska nach außen hin verlaufen ist, so lassen die Aktivitäten des politischen Westens für die Ukraine hoffen. Am Montag werden unter anderem Bundeskanzler Friedrich Merz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu Donald Trump ins Weiße Haus begleiten.

Das ist ein starkes Zeichen für die Entschlossenheit des Westens, die Ukraine zu unterstützen. Die Präsenz von Merz, von der Leyen und anderen Europäern dürfte – bei aller Unberechenbarkeit Trumps – garantieren, dass Trump Selenskyj diesmal besser, ja respektvoll behandeln wird, anders als bei dem erschütternden Eklat im Oval Office am 28. Februar.

Ja, Wladimir Putins Empfang am Wochenende in den USA samt rotem Teppich, einem ihm applaudierenden US-Präsidenten und einer gemeinsamen Fahrt mit der gepanzerten Präsidenten-Limousine, verstört. So viel Ruhm wie am Wochenende in Alaska wurde Kriegsherr Putin zuletzt etwa bei seinen Freunden in China und Nordkorea zuteil.

Putins Gebaren in Anchorage aber war aufklärerisch. Er zeigte mit Blick auf seinen Krieg gegen die Ukraine keinen Zentimeter Bewegung, geschweige denn Entgegenkommen.

Dass Deutschland neuerdings eine außenpolitisch aktive Regierung hat, ist schon einmal ein guter Anfang. Bundeskanzler Merz ‚kann‘ mit den maßgeblichen Akteuren – dank einer klugen Mischung aus vornehmer Zurückhaltung und Selbstbewusstsein.

Daniel Friedrich Sturm, Leiter Tagesspiegel-Hauptstadtbüro

Der Desinformations-Spezialist und Ex-KGB-Spitzel Putin sprach von einer „Tragödie“ in der Ukraine, von der „Situation in der Ukraine“, einem „ukrainischen Konflikt“. Parallel zum Gipfel ließ Putin sein Mordwerk in der Ukraine fortsetzen.

Putin ließ erkennen, wie sehr er die Ukraine und den Westen verachtet. Das sollte – nach über 20 Jahren seiner Herrschaft über den Kreml – dem letzten Naivling im Westen deutlich machen, dass jede Hoffnung auf eine Verständigung mit dem Lügner und Vertragsbrecher Putin geradezu absurd und hochgefährlich ist.

Putin spielt auf Zeit

Es konnte einem fast übel werden, dass Trump öffentlich jede Forderung an Putin vermissen ließ und von einer „fantastischen Beziehung mit Präsident Putin, mit Wladimir“, sprach.

Putin und Trump bei der Ankunft auf der Joint Base Elmendorf-Richardson in Anchorage, Alaska.

© AFP/ANDREW CABALLERO-REYNOLDS

Putin, dessen Soldaten schon eine ganze Weile Erfolge an der Front erkämpfen, denkt in langen Linien. Er hat Zeit, er spielt auf Zeit. Er regiert Russland seit einem Vierteljahrhundert, wird womöglich noch im Kreml sitzen, wenn Trump das Weiße Haus verlassen haben wird.

Trump wiederum will einen schnellen Erfolg, nachdem er im Wahlkampf angekündigt hatte, er werde den Krieg an „Tag Eins“ im Amt beenden. Trump will Ruhe, egal zu welchen Konditionen und egal, wie lange sie hält.

Wer sich auf Trump verlässt, ist im Zweifel verlassen

Umso erstaunlicher wirkt es daher, dass Trump Medienberichten zufolge bereit ist, der Ukraine Sicherheitsgarantien zu gewähren. Vorsicht aber! Ja, eine Beteiligung der USA an einer Mission zur Überwachung eines eventuellen Friedensschlusses wäre wünschenswert und mehr als ein symbolischer Akt.

Wer nicht will, dass Deutschland kämpfen muss, muss der Ukraine helfen.

Daniel Friedrich Sturm, Leiter Tagesspiegel-Hauptstadtbüro

Die Ukraine, aber auch Europa, sollten Trumps Versprechen mit Vorsicht genießen. Wer sich auf Trump verlässt, ist im Zweifel verlassen. Das heißt: Europa wird der Ukraine „eiserne Sicherheitsgarantien“ (Merz) gewähren müssen, ob mit oder ohne Trump.

Daher ist es erfreulich, dass die „Koalition der Willigen“ handeln will. Die Ukraine-Unterstützer, organisiert von Merz, Emmanuel Macron und Keir Starmer, waren für Sonntagnachmittag zu einem virtuellen Treffen verabredet.

Politik besteht zuweilen aus Symbolik, was der frühere Bundeskanzler Olaf Scholz nie verstehen wollte. Doch es hat das Potenzial zu weit mehr als Symbolik, dass Merz, von der Leyen und andere Europäer mit Selenskyj zu Trump reisen wollen.

Dass Deutschland neuerdings eine außenpolitisch aktive Regierung hat, ist schon einmal ein guter Anfang. Bundeskanzler Merz „kann“ mit den maßgeblichen Akteuren – dank einer klugen Mischung aus vornehmer Zurückhaltung und Selbstbewusstsein.

Ein solches Agieren sollte Merz bei der innenpolitisch absehbar turbulenten Diskussion über eine deutsche Beteiligung an Sicherheitsgarantien ebenfalls an den Tag legen.

Bei den Sicherheitsgarantien und all dem geht es nicht um Freundlichkeiten, Geschenke für die Ukraine, sondern darum, dass ihr Kampf es uns (vorerst) erspart, selbst kämpfen zu müssen. Wer nicht will, dass Deutschland kämpfen muss, muss der Ukraine helfen.

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