
© Michael Kappeler/dpa
„Warum werden wir solche Leute nicht los?“ : Merz kündigt nach Magdeburg härtere Migrationspolitik an
Der Unionskanzlerkandidat will Ausländer auch ohne verübte Straftat ausweisen können. Kanzler Scholz verlangt die Aufklärung möglichen Behördenversagens.
Stand:
Eine Woche nach dem Terroranschlag von Magdeburg haben sich sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als auch sein CDU-Herausforderer Friedrich Merz zu den politischen Konsequenzen aus der Tat geäußert, bei der fünf Menschen starben und dutzende weitere zum Teil sehr schwer verletzt wurden.
Während der Unionskanzlerkandidat dabei eine deutliche Verschärfung der Regeln für in Deutschland lebende Ausländer in den Mittelpunkt seiner Überlegungen stellte, will der Amtsinhaber die Ermittlungsbefugnisse der Sicherheitsbehörden erweitern - und Fehler im aktuellen Fall aufarbeiten.
Für den Fall einer Regierungsübernahme durch die Union nach der Bundestagswahl am 23. Februar kündigte Merz mit harten Worten eine deutlich verschärfte Migrationspolitik an. „Wir wollen solche (potentiellen) Straftäter nicht in unserem Land haben“, schrieb er am Freitag in seinem wöchentlichen Email-Newsletter: Die „signifikant höhere Ausländerkriminalität“ sei inzwischen „im Detail öffentlich dokumentiert“ und könne so nicht hingenommen werden.
Unter Hinweis darauf, dass der aus Saudi-Arabien stammende Verdächtige offenbar ein radikaler Islamgegner gewesen sei, schrieb Merz, es würden „Konflikte auf deutschem Boden ausgetragen, die wir ganz einfach nicht dulden können“. Er ergänzte: „Wir müssen das stoppen!“
Union sieht zu viele Integrationsunwillige
Mit Blick darauf, dass der Mann, der einen Wagen absichtlich in die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt gelenkt hatte, vorbestraft gewesen sei, fragte der CDU-Vorsitzende: „Warum werden wir solche Leute nicht los, bevor sie großes Unheil anrichten?“
Es könne zwar sein, „dass die bisherige Rechtslage das nicht hergibt. Aber dann müssen diese gesetzlichen Regelungen eben geändert werden.“ Generell handele Deutschland bisher „im Umgang mit den Feinden unserer Demokratie einfach nicht konsequent genug“, so Merz weiter: „Wir dulden zu viele Menschen in Deutschland, die sich nicht integrieren wollen“,
Hier wird eine Lösung suggeriert, die es im konkreten Fall ziemlich sicher auch bei mehr Konsequenz nicht gegeben hätte.
Die FDP-Innenpolitikerin Ann-Veruschka Jurisch
„Ich kann mit solchen Sprüchen nicht so viel anfangen“, sagte die FDP-Innenpolitikerin Ann-Veruschka Jurisch dem Tagesspiegel zu den Merz-Äußerungen: „Hier wird eine Lösung suggeriert, die es im konkreten Fall ziemlich sicher auch bei mehr Konsequenz nicht gegeben hätte.“ Richtig sei ihrer Ansicht jedoch, dass rechtsstaatliche Ordnung und Kontrolle in der Migration das Gebot unserer Zeit sind“, so die Liberale weiter, „nicht richtig ist, dass damit alle Probleme vom Tisch sind.“
Diese Argumentation bestätigt nur das rechtspopulistische wie falsche Narrativ, alle Probleme seien eine Konsequenz aus den Folgen von Migration.
Konstantin von Notz (Grüne), Vorsitzender des Geheimdienstkontrollgremiums im Bundestag.
Harte Kritik an den Aussagen kam auch von Grünen. „Jetzt, wie Friedrich Merz, wieder eine Migrationsdebatte zu starten, hilft weder unserer Sicherheit noch der CDU, denn diese Argumentation bestätigt nur das rechtspopulistische wie falsche Narrativ, alle Probleme seien eine Konsequenz aus den Folgen von Migration“, sagte Konstantin von Notz, der Vorsitzende des Geheimdienstkontrollgremiums im Bundestag.
Vor einer Sondersitzung des Innenausschusses am kommenden Montag betonte von Notz die Notwendigkeit, Details zu behördlichen Erkenntnissen im Vorfeld des Anschlags zu kennen, „bevor man die hundertste Debatte um Strafverschärfungen und Befugniserweiterungen startet. Denn diese Verschärfungsdebatte suggeriert immer, niemand trage oder übernehme die politische Verantwortung und keiner habe etwas falsch gemacht“. Um aus der Analyse des Anschlags von Magdeburg die richtigen Konsequenzen ziehen zu können, „erwarten wir eine umfangreiche Darstellung der relevanten Ereignisse und Sachverhalte inklusive der Zeitabläufe“.
Vor voreiligen Schlüssen und parteipolitischen Schuldzuweisungen warnte auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Hardt im „Spiegel“. Der „komplexe Fall eines vordergründig mindestens beruflich erfolgreichen Einwanderers“ werfe viele Fragen zur Migrationspolitik, aber auch zur Versorgung psychisch Erkrankter und zur Radikalisierung auf.
Scholz will bei Sicherheitsgesetzen auf Union zugehen
Wie Merz, der sich auf zu wenig beachtete Hinweise verschiedener Nachrichtendienste zum Gefährdungspotenzial des Attentäters bezog, machte auch Kanzler Scholz in einem Interview mit dem Nachrichtenportal „t-online“ deutlich, dass er eine Aufarbeitung des behördlichen Handelns vor dem Attentat erwartet.
„Offensichtlich gab es über die Jahre immer wieder Hinweise auf den Mann“, so der SPD-Politiker: „Meine Erwartung ist klar: Jetzt muss sehr genau geprüft werden, ob es Versäumnisse bei den Behörden in Sachsen-Anhalt oder auf Bundesebene gegeben hat. Da darf es keine falsche Zurückhaltung geben.“
Scholz pocht zudem darauf, dass Polizei und Geheimdienste noch vor der Bundestagswahl mehr Befugnisse bekommen – und verweist dabei auf entsprechende Gesetzesvorlagen seiner inzwischen nicht mehr existierenden Regierungskoalition.
„Die Sicherheitsbehörden brauchen mehr Kompetenzen, und nach den Messerattacken von Mannheim und Solingen hat die Bundesregierung mit dem Sicherheitspaket entsprechende Gesetze auf den Weg gebracht“, so Scholz. „Leider wurde im Bundesrat ein Teil dieser Gesetze im Oktober blockiert. Ich rufe dazu auf, die zusätzlichen Befugnisse jetzt doch schnell möglich zu machen.“ Er werde dazu Gespräche „mit allen Beteiligten“ führen, auch mit Vertretern der Unionsparteien
- Bundestagswahl
- CDU
- Deutscher Bundestag
- Friedrich Merz
- Migration
- Olaf Scholz
- Polizei
- Saudi-Arabien
- SPD
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: