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Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und Kanzlerin Angela Merkel.

© REUTERS

Kanzlerin als Nachfolgerin von Juncker?: Was Macron mit seinem Merkel-Vorstoß bezweckt

Emmanuel Macron würde Merkel als EU-Kommissionspräsidentin unterstützen. Aber eigentlich meint Frankreichs Staatschef damit etwas anderes.

Es ist die jüngste Volte in der Debatte um die Nachfolge von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat in einem Interview mit dem Schweizer Fernsehsender RTS Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als EU-Kommissionspräsidentin ins Spiel gebracht. „Wenn sie es machen wollte, würde ich sie unterstützen“, sagte Macron am Dienstagabend.

Auf den ersten Blick würde es für die EU einen Ausweg aus der Verhandlungs-Sackgasse darstellen, wenn Merkel die Juncker-Nachfolge übernehmen würde. Deutschland würde trotz der Einsprüche Macrons gegen den EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber (CSU) den wichtigen Posten an der Spitze der EU-Kommission übernehmen. Das Amt der EU-Ratschefin könnte dann an ein kleines Land in Osteuropa gehen – sagen wir einmal Litauen. Die bisherige Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite konnte jüngst nach zwei Amtszeiten turnusgemäß nicht wieder antreten und wird in Brüssel bereits für die Nachfolge des aus Polen stammenden Ratschefs Donald Tusk gehandelt. Um den Parteienproporz zu wahren, könnte dann der Sozialdemokrat Frans Timmermans als künftiger EU-Außenbeauftragter zum Zuge kommen. Und dann schließlich noch ein Franzose oder eine Französin als Chefin der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Mai - pourquoi pas?

Auf den zweiten Blick stellt sich allerdings heraus, dass derartige Gedankenspiele keine echte Grundlage haben. Macron weiß selbst, dass Merkel jegliche Brüsseler Ambitionen für die Zeit nach ihrer Kanzlerschaft immer wieder dementiert hat. Die 64-Jährige dürfte sich auch kaum den Knochenjob im 13. Stock des Berlaymont-Gebäudes im Brüsseler Europaviertel antun. Der gegenwärtige Amtsinhaber Juncker hat gerade in einem Interview mit „Politico“ eingeräumt, dass er bei seiner Wahl im Jahr 2014 eigentlich lieber den Job den EU-Ratschefs gehabt hätte. Der ist weniger zeitaufwändig, dafür umso prestigeträchtiger. Der Kommissionschef – oder die Kommissionschefin – muss Politikfelder identifizieren, auf denen neue EU-Gesetzgebung benötigt wird. Wer auch immer die Tusk-Nachfolge antritt, hat ein überschaubareres Aufgabenfeld. In diesem Amt gilt es im Wesentlichen, die EU-Gipfel vorzubereiten.

Zahlreiche Europapolitiker halten am Spitzenkandidaten-Prinzip fest

Bemerkenswert an dem Interview Macrons mit dem Schweizer Sender ist auch, dass er bei seiner Ablehnung des Spitzenkandidaten-Prinzips bleibt und damit einen institutionellen Konflikt mit dem Europaparlament heraufbeschwört. Zuletzt haben sich zahlreiche Politiker im Europaparlament und in Deutschland dafür ausgesprochen, an eben jenem Prinzip festzuhalten, das den Deutschen Weber im Postengerangel in eine gute Startposition bringt. Das Prinzip besagt, dass nur jemand Kommissionschef werden kann, der bei der Europawahl auch als Spitzenkandidat für eine der europäischen Parteienfamilien angetreten ist.

Dass Frankreich die Entscheidung über den Job des EU-Kommissionschefs wieder in die Hinterzimmer verlagern will, hatte zuvor auch die frühere Europaministerin Nathalie Loiseau klar gemacht. Die Spitzenkandidatin von Macrons Partei „La République en Marche“, die nun ins Europaparlament eingezogen ist, hat Weber jüngst in einem Hintergrundgespräch mit Journalisten als „Ektoplasma“ bezeichnet, also den aus dem Film „Ghostbusters“ bekannten Geisterschleim. In dieselbe Kerbe haute nun auch Macron, auch wenn er dies etwas vornehmer tat. „Europa braucht Gesichter, starke Persönlichkeiten, es braucht Leute, die eine persönliche Glaubwürdigkeit haben und die Kompetenzen, um die Posten auszufüllen“, sagte Frankreichs Staatschef.

Letztlich stellt Macrons Einlassung einen weiteren Versuch dar, um den CSU-Vize Weber zu diskreditieren. Doch trotz allem hat der Niederbayern im Rennen um die Juncker-Nachfolge weiter gute Chancen. Beim EU-Gipfel am 20. und 21. Juni ist die europäische Öffentlichkeit möglicherweise etwas schlauer, wie die Top-Jobs in Brüssel und Frankfurt demnächst vergeben werden.

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