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„Wird zu noch mehr toten Zivilisten führen“: Deutsche Politik entsetzt über neue Gaza-Offensive
Trotz internationaler Appelle rückt Israels Armee in Gaza-Stadt ein. Außenpolitiker von Union und SPD warnen vor den Folgen. Bei möglichen Sanktionen herrscht Uneinigkeit.
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Trotz eindringlicher internationaler Warnungen hat Israel seine lang erwartete Bodenoffensive auf Gaza-Stadt begonnen. „Gaza brennt“, schrieb Verteidigungsminister Israel Katz am Dienstag auf der Online-Plattform X. Die israelischen Streitkräfte „schlagen mit eiserner Faust auf die terroristische Infrastruktur ein, und die IDF-Soldaten kämpfen tapfer, um die Bedingungen für die Freilassung der Geiseln und die Zerschlagung der Hamas zu schaffen“. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte, Israel habe einen bedeutenden Einsatz gestartet.
Kritik am Vorgehen Israels kam auch von Seiten der Bundesregierung. Außenminister Johann Wadephul (CDU) sagte in Berlin, die Offensive auf Gaza-Stadt gehe in „die vollkommen falsche Richtung“. Erforderlich sei stattdessen ein sofortiger Waffenstillstand, eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung und die Freilassung der verbliebenen israelischen Geiseln.
Auch die Außenpolitiker der Regierungsfraktionen kritisierten die Offensive scharf. „Die Ausweitung des Krieges durch die israelische Armee über Gaza-Stadt ist inakzeptabel. Es wird zu noch mehr toten Zivilisten führen, die humanitäre Lage der Palästinenser dramatisch verschlechtern und die Chance zur Freilassung der noch lebenden Geiseln aus den Händen der terroristischen Hamas drastisch senken“, sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Adis Ahmetovic, dem Tagesspiegel.
Ruf nach Sanktionen
Netanjahu sei nicht an einem Ende des Krieges interessiert und isoliere Israel zunehmend international. Angesichts des anhaltenden Bruchs des Völkerrechts durch die israelische Regierung müssten „weitere Maßnahmen“ folgen, forderte Ahmetovic. „Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat konkrete Sanktionsvorschläge gemacht, die von der Bundesregierung nicht mehr blockiert werden sollten“, sagte der SPD-Politiker.
Tatsächlich will die EU-Kommission am Mittwoch Strafmaßnahmen gegen Israel vorschlagen, um die Regierung von Netanjahu unter Druck zu setzen, ihren Kurs im Gaza-Krieg zu ändern. Vorgesehen sind nach Angaben der Behörde Sanktionen gegen gewalttätige Siedler und extremistische Minister sowie eine Aussetzung des handelsbezogenen Teils des EU-Israel-Assoziierungsabkommens.
Ohne mehr Druck durch die deutsche Bundesregierung wird die israelische Regierung nicht von diesem fatalen Kurs abweichen.
Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Luise Amtsberg, fordert von Schwarz-Rot Taten.
Auch der außenpolitische Sprecher der Union, Jürgen Hardt, äußerte seine Zweifel, dass die Hamas durch die Offensive besiegt werden kann. „Im Gegenteil befürchte ich, dass eine weitere Eskalation exakt dem Plan des Politbüros der Hamas entspricht. Ohne das Leid in Gaza wäre die Hamas ihres wichtigsten Propagandawerkzeugs beraubt“, sagte Hardt dem Tagesspiegel. Die israelische Regierung habe es bislang versäumt, ausreichend für die Versorgung der Menschen in Gaza Verantwortung zu nehmen. Sanktionen forderte Hardt jedoch nicht.
Die fordert jedoch die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Luise Amtsberg: „Ohne mehr Druck durch die deutsche Bundesregierung wird die israelische Regierung nicht von diesem fatalen Kurs abweichen“, sagte sie dem Tagesspiegel. Sie verurteilte das Vorgehen auf Schärfste. „Diese Offensive bedeutet am Ende nur mehr Tod und Vertreibung und gefährdet zudem das Leben der noch gefangen gehaltenen israelischen Geiseln.“
Eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen wirft Israel derweil Völkermord im Gazastreifen vor. Hochrangige israelische Regierungsvertreter, darunter Ministerpräsident Netanjahu, hätten zu diesen Taten angestiftet, hieß es in dem am Dienstag in Genf veröffentlichten Bericht weiter. „In Gaza findet ein Völkermord statt“, sagte die Leiterin der Untersuchungskommission für die besetzten palästinensischen Gebiete, Navi Pillay. „Die Verantwortung für diese Gräueltaten liegt bei den israelischen Behörden auf höchster Ebene.“ (mit Reuters)
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