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In Griechenland, hier ein Junge bei einer Schulparade in Athen, ist die Kinderarmut dramatisch gestiegen.

© dpa

Unicef-Bericht zur Lage der Kinder in Industrieländern: Zwei verlorene Generationen

Seit der Finanzkrise 2008 ist die Kinderarmut in der entwickelten Welt stark gestiegen. Auch in Europa. In vielen Staaten gibt es schon jetzt eine verlorene Generation, weil junge Erwachsene keine Perspektive haben. Und eine zweite könnte folgen.

Mitten in Europa droht eine ganze Generation den Anschluss zu verpassen. Den Anschluss an den von ihren Eltern erarbeiteten Wohlstand und an das soziale Gefüge. Betroffen sind vor allem Jugendliche und junge Erwachsene in jenen Staaten, die während der Finanzkrise einen wirtschaftlichen Absturz erlebt haben. Das ist das Ergebnis einer Studie des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen, Unicef, zur Kinderarmut in Industrie- und Schwellenländern (OECD-Länder).

Keine Perspektiven

Insgesamt 7,5 Millionen EU-Bürger zwischen 15 und 24 Jahren haben derzeit weder eine Arbeit oder einen Ausbildungsplatz. Das sind fast so viele wie die Schweiz Einwohner hat. „Die Rezession trifft die15-24-Jährigen besonders hart, denn die Zahl der Jungen ohne Arbeit und Ausbildung steigt in vielen Ländern dramatisch“, heißt es in einer Erklärung von Unicef. Außerhalb Europas haben sich demnach vor allem in den USA und in Australien die Perspektiven für junge Erwachsene erheblich verschlechtert.

Kinderarmut steigt teilweise um 50 Prozent

In Irland, Kroatien, Griechenland und Lettland stieg aber auch die Kinderarmut um mehr als 50 Prozent an. Kinder erlebten außerdem, wie ihre Eltern ihre Arbeit verloren und ihre Familien in Existenznot gerieten, weil gleichzeitig auch die sozialen Netze in den Krisenländern zusammenbrachen. Laut Unicef hat sich in Estland, Griechenland und Italien seit 2008 die Zahl der Haushalte mit Kindern verdoppelt, die sich nicht mindestens jeden zweiten Tag Fleisch, Geflügel oder Fisch leisten können. Unter dem Strich wurden griechische Familien im Schnitt um 14 Jahre in der Wohlstandentwicklung zurückgeworfen, aber auch Spanien und Irland und sogar Luxemburg büßten eine Dekade Wohlstand ein. „Solche Veränderungen habe gravierende Folgen für Kinder“, heißt es in dem Bericht. Sie reagierten mit Angst und Stress und litten in unter solchen Familienkrisen zwar eher subtil aber doch schmerzvoll.

In Griechenland, Spanien und Lettland ist jedes dritte Kind betroffen

Insgesamt sei die Kinderarmut in 23 von 41 untersuchten Staaten in den vergangenen Jahren gestiegen, schreibt Unicef. Von den 11,5 Millionen Kindern, die Unicef als arm einstuft, leben 9,5 Millionen in Europa. In mehr als der Hälfte der untersuchten Staaten lebt jedes fünfte Kind in Armut, in Spanien, Lettland und Griechenland und sind es sogar rund 36 Prozent aller Kinder, in Italien 30 Prozent. „Je länger diese Kinder in dem Teufelskreis aus Armut gefangen bleiben, desto schwieriger wird es für sie ihm zu entkommen“, heißt es im Unicef-Bericht. Die Gefahr ist also groß, dass in Europa eine zweite sogenannte verlorene Generation heranwächst. Immerhin: In 18 Staaten ging die Kinderarmut seit 2008 auch deutlich zurück, teilweise sogar um ein Drittel. Darunter auch die EU-Staaten Finnland, Polen und Tschechien.

Staaten haben versagt 

Den betroffenen Staaten wirft Unicef vor, zu wenig zum Schutz von Kindern und Jugendlichen unternommen zu haben, sprich, Spar- und Reformprogramme zu wenig für diese ausgesprochen schwache Bevölkerungsgruppe abgefedert zu haben. „2010 schwenkten die meisten Staaten von Konjunkturprogrammen auf harte Sparprogramme um, mit negativen Auswirkungen für Kinder, besonders im Mittelmeerraum.“

Deutschland steht gut da

Deutschland gehört laut der Unicef-Untersuchung zu den Ländern mit positiver Bilanz. Die Kinderarmut stieg danach seit 2008 nicht, die Zahl der 15- bis 24-Jährigen ohne Arbeit und Ausbildung ging sogar leicht zurück. Sie liegt allerdings noch immer bei 6,3 Prozent.

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