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Zwei, die sich was trauen: Raed Saleh und Franziska Giffey wollen die Berliner SPD führen - auch inhaltlich.

© imago images/Christian Spicker

Zwischen Provokation und Anpassung: Warum Giffey und Saleh mehr wagen als Olaf Scholz

Alle drei wollen etwas werden in der SPD. Giffey und Saleh beziehen nun Position, Kanzlerkandidat Scholz hingegen vermeidet Provokationen.

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Man könnte es eine sozialdemokratische Preisfrage nennen: Was haben Franziska Giffey, Raed Saleh und Olaf Scholz gemeinsam? Alle drei wollen etwas werden in der SPD, wollen Wahlen gewinnen. Alle drei provozieren mit ihrer Geschichte und ihren Überzeugungen die Mehrheit in ihrer Partei, die sich seit Jahren einem zunehmend linkeren Kurs verschrieben hat – im Bund ebenso wie in Berlin.

Die Gemeinsamkeiten hören auf, wenn es ums Handeln geht. Giffey und ihr designierter Co-Vorsitzender Saleh haben im Tagesspiegel-Interview ein Programm ausgebreitet, dass die Parteilinke in Berlin aufheulen lässt

Sie haben vor dem Landesparteitag Ende des Monats Position bezogen, wollen kämpfen. Kanzlerkandidat Scholz dagegen vermeidet Provokationen seiner Genossen und sucht den Schulterschluss mit den Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, die ihn im Mitgliederentscheid vor einem Jahr geschlagen hatten.

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Giffey und Saleh zielen mit klaren Ansagen vor allem auf die Mitte ab, distanzieren sich zum Teil von der bisherigen rot-rot-grünen Regierungspolitik, wollen einen wirtschaftsfreundlichen Kurs, das Auto nicht verbannen, der Mietendeckel soll auch nicht verlängert werden. Wenn es um innere Sicherheit und die Durchsetzung von Regeln geht, kündigt Giffey ein hartes Vorgehen gegen Linksextremisten an.

Wird von vielen in der eigenen Partei misstrauisch beäugt: SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz.
Wird von vielen in der eigenen Partei misstrauisch beäugt: SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz.

© dpa

Eine „deutliche Akzentverschiebung“ nennt das der Berliner Politikwissenschaftler Thorsten Faas. Giffey wolle sich mit Blick auf die Abgeordnetenhauswahl 2021 gerade gegenüber den Grünen und deren Milieu strategisch „anders positionieren und trennschärfer sein“.

Ohne Risiko ist dieser Kurs nicht. Denn starke Gruppen in der Berliner SPD wollen zwar Giffey und Saleh als Vorsitzende, aber sie wollen nur deren Namen, nicht deren Programm.

Kann Olaf Scholz seine Stärken ausspielen, wenn er sich anpasst?

Manche Sozialdemokraten meinen, auch Scholz könnte nur dann ein überzeugender Kanzlerkandidat werden, wenn er seiner eigenen Partei etwas zumutet. Bisher verleiht seine Kandidatur der SPD keinen Schub. Kommunalpolitiker und auch langjährige Bundestagsabgeordnete sind besorgt.

Sie habe mitunter das Gefühl, „dass die unterschiedlichen Flügel in der Fraktion für Sach- oder Personalentscheidungen wichtiger sind als sachdienliche Erwägungen“, klagte zum Beispiel die Abgeordnete Dagmar Freitag.

Von dem Profil, mit dem Scholz in Hamburg Wahlen gewann, ist derzeit wenig zu sehen, hat er genug Beinfreiheit? Dort stand er nicht nur für Wirtschaftsfreundlichkeit, sondern auch für einen harten Kurs auf dem Feld der inneren Sicherheit, zu dem auch der Brechmitteleinsatz bei Drogendealern und Abschiebungen gehörten.

In der Spitze der Bundes-SPD wird das Thema innere Sicherheit eher mit spitzen Fingern behandelt. Nachdem Scholz am Dienstag mit der Union mehr Ausspäh-Befugnisse für Geheimdienste etwa beim Zugriff auf Online-Chatnachrichten ausgehandelt hatte, lobte er sich nicht selbst, das tat Unionsfraktionsvize Thorsten Frei für ihn: „Olaf Scholz hat sich jetzt gegen den linken Flügel der SPD durchgesetzt“.

Der Fall zeigt: Scholz muss stets darauf achten, das eigene linke Lager nicht zu provozieren. Der Vizekanzler und Kanzlerkandidat wird sich daher sehr genau ansehen, wie weit Giffey und Saleh mit ihrem provokativ klaren Programm in ihrer Partei nun in Berlin kommen - und ob es auch für ihn eine Blaupause sein kann.

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